Raumfahrt-Tagebücher: "Sirius-Versuchskaninchen" erzählen aus dem Isolationsalltag

Wissen und Technik
VICTORIA ZAVYALOVA
Seit genau zehn von insgesamt 17 Tagen sind sie nun schon auf ihrer Test-„Reise“ auf den Mond: drei Frauen und drei Männer, darunter auch ein Deutscher, leben so lange in absoluter Isolation des Moskauer Biochemie-Instituts IBMP. Russia Beyond hat die ersten Tagebucheinträge der Teilnehmer für Sie zusammengetragen.

Die Teilnehmer des “Sirius-17”-Experiments sind nun schon seit zehn Tagen an Bord ihres simulierten Raumschiffs. Dort führen sie insgesamt über 40 Versuche durch und müssen auch regelmäßig Tagebuch führen. Die meisten der sechs „Versuchskaninchen“ sind Wissenschaftler im Raumfahrtbereich oder selbst Kosmonauten. Eine Ausnahme ist der Deutsche Viktor Fetter, ein Flugingenieur und Fachmann für Wachstumsprozesse von Pflanzen im Weltraum.

Viktor Fetter über eine besondere Herausforderung im Isolationsalltag:

„Das ganze Essen ist komplett experimentell für Raumflüge getestet worden, aber man hat vergessen, uns den Schlüssel zum Öffnen der Tuben zu geben. Darum mussten wir uns aus einem Holzbrett ein passendes Holzinstrument schnitzen, mit dem wie die Nahrungstuben öffnen konnten.

Als wir unsere Erfindung testeten, platzte die Tube plötzlich, weil ein Stück Fleisch in der Öffnung festgesessen hatte. Wir geben unsere Essens-Tagebücher dann an die Entwickler weiter, damit sie ihre Raumfahrtnahrung weiter verbessern können.“

Natalia Lyssowa, Wissenschaftlerin

„Letzte Nacht dachte ich wirklich, wir würden richtig fliegen: Wir sprachen vom Radioraum aus mit der Erdstation – und das nur in Kurznachrichten. Das hier ist echte Isolation… Kosmonauten sagen übrigens immer, die Erde rieche nach Apfel. Das ist es also, wie wir sie wahrnehmen.“ 

Mark Serow, Missions-Kommandeur 

Der Tag begann mit praktischen Arbeiten am Modell der Raumkapsel ‘Federation’. Wir begannen das Experiment direkt nach dem Aufwachen, um die Tests so schwierig wie möglich zu gestalten… und wir haben es gemeistert!

Das heißt, dass wir dem Verständnis ein bisschen näher gekommen sind, dass das Human-Face-Design unsere Aufgaben auch auf einem echten Mondflug richtig ausführen sollte. Die nächste Reihe wird dann durchgeführt, wenn wir  im Halbschlaf sind. Das heißt, dass unsere Fähigkeiten und Ausrüstung noch stärker herausgefordert sein werden.“ 

Elena Luchizkaja, Forscherin 

„Der zweite ‚Flug‘-Tag wird bestimmt non medizinischen Experimenten. Natürlich kommen die stärksten Eindrücke von der virtuellen Realität. Das ist ein totales Abtauchen! Das ist beeindruckend! Als würde ich wirklich mit den Modulen auf der Raumstation umherfliegen.

Ich habe gesehen, wie wir über Italien flogen – ich bin sprachlos! Ich konnte die Berge und Flüsse sehen. Und wir können sogar ins All hinausgehen, um dort den Sternenhimmel, die Erde und sogar die Solarplatten unter uns zu sehen. Alles ist so hell! Wir beobachten dabei, wie sich hier unser Blutkreislauf verändert und wie schnell wir während der Tests ermüden.

Natalia Lyssowa, Wissenschaftlerin

Hallo alle zusammen! Heute haben wir endlich den Mond erreicht und hatten die Möglichkeit, das Mondmobil zu benutzen. Das scheint so richtig mein Ding zu sein… Zur Feier des Tages gab es bei uns ‚Mondkuchen‘. Das war bestimmt eine Überraschung für die Spezialisten, die unser Experiment hier verfolgen und beobachten.

Versucht es doch auch mal mit diesem Rezept:

2 Packungen Raumfahrt-Knäckebrot

1,5 Gläser Honig

1 Packung Raumfahrt-Erdbeermarmelade

Legt erst das Knäckebrot aufs Tablett, dann bestreicht ihr jenes mit Honig. Dann kommt die nächste Schicht Knäckebrot und die bestreicht ihr mit Marmelade. Dann wartet ihr – wir hatten leider nicht genug Geduld – bis er durchgezogen ist.

Der Kuchen hat uns natürlich neuen Teamgeist vor der nächsten Experimentalaufgabe verliehen. Jetzt erwarten uns weitere neue Herausforderungen und Entdeckungen!“

Über "Sirius-17":

Am 7. November startete in Moskau das zu Raumfahrtszwecken entwickelte Isolationsprojekt "Sirius" (Internationale wissenschaftliche Forschungen in einzigartiger Erdstation). Sechs Crewmitglieder werden 17 Tage in völliger Isolation an Bord eines angeblich zum Mond fliegenden Raumschiffs verbringen - drei Frauen und drei Männer, darunter auch ein Deutscher.

>>> 38 Stunden arbeiten ohne Schlaf: In Moskau startet 17-Tage-Raumfahrt-Experiment "Sirius"

Das Experiment soll zeigen, wie sich die quantitative Verteilung von Männern und Frauen in der Isolation eines Raumfluges auf Gruppendynamik und Interaktion innerhalb der Crew auswirkt. Außerdem wollen die Forscher herausfinden, ab die Kosmonauten auch ohne Rücksprache mit der Erde selbstständig einen Aktionsplan ausarbeiten können. Gleichzeitig soll die Effizienz der Raumschiffausstattung getestet werden. Zusätzlich werden die Testpersonen auch im Rahmen eines NASA-Programms mit einem Roboterarm arbeiten, mit dem künftigen Satelliten "gefangen" werden können.

Zu dem Experiment gehören auch Extremsituationen: So muss die Crew - als Test einer gefährlichen Ausnahmesituation - 38 Stunden durcharbeiten, ohne Pause und Schlaf. Dabei werden nicht nur die Reaktionen der Testpersonen, sondern auch die ihrer Körper von Wissenschaftlern überwacht.

Das ganze Experiment wird im Institut für Biomedizinische Probleme der Russischen Akademie der Wissenschaften durchgeführt. Damit beginnt eine ganze Serie von Experimenten, die die menschliche Reaktion auf Isolationssitiation weiter erforschen und bis 2021 andauern soll.