Der russische Energieminister Alexander Nowak (r.) spricht mit Gazprom-Chef Alexej Miller (l). im Vorfeld des Treffens von Putin und Erdoğan in Sankt Petersburg.
ReutersIm Anschluss an das Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan in Sankt Petersburg gab der russische Energieminister Alexander Nowak bekannt, dass beide Länder über den Bau des Turkish Stream verhandeln.
Der russische Präsident schloss aber nicht aus, dass man doch zu den Verhandlungen über den South Stream, eine geplante Pipeline aus Russland über Bulgarien nach Südeuropa, zurückkehren wird. „Absichten alleine reichen allerdings nicht mehr, man braucht die sichersten juristischen Garantien“, betonte Putin.
Beide Projekte sehen Gaslieferungen von bis zu 63 Milliarden Kubikmeter pro Jahr durch das Schwarze Meer vor. Russland war von Anfang an an der Umsetzung des South Stream interessiert. Dieses Projekt wurde aber im Dezember 2014 auf Initiative Bulgariens wegen des Drucks seitens der Europäischen Kommission auf Eis gelegt. Die bulgarische Regierung erklärte damals ihre Entscheidung damit, dass das Projekt nicht den Bestimmungen des Dritten EU-Energiepakets entsprach: Danach darf eine Vertragspartei nicht der Infrastrukturinhaber und gleichzeitig der Gaslieferant sein.Gazprom bestand darauf, dass diese Bestimmungen für den South Stream nicht gelten, weil das Abkommen über den Pipelinebau viel früher unterzeichnet worden war. So verkündete Präsident Putin Ende 2014 ein neues Projekt – den Turkish Stream. Die gleiche Pipeline durch das Schwarze Meer sollte in Richtung Türkei gebaut werden. Aber nach dem Abschuss des russischen Kampfjets durch die türkische Luftwaffe im November 2015 wurde dieses Projekt ebenso gestoppt.
Nach Meinung von Experten bergen beide Projekte politische Risiken. Weil die EU ihre Einstellung gegenüber dem Dritten Energiepaket nicht ändern wird, ist der Turkish Stream für Russland vorteilhafter. Allerdings wird Gazprom dadurch von der türkischen Seite abhängig.
„Die Türkei ist ein Transitland und nimmt deshalb einige Risiken in Kauf“, meint Sergej Chestanow, Berater im Bereich Makroökonomie der Firma Otkrytije Broker. Wenn die Pipeline durch die Türkei gebaut werde, dann würden dem Land gute Mittel an die Hand gegeben, um politischen Druck auszuüben, genauso wie es jetzt bei der Ukraine der Fall sei, meint Chestanow. Und mehr noch: Der türkische Gasmonopolist Botas hat schon beim internationalen Schiedsgericht auf einen Rabatt vonseiten Gazproms geklagt.
Darüber hinaus trifft die Türkei ihre Entscheidungen zwar selbst – ganz im Gegensatz zu Bulgarien, das sich nach den Forderungen der Europäischen Kommission richten muss. Doch das muss nicht so bleiben, wie Georgij Watschschenko, Leiter der Abteilung für Operationen auf dem russischen Aktienmarkt bei der Investmentfirma Freedom Finance, anmerkt: „Falls die Türkei der EU beitritt, wird man sich dann nicht mehr verständigen können: Es war die Europäische Kommission, die den Bau der Leitung durch Griechenland und Bulgarien geblockt hat“, erklärt er.
Ein weiteres Risiko für beide Projekte stellt die Pipeline North Stream durch die Ostsee dar. Da der Bau der zwei Erdgasleitungen durch das Schwarze Meer 2016 auf Eis gelegt wurde, verkündete Russland den Ausbau des North Streams. Dabei sind nicht politische Entscheidungen, sondern niedrige Gaspreise das Risiko, meinen Experten. Die Gaspreise sind von denen für Erdöl abhängig und die Ölpreise sind schon lange im Keller.
„Die heutige Wirtschaft hat keine Vorteile von den zwei Pipelines, weil der Gaspreis an der deutschen Grenze im letzten Monat sein historisches Minimum erreicht hat. Es ist zweifelhaft, dass irgendwann das Vorkrisenniveau wieder erreicht wird, bei dem die beiden Pipelines durch das Schwarze Meer noch lohnend waren“, resümiert Iwan Kapitonow, Dozent an der Hochschule für Unternehmensführung an der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst.Kapitonow ergänzt, dass sowohl der South als auch der Turkish Stream sehr teuer seien. So kostet der Turkish Stream mit fast zwei Milliarden Euro genauso viel wie die Pipeline North Stream 2, die seit einigen Jahren aktiv ausgebaut wird.
Schon die jetzt vorhandenen Kapazitäten der Erdgasleitungen seien nicht erforderlich, fügt Chestanow hinzu. „Wenn die Lieferungen über die Ukraine weiter erfolgreich durchgeführt werden, dann braucht man keine neuen Pipelines“, behauptet der Experte. Rein wirtschaftlich gesehen habe jetzt nur der weitere Ausbau des North Stream 2 Sinn. Dadurch könne man später auf den Transit durch die Ukraine komplett verzichten, meint der Experte.
Die Verhandlungen über den South und den Turkish Stream hätten aber auch ihr Gutes: Sie stärken nach Ansicht Chestanows die russische Position bei den Verhandlungen mit den Partnern in Nordeuropa.
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