Wie Kleinunternehmen während der Selbstisolation im Untergrund arbeiten

Wirtschaft
WIKTORIA RJABIKOWA
Im Laufe von zwei Tagen konnte unsere Korrespondentin einen Termin bei einem Fotostudio, für eine Maniküre und sogar bei einem Studio für erotische Massage vereinbaren. Überall sei die Sicherheit gewährleistet.

„Der Ablauf ist folgender: Sie wählen Tag und Uhrzeit, kommen mit Ihrem Begleiter zu uns, der Champagner wird für Sie bereit stehen und der Whirlpool gefüllt sein. Sie trinken, entspannen sich und wenn Sie bereit sind, kommen zwei Masseure zu Ihnen und führen alle notwendigen Prozeduren durch“, erklärt am Telefon Lana, die Empfangsdame eines Erotikmassage-Salons in St. Petersburg. Dieser arbeitet rund um die Uhr und man kann allein oder mit einem Partner kommen.

Ziel der Prozedur ist laut Lana „die völlige Entspannung beider Partner“. Die Dienstleistung kostet 10.500 Rubel (132 Euro) für zwei Stunden. Befragt nach der Sicherheit der Kunden schüttet die junge Frau sich fast aus vor Lachen: „Ach, kommen Sie, es gibt gar keinen Coronavirus, das sind doch alles Märchen! Außerdem reinigen wir die Räume nach jedem Klienten – es ist unmöglich, sich bei uns anzustecken.“

Bekleidungsgeschäfte, Schönheitssalons, Cafés, Restaurants und andere mittlere und kleine Unternehmen mussten in ganz Russland am 28. März 2020 schließen – wegen des sich ausbreitenden Coronavirus. Doch nicht alle halten sich an die Regeln: Am 15. April wurde die Besitzerin eines Schönheitssalons in Moskauwegen ihrer Geschäftstätigkeit während der Quarantäne zu einer Geldstrafe von 50.000 Rubel (630 Euro) verurteilt. Die Geldbuße für Einzelunternehmer kann zwischen 50.000 Rubel (630 €) und 150.000 Rubel (1890 €) liegen, während sie für juristische Personen von 200.000 Rubel (2.520 €) und 500.000 Rubel (6.300 €) betragen kann. Zusätzlich zu der Geldstrafe können die Behörden die Geschäftstätigkeit auch für bis zu 90 Tage unterbinden.

In St. Petersburg sind Cafés, Shisha-Bars, Kneipen, Schönheitssalons, Pfandhäuser und Computerclubs weiterhin illegal tätig – insgesamt wurden im April 620 Quarantäne-Straftäter aufgespürt. In anderen Städten Russlands sieht es ähnlich aus. Viele stehen vor einem Dilemma: Entweder gehen sie in Konkurs, weil sie keine Einnahmen erwirtschaften, oder sie verletzen das Gesetz und riskieren, eine Geldstrafe zu zahlen. Manche nutzen die Situation aber ganz einfach nur aus: Fehlt das Angebot, steigt die Nachfrage nach verschiedenen Dienstleistungen.

Für das Schöne im Leben – trotz Quarantäne

Für Fotografen und Models arbeiten in Moskau einige Fotostudios weiter. Eines von ihnen bietet an, den Terminplan über Instagram oder WhatsApp abzusprechen.

Als Antwort auf meine Bitte, den Ablauf zu planen, teilte man mir am Telefon mit, dass das Fotostudio weiterhin arbeite, und schlug mir vor, die freien Termine auf der Website zu prüfen. Demnach gab es mehrere Foto-Shootings pro Tag – am 28. April, zum Beispiel, war das Studio von 11 bis 17 Uhr ausgebucht.

„Alle unsere Mitarbeiter halten die soziale Distanz ein und wir lassen nicht mehr als fünf Personen gleichzeitig ins Studio herein. Außerdem steht am Eingang Desinfektionsmittel zur Verfügung, so dass alles sicher ist. Wir müssen schließlich für die Miete aufkommen – deshalb arbeiten wir, um nicht endgültig zu schließen“, erklärte man mir am Telefon.

Im Salon ist es sicherer

Auch in Moskau und im Moskauer Gebiet arbeiten einige Schönheitssalons weiter. In einem dieser Salons habe ich es geschafft, mich über WhatsApp zur Maniküre anzumelden. Allerdings wird die Maniküre zu Hause bei der Mitarbeiterin ausgeführt.

„Der Salon ist zurzeit geschlossen und die Kunden kommen einzeln zu mir nach Hause. Ich habe die gesamte Ausrüstung da, desinfiziere alles mit Alkohol und arbeite in einer Maske. Nun, wenn die Frauen den Schellack nicht selbst entfernen können, was sollen sie tun? Man muss schließlich auch zu Hause gepflegt aussehen“, erklärte Marina, eine Mitarbeiterin des Salons.

Andere Schönheitssalons, die wegen der Verbreitung des Coronavirus offiziell geschlossen haben, veröffentlichen in ihrem Instagram-Account unter dem Hashtag #besopasnejewsalonje (sichere im Salon) folgenden Text:

„Man muss sich in Einrichtungen, in denen Sterilität so wichtig ist wie in Arztpraxen, nicht um die Gesundheit sorgen. Die größte Gefahr durch die Schließung von Schönheitssalons ist die Abwanderung der Schönheitsindustrie in den ,Untergrundʻ. Zu Hause kann man keine 100%ige Sicherheit garantieren – nicht nur vor dem Coronavirus, sondern auch vor solch gefährlichen Infektionen wie HIV und Hepatitis“, heißt es in den Posts der Schönheitssalons in ganz Russland.

Wann wird wieder alles geöffnet?

Es ist noch nicht bekannt, wann genau die Kleinunternehmen wieder öffnen können, aber die staatliche russische Regulierungsbehörde für den Verbrauchermarkt Rospotrebnadsor bereitet sich bereits darauf vor – die Agentur hat Empfehlungen zur Arbeit von Schönheitssalons, Wäschereien, chemischen Reinigungen, Ateliers, Werkstätten und Non-Food-Läden veröffentlicht. Nachdem in Russland deren Betrieb unter den Bedingungen des COVID-19-Ausbreitung erlauben sein wird, sollen sie wieder Geld verdienen, wenn die Selbstisolation im Land schrittweise aufgehoben wird. Aber ein genaues Datum dafür wurde nicht genannt.

So dürfen laut dieser Vorlage unter anderem die Besucher von Schönheitssalons vorerst nicht mit Tee oder Kaffee bewirtet und in den Friseursalons muss jeder Kunde in einem separaten Raum bedient werden, allen Mitarbeitern muss vor jeder Schicht die Temperatur gemessen und die Räumlichkeiten einer Generalreinigung mit Desinfektionsmitteln unterzogen werden.

„Wir haben die Vorlage mit Blick auf die Zukunft gestaltet und Empfehlungen für diejenigen Institutionen und Unternehmen ausgearbeitet, die in den meisten Regionen noch nicht arbeiten dürfen. Das haben wir getan, damit die Unternehmen die Bedingungen verstehen, unter denen sie angesichts der anhaltenden Coronavirus-Pandemie in der Welt sicher arbeiten können“, teilte am 24. April die Leiterin von Rospotrebnadsor, Anna Popowa, mit.

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