Will Joseph Blatter Uefa-Präsident Platini als Thronfolger verhindern?
AFP/East NewsDer langjährige Fifa-Präsident Joseph Blatter machte in Interviews mit der russischen Nachrichtenagentur Tass und der britischen Zeitung „Financial Times“ sensationelle Aussagen zur Vergabe der Fußballweltmeisterschaften 2018 und 2022. Dem 79-jährigen Fußballfunktionär zufolge hat es Absprachen gegeben. Demnach seien die Vergaben für 2018 an Russland und für 2022 an die USA eigentlich beschlossene Sache gewesen. 2018 wird die WM zwar tatsächlich in Russland stattfinden, doch 2022 wird der Wüstenstaat Katar Gastgeber sein.
Nach der Einschätzung Blatters, der derzeit suspendiert ist, sei der USA-Deal durch das Eingreifen des damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy gescheitert. Der habe den, zurzeit ebenfalls suspendierten, Uefa-Präsidenten Michel Platini gedrängt, für Katar abzustimmen, behauptet Blatter. Bei der Stichwahl fiel die Entscheidung 14:8 zugunsten von Katar aus.
Motiv: Rache an Platini?
Was beabsichtigt Blatter mit seinen Bekenntnissen? Der Fußball-Experte Wladimir Radionow, früheres Mitglied des Technischen Komitees der Fifa, vermutet einen Angriff auf die Präsidialambitionen von Platini:
„Nach der Enthüllung über das Zwei-Millionen-Dollar Honorar für Platini ist Blatter nun einen Schritt weiter gegangen. Er beschuldigt den Uefa-Boss, politisch motivierte Entscheidungen getroffen zu haben – nämlich im Rahmen einer Abstimmung zusammen mit einer Gruppe von Verschwörern das Wahlergebnis beeinflusst zu haben. Im Vorfeld der Fifa-internen Wahlen sind derartige Aussagen sehr gefährlich. Nach einem derartigen Fauxpas wird das Ethik-Komitee Platini zur Fifa-Wahl am 26. Februar höchstwahrscheinlich nicht zulassen. Blatter rächt sich also an Platini, weil er diesen für die Schwächung der Fifa bestrafen will. Nach Aussage des Schweizers hatte Platini Mitte 2014 die Idee, der Fifa die Kontrolle über alle Fußballföderationen zu entziehen und die Rechte den kontinentalen Verbänden zu übergeben (Uefa, Concacaf, Caf usw.) Käme es so weit, würde die Fifa jegliche Verwaltungskontrolle verlieren.“
Wie geht es weiter mit dem Weltfußball?
Doch trotz aller Skandale sieht Waleri Tschuchrij, der ehemalige Leiter des Moskauer Fifa-Büros, gute Chancen, dass Platini Blatters Nachfolger wird:
„Falls das Ethik-Komitee der Fifa Platini zu den Wahlen zulässt, dann wird er diese trotz aller Skandale gewinnen. Somit wäre ein logischer Punkt gesetzt. Die Organisation braucht einen starken Nachfolger für Blatter. Ich habe mehrmals Gespräche mit Platini geführt und ihn auch bei der Arbeit beobachtet. Er entwickelte sich von einem glänzenden Fußballspieler zu einem seriösen Fußballfunktionär. Platini ist derzeit der einzige Mensch, der den Fußball in den Normalzustand zurückführen kann. Wenn Platini aber nicht zur Wahl zugelassen werden sollte, werden sich Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino und der jordanische Prinz Ali ben al-Hussein wahrscheinlich eine Schlacht um die Spitzenposition liefern. Dabei würde sich im Fall eines Sieges von Infantino der Machtmittelpunkt noch stärker in Richtung Europa verschieben. Der Sieg al-Husseins dagegen könnte die Europäer schwächen. Allen Anzeichen nach würde der jordanische Prinz die europäischen Plätze unter den WM-Gastgeberländern reduzieren und diese auf afrikanische und asiatische Staaten verteilen wollen. Das würde zwangsläufig zu neuen Auseinandersetzungen zwischen der Fifa und der Uefa führen.“
Weltmeisterschaften in Russland und Katar in Gefahr?
Wie werden sich Blatters Enthüllungen auf die nächsten Fußballweltmeisterschaften in Russland und Katar auswirken? Anatoli Worobjew, Mitglied des Exekutivkomitees des Russischen Fußballbunds (RFS), gibt Entwarnung:
„Ein Verfahren zu einer Entziehung der Fußball-WM ist in den Fifa-Statuten nicht vorgesehen. Um die WM noch in ein anderes Land zu verlegen, bleibt zudem einfach zu wenig Zeit. Innerhalb von zwei Jahren müsste man Stadien umbauen, neue Vorauswahlen treffen und neue Sponsoren finden. Blatter spricht von diplomatischen Abmachungen innerhalb der Fifa. Er redet nicht von Vertretern des russischen Organisationskomitees. Und selbst wenn jemand diese vermeintliche Absprache mit Mitgliedern des Exekutivkomitees des Russischen Fußballbunds getroffen hätte, würden zuallererst die Fifa-Funktionäre die Konsequenzen tragen müssen. Die WM in Katar ist ebenfalls nicht gefährdet. Es fehlen die konkreten Beweise für eine Korruption. Bislang gab es zwar das ein oder andere Ermittlungsverfahren, doch es ist nicht gelungen, die Vorwürfe zu untermauern.“
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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