Warum wird in Russland Milch gebacken?

Russische Küche
ANNA SOROKINA
Früher hatte es praktische Gründe, Milch zu backen, etwa eine längere Haltbarkeit. Heute ist „gebackene Milch“ nur eine von vielen köstlichen Milchspeisen der russischen Küche.

Gebackene Milch [„Topljonoje Moloko“ auf Russisch] ist eine Milchspeise, die außerhalb Russlands und anderer ehemaliger Sowjetstaaten praktisch unbekannt ist. Und doch war und ist es ein sehr wichtiges (und köstliches!) Gericht der russischen Küche.

Der Ofen als Lebensmittelpunkt 

In einem traditionellen russischen Haus spielte sich das Leben rund um den Ofen ab. Dieser bestand meist aus Mauerwerk und diente als Heizung, zum Erwärmen von Wasser, als Schlafplatz und natürlich Kochstelle. Das russische Wort für „backen“ und „Ofen“ ist gleich: „petsch“. 

Die russische Küche ist bekannt für Gerichte, die lange Zeit in einem sich langsam abkühlenden Ofen garen. Haferbrei zum Beispiel wurde aus Getreide, mit Wasser oder Milch übergossen, zubereitet und über Nacht in den Ofen gestellt. Russische Öfen wurden auch verwendet, um Buschenina, gebackenes Schweinefleisch, zuzubereiten, Kuchen zu backen und Pastilaherzustellen, eine Süßigkeit aus Fruchtpüree. 

Und auch gebackene Milch ist ein Dessert aus dem Ofen. Zuerst wurde die Milch in einem Tontopf gekocht und dann über Nacht im immer kühler werdenden Ofen aufbewahrt. Wenn Sie dieses Rezept heute mit einem modernen Ofen nachkochen möchten, müssten Sie zunächst auf 100 °C vorheizen und die Temperatur dann allmählich auf 30 bis 40 °C reduzieren. Nach etwa acht bis neun Stunden verändert die Milch ihre Farbe, sie sieht nun beigefarben aus und hat einen deutlichen Karamellgeschmack. Dieser entsteht ohne Zuckerzusatz, alleine durch die Reaktion des Milchproteins. Der Vorgang heißt „topljenje“ und das fertige Produkt „Toplejonoje Moloko“. Im Deutschen würde man es als „ofengegart“ bezeichnen. Das russische Wort „topljony“ bedeutet eher „gedünstet“ oder „erhitzt“. 

Warum aber wurde die Milch überhaupt gebacken? Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Kuh und die Kuh produziert viel Milch. Frische Milch wird nach ein paar Tagen schlecht, auch wenn sie an einem kühlen Ort aufbewahrt wird. Doch sie einfach wegzukippen kam damals nicht in Frage. 

Nun kommt der russische Ofen ins Spiel. Gebackene Milch kann eine Woche lang gelagert werden, ohne zu verderben oder an Geschmack zu verlieren. 

Darüber hinaus haben moderne wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, dass gebackene Milch doppelt so viel Kalzium und Eisen enthält wie Frischmilch und zudem weniger allergische Reaktionen auf Kasein und Laktose hervorruft. 

Zudem ist es eine gute Basis für weitere Milchspeisen. 

Was alles kann aus gebackener Milch hergestellt werden? 

Milchprodukte, insbesondere fermentierte, haben einen besonderen Platz in der russischen Küche: Kefir, Sneschok oder der nationale Favorit Smjetana (saure Sahne). 

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Einige Milchspeisen benötigen gebackene Milch als Basis. Die beliebteste ist Rjaschenka, die in jedem russischen Lebensmittelgeschäft zu finden ist. Es ist ein fermentiertes Getränk aus gebackener Milch, aber mit einem feineren Geschmack als beispielsweise Kefir. 

Warenez basiert auf einem traditionellen sibirischen Rezept und schmeckt ähnlich wie Rjaschenka. Dieses Getränk wird jedoch mit saurer Sahne zubereitet und ist daher reichhaltiger. 

Gebackene Milch wird auch verwendet, um bekanntere Produkte herzustellen. Zum Beispiel gebackenen Tworog (Hüttenkäse): daraus hergestellte Syrniki (Quarkteigklöße) haben bereits einen eigenen Karamellgeschmack, so dass weder Zucker noch Süßstoff nötig sind. Sie können gebackenen Hüttenkäse fast überall in Russland kaufen oder zu Hause selbst zubereiten. 

Ein weiteres Produkt aus der Reihe der Topljenje-Produkte ist Butterschmalz. Dieser gilt als besonders gesund. Butterschmalz, oder auch geklärte Butter, ist auch außerhalb Russlands bekannt zum Beispiel in Indien, wo er „Ghee“ genannt wird. Der Herstellungsprozess ist ähnlich. 

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