In der Sowjetunion hoben sich exklusive Restaurants deutlich ab von den allgegenwärtigen Kantinen oder Mensen. An ihren Türen hingen fast immer Schilder mit dem Hinweis „Ausgebucht“ und lange Schlangen bis zur nächsten Straßenecke bildeten sich vor ihnen. Wie konnte der durchschnittliche sowjetische Bürger dort einen Tisch bekommen und wie hoch fiel die Rechnung aus?
Ein halber Monatslohn für den Zutritt
Ein Menü in einem sowjetischen Restaurant schien, verglichen mit heute, durchaus günstig zu sein. So kosteten in den 1970er und 80er Jahren im Astoria, einem der besten Restaurants in Leningrad (heute St. Petersburg), Fleischgerichte wie Schaschlik oder Stroganoff als Hauptgang zwischen einem und zwei Rubel und Desserts und Kaffee 20 bis 30 Kopeken.
Das monatliche Durchschnittsgehalt eines qualifizierten Facharbeiters lag zu der damaligen Zeit bei rund 150 Rubel. In Moskauer Restaurants wie dem Praga in der Arbat-Straße und dem Aragvi in der Twerskaja-Straße kostet ein sehr gutes Abendessen für zwei Personen zwischen zehn und 15 Rubel. Dies bedeutete jedoch keineswegs, dass jeder die Möglichkeit hatte, dorthin zu gehen, denn für den Zugang ins Restaurant musste zusätzlich bezahlt werden und das war oft teurer als ein ganzes Menü. Während man tagsüber für zwei Rubel ein Mittagessen bekam, musste man abends schon deutlich tiefer in die Tasche greifen, um am Portier vorbeizukommen. Dieser erwartete eine inoffizielle Gebühr, damit er den Zutritt zum Restaurant gewährte. Bei einem gewöhnlicheren Restaurant wurden zwischen einem und drei Rubel fällig, während der Eintritt in ein gutes Restaurant schon zehn Rubel und der in ein exklusives Etablissement wie dem Praga am Wochenende bis zu 50 Rubel kosten konnte.
Hochkarätige Gäste im siebten Himmel
Moskau hatte auch ein Restaurant, in das man nur durch den Kauf eines Tickets kam. Die Zeit, die dort verbracht werden durfte, war begrenzt. Sedmoje Nebo, zu Deutsch „Siebter Himmel“, auf dem Ostankino-Fernsehturm war das höchste Restaurant der Sowjetzeit. Es befand sich 330 Meter über dem Boden. In 40 Minuten drehte es sich einmal um seine Achse. Im Restaurant fanden maximal 80 Gäste gleichzeitig Platz, die zudem eine Eintrittskarte benötigten, die ab sieben Rubel aufwärts pro Person kostete. Die Speisekarte war simpel: Sandwiches, Mayonnaise-Salate und panierte Schnitzel. Das Essen wurde nur aufgewärmt. Kochen im Turm war aus Sicherheitsgründen verboten. Dennoch wurden stolze Preise verlangt. Ein einfaches Mittagessen kostete etwa sieben Rubel. Wer sich dazu ein Gläschen eines alkoholischen Getränks gönnen wollte, landete schnell bei 20 Rubel.
Meeresfrüchte statt Mangel
Eines der ausländischen Stereotypen ist, dass Russen schwarzen Kaviar löffelweise essen. Tatsächlich waren Fischgerichte immer einer der teuersten Komponenten eines Restaurantmenüs, insbesondere in den Regionen. In Swerdlowsk (heute Jekaterinburg) gab es ein sehr beliebtes Fischrestaurant, Okean, das Mitte der 1970er Jahre eröffnet wurde. In den Geschäften der Stadt herrschte Mangel, aber im Okean der Überfluss. Dort gab es überbackenen Lachs zu erschwinglichen Preisen, Sevruga Consommé und nahrhafte Tintenfischsalate. „Am Zahltag fuhren wir zum Okean. Das Mittagessen kostete ungefähr zwei Rubel. Dafür bekamen wir zwei Pasteten mit Brühe und ein Kaviar-Butter-Törtchen“, erinnert sich ein Bewohner.
Kein Gericht kostete mehr als drei Rubel, abgesehen vom Kaviar. Für die ganz besondere Delikatesse „Sevruga-Kaviar auf Eis“ wurden 16 Rubel berechnet. Das war damals eine ganze Menge Geld.
„Kategorie 1“ für ausländische Touristen
Manche Restaurants hatten separate Räumlichkeiten für VIP-Gäste und ausländische Touristen. Das Praga bot zusätzlich zum normalen Menü ein Menü der Kategorie I, bei dem Kalbsfilet mit Champignonpilzen 30 Rubel kostete, das slowakische Schweinekotelett 20 Rubel und Kaviar mit Toast und Butter 54 Rubel.
„Meine Mutter feierte 1990 einen runden Geburtstag. Damals war es schwierig, einen Tisch in einem guten Restaurant zu bekommen“, erinnert sich ein Moskowiter. „Sie arbeitete für eine wichtige Außenhandelsorganisation, und die Reservierung im Praga wurde über deren Protokollabteilung vorgenommen. Wir wurden als ausländische Delegation eingestuft. Natürlich war alles auf dem neuesten Stand. Der Alkohol war dort sehr teuer, also bestellten wir davon nur sehr wenig, nur zum Anstoßen. Unter dem Tisch hatte ich eine Tasche mit allerlei Getränken. Sobald alle fertig waren am Tisch, holte ich sie hervor.“
Das dem Intourist Hotel angeschlossene Restaurant war nur für Ausländer oder Gäste auf besondere Einladung vorgesehen. Dort wurde nur harte Währung als Zahlungsmittel akzeptiert. Die Speisekarte war dafür exklusiv und man konnte Stör am Spieß und alle Arten von Kaviar-Vorspeisen bestellen.