Raus aus den Schulden: Russland hat mehr Reserven als Verbindlichkeiten

Reuters
Erstmals seit 2014 hat Russland mehr Finanzreserven als Schulden. Warum ist dies wichtig?

Russlands Streben nach politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit scheint positive Auswirkungen auf die Staatsfinanzen zu haben. Als Reaktion auf die Sanktionen des Westens und den Verfall des Ölpreises hatte das Land einen harten Kurs eingeschlagen, um den Finanzhaushalt stabil zu halten und nicht zu viele Reserven aufzubrauchen. Dank dieses strikten Sparkurses ist die Nettoverschuldung des Landes nun unter Null, berichtet „RBC Daily”. 

Wenn der Kreml nun alle Schulden bezahlen wollte, wäre er dazu in der Lage. Am 1. August lag die Gesamtverschuldung Russlands (Auslands- und Inlandsschulden) bei 16,2 Billionen Rubel (227 Milliarden Euro) oder 15 Prozent des BIP. Das ist etwas weniger als die Summe der Einlagen bei der russischen Zentralbank und anderen Kreditinstituten, die 16,6 Billionen Rubel (233 Milliarden Euro) oder 16,2 Prozent des BIP beträgt. 

Russland hat weniger Schulden als China und die USA 

Diese Zahlen beinhalten keine Handelsschulden, aber selbst wenn diese eingerechnet würden, stünde die russische Wirtschaft gut da, zumindest besser als der Rest der Welt. Während der weltweiten Finanzkrise 2008 mussten viele Volkswirtschaften Kredite aufnehmen, um eine Rezession aufzuhalten. Laut IWF sind die reichsten Volkswirtschaften auch die mit den meisten Schulden. Im Jahr 2017 erreichte die globale Verschuldung ein Allzeithoch von 166 Billionen Euro (entspricht 225 Prozent des globalen BIP) oder 78 000 Euro pro Kopf. 

Auf die drei größten Kreditnehmer der Welt - die USA (256 Prozent des BIP), China (254 Prozent des BIP) und Japan (395 Prozent des BIP) – entfielen mehr als die Hälfte der globalen Schulden. Sie übertrafen den Anteil an der globalen Produktion. 

„Was Russland betrifft, so lag die Verschuldung im Jahr 2017 bei 84 Prozent des BIP. 81,5 Prozent der Schulden waren gewerbliche oder private. Die Verschuldung pro Kopf betrug 810 Euro”, weiß  Gaidar Gasanow vom Internationalen Finanzzentrum in Moskau. 

„Russlands Reserven haben in diesem Jahr erstmals die Marke von 500 Milliarden US-Dollar (rund 451 Milliarden Euro) überschritten, was bedeutet, dass die Wirtschaft die Stabilität ihrer Landeswährung im Falle potenzieller neuer Sanktionen auch zukünftig sicherstellen kann.” 

Eine erzwungene Entscheidung? 

Doch es gibt auch negative Folgen der Sparpolitik. Da kein Geld in die Förderung des Wirtschaftswachstums gesteckt wurde, droht Stagnation, meint Sergei Suwerow, Senior Analyst bei BKS Premier. „Das BIP-Wachstum im ersten Halbjahr 2019 lag bei nur 0,7 Prozent”, sagt er. „Dies ist eine einzigartige Situation: Sie zeugt von einer hohen Kreditwürdigkeit russischer Anleihen, verringert aber andererseits die Attraktivität von Direktinvestitionen in Russland, da strategische Investoren einen sich entwickelnden Markt erwarten. Doch es gibt keine Entwicklung.” 

Anton Bykow, Senior Analyst am Center of Analytics and Financial Technologies, glaubt, die Regierung sei dennoch gezwungen, an dem Sparkurs weiter festzuhalten: „Die Politik hat veranlasst, dass Sozialleistungen gekürzt und Steuern erhöht werden. Das hat sich negativ auf das Ansehen der Behörden ausgewirkt. Warum verfolgt die Politik diesen Kurs dennoch weiter? Wahrscheinlich rechnet man wegen der langsam wachsenden Weltwirtschaft mit einem Rückgang der Staatseinnahmen und das in einer Situation, in der der westliche Kreditmarkt für Russland weiter geschlossen ist.” 

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