Russischer Dill: Von Russen geliebt, von Ausländern gehasst

Russische Küche
ANNA SOROKINA, MARIA STAMBLER
Wir zeigen Ihnen, wie auch Sie Ihre Liebe für das besondere Kraut entdecken können. Russen würden Dill nicht so lieben, wäre er nicht etwas ganz besonderes. Zugegeben: Der Trend zum Dill nimmt teilweise skurrile Ausmaße an.

Es gibt viele russische Gerichte, in die das allgegenwärtige Kraut gehört – ob es Ihnen gefällt oder nicht. Suppen, Kartoffeln, Fisch, Beef Stroganoff und wortwörtlich jedes andere herzhafte Gericht aus Russland wird mit einer großzügigen Menge Dill angereichert. Für viele Ausländer kann es aber manchmal zum Problem werden, wenn auch andere Gerichte in Restaurants, Cafés und Geschäften eine unerwartete Dill-Injektion verpasst bekommen.

Warum Russen den Dill so lieben

Stellen Sie sich darauf ein, dem Dill überall zu begegnen. In Russland heißt die Pflanze „ukrop“. Der Name leitet sich von „kropit“ ab, was so viel wie bedecken heißt. Das Kraut findet sich natürlich auch in anderen Ländern. Denken Sie nur an die Sauce zu skandinavischem Lachs oder den europäischen Spinatauflauf. In Russland aber wird Dill für eine ganze Reihe an Gerichten genutzt, vom Salat bis zu gebackenen Speisen. Selbst Kefir mit Dill kann man hier kaufen und auch Chips gibt es in der Geschmacksrichtung „Dill und saure Gurke“.  

Tatsächlich essen Russen sehr viele grüne Kräuter. Neben Dill sind auch Petersilie, Koriander, Frühlingszwiebel und Sauerampfer sehr beliebt. Frische Früchte und Gemüse sind insbesondere im Winter manchmal schwer zu besorgen und Kräuter sind ein einfacher Weg, wichtige Vitamine zu sich zu nehmen. Dill enthält viele wertvolle Stoffe und hilft so gegen hohen Blutdruck und Kopfschmerzen. Besonders wichtig ist zudem: Die Pflanze hat sich an das kalte Klima Russlands angepasst und kann sogar auf der Fensterbank gezüchtet werden.

Warum Ausländer den Dill nicht mögen

„Die Antwort ist einfach: Dill ist kein wichtiger Bestandteil der angloamerikanischen Küche”, sagt der in Moskau lebende amerikanische Journalist Tim Kirby. „Natürlich existiert es dort auch und man kann es kaufen, aber in der ehemaligen Sowjetunion ist es viel beliebter.“

Expats frustrieren die vielen Kräuter in russischen Gerichten. Shaun Walker, ein Journalist des „Guardian“, der ebenfalls in Russland lebt, hat sogar eine eigene Facebook-Gruppe gegründet. Sie nennt sich „Dillwatch“ und wurde gegründet, um „Dill von einem Gewürz in Unkraut umklassifizieren zu lassen“. Die Gruppe wird genutzt, um von Gerichten und Restaurants zu berichten, in denen Dill wahrlich nicht auftauchen sollte und es dennoch tut.

Wenn Sie am Valentinstag jemals zum Pizzaessen in Moskau ausgehen wollen, sollten Sie sich das nochmal überlegen. Sollte der Koch gerade an diesem Tag von seiner Liebsten verlassen worden sein, wird er seine Sorgen ertränken – in Dill und genau über Ihrer Pizza.

Seien Sie vorsichtig, wenn Sie in Russland ein Steak bestellen. Sie sollten vorab darauf hinweisen, dass Sie keinen Dill-Wald auf dem Teller wünschen.

Auch einen weiteren italienischen Klassiker, Spaghetti Carbonara, erhalten Sie oft in der russischen Variante.

Unsere Social-Media-Direktorin Maria Gambler stolperte in einem hippen Café in Moskaus Gorki-Park einst über einen armen, kleinen Ball aus griechischem Feta, der unter einer dicken Schicht Dill zu ersticken drohte.

Obwohl wir bereits erwähnt haben, dass Dill zu vielen russischen Gerichten dazugehört, wird auch das manchmal übertrieben. Der Beweis: Maria entdeckte eine Portion Dill mit ein wenig Draniki als Beilage.

Wie Sie den Dill lieben lernen

Ok, machen wir uns an die Arbeit: Zunächst sollten Sie sich klarmachen, wie sich Ihr Leben verbessern würde, wenn Sie Dill plötzlich genießen könnten. Der zweite Schritt ist es, einfach aufzugeben. Im letzten Schritt bleibt dann nur noch eins: Geben Sie Dill ab sofort in jedes Ihrer Gerichte.

„Gibt es kein Limit für Dinge, auf die Russen Dill geben können?“, fragt sich der in Moskau lebende britische Rechtsanwalt Oliver Lyon. „Dill-Mayonnaise, Dill auf Fisch, Dill hier, Dill da… ich kann es nicht mehr sehen!“

Nein, lieber Oliver, ein solches Limit für russischen Dill gibt es nicht.

Tim Kirby sagt: “Wenn Sie sich an die Küche einer anderen Kultur gewöhnen wollen, dann geht das. Es braucht nur Zeit. Als ich das erste Mal „gretschka“ (zu Deutsch Buchweizen) gegessen habe, konnte ich nicht schlucken, weil es so nach Metall schmeckt. Mittlerweile brauche ich „gretschka“ zum Leben – weil es so nach Metall schmeckt.“

“Ich lebe hier schon zu lange”, fügt Kirby hinzu. „Wenn mein Essen keine Dill-Attacke hinter sich hat, dann ist es einfach nicht richtig. Sobald man den Dill, saure Sahne und Mayonnaise erst einmal angenommen hat, führt kein Weg zurück.“

Widerstand ist zwecklos!