1) Sie wurde aus einer anderen Station gebaut, die die Erde aus der Luft bombardieren sollte
Ursprünglich sollte die erste Station im Weltraum eine andere Aufgabe erfüllen – keine wissenschaftliche, sondern eine militärische. Und sie sollte Almás (Diamant) heißen. Das Projekt war die sowjetische Antwort auf die NASA-Orbitalstation Manned Orbiting Laboratory (MOL), die vorrangig für die Spionage eingesetzt werden sollte: Die Station war mit Kameras, Funkaufklärungsgeräten und anderen derartigen Apparaten ausgerüstet.
Die Pläne für die sowjetische Almás gingen jedoch noch weiter: Neben einer riesigen 2,5-Meter-Teleskop-Fotokamera Agat-1 (damals der leistungsstärkste derartige Apparat der Welt zum Fotografieren der Erde) war die Station auch bewaffnet. Eine Bordkanone, so war vorgesehen, sollte fremde Satelliten und sogar die Erde vom Weltraum aus beschießen können. Doch das MOL-Projekt scheiterte 1969 und bei der Almás waren noch viele technische Fragen ungelöst. In dieser Situation wurde eine praktikablere Lösung vorgeschlagen: die halbfertige Almás für rein wissenschaftliche Aufgaben zu modifizierten und die ersten bemannte Raumstation im Weltall zu betreiben.
Almaz Station
Sputnik2) Dies ist die erste bewohnbare Orbitalstation der Welt
Diese Station wurde speziell für den Daueraufenthalt von Menschen im Weltall geschaffen. Sie besteht aus nur einem Modul mit drei Segmenten, von denen eines der Technik vorbehalten und mit Triebwerken und Sonnenkollektoren ausgestattet war; das zweite Segment war das Wohn- (bzw. Arbeits-) Modul, ausgelegt für drei Kosmonauten, in dem diese essen, trinken, schlafen und Experimente durchführen konnten; das dritte, das kleinste, war die Schleuse zum Andocken eines Raumflugkörpers. Die gesamte Konstruktion wog fast 18.500 Kilogramm.
3) Die erste Expedition steckte im Weltraum fest
Am 23. April 1971 flog eine dreiköpfige Besatzung zu der vier Tage zuvor im Orbit ausgesetzten Raumstation. Das Andocken war erfolgreich, aber es konnte kein luftdichter Übergang zwischen dem Raumschiff und der Orbitalstation gewährleistet werden. Da der Andockstutzen der Raumkapsel beim Andockmanöver deformiert wurde und verkeilt war, war auch ein Abdocken nicht möglich – die Raumkapsel hing an der Station fest!
Die Situation dauerte etwa fünf Stunden an und wurde fast kritisch. Die Besatzung konnte durch Hinweise der Kontrollstation gerettet werden – diese schlug vor, Kontakte im Elektronikblock zu überbrücken. Das funktionierte: Die Raumkapsel löste sich mit allen drei Kosmonauten an Bord von der Station und kehrte zur Erde zurück. Es wurde beschlossen, den Vorfall nicht öffentlich werden zu lassen und zu erklären, der erste Flug sei eine Probeflug gewesen und die Besatzung habe gar nicht an Bord der Saljut gehen sollen.
4) Noch nie war jemand so lange im Orbit gewesen
Die anschließende Expedition stellte einen Rekord für den längsten Aufenthalt von Menschen im Weltraum auf – die Crew verbrachte 23 Tage im All. Davor war der längste Flug die amerikanische Apollo-12-Mondmission, die zehn Tage gedauert hatte.
Die Betreiber der Flugsteuerungsplattform des bemannten Orbital-Missionskontrollzentrums Saljut-1 bemannten während einer Kommunikationssitzung das Kontrollzentrum der wissenschaftlichen Orbitalstation.
Nikolai Akimow/TASS5) Die zweite Expedition endete in einer schrecklichen Tragödie
Nach 23 Tagen im Orbit konservierte die Crew (Oberstleutnant Georgij Dobrowolskij, Flugingenieur Wladislaw Wolkow, Forschungsingenieur Wiktor Pazajew) die Station für die nächste Expedition, dockte normal ab und flog zurück zur Erde. Während des Rückflugs kam es in einer Höhe von 150 Kilometern zu einem Druckabfall in der Kapsel. Innerhalb von Sekunden fiel der Druck im Inneren unter das zulässige Niveau: Sauerstoffmangel und rapider Druckausfall lassen sich von einem Menschen nicht länger als ein paar Minuten mit horrenden Schmerzen, geplatzten Trommelfellen und getrübten Bewusstsein ertragen.
Die Kapsel landete sicher, aber die Rettungsmannschaft konnte den Kosmonauten im Inneren nicht mehr helfen. Ihre Leichnam wurden später an der Kremlmauer bestattet.
Georgi Dobrowolski, Wladislaw Wolkow and Wiktor Patsajew.
Alexander Mokletsow6) Die Hauptbesatzung überlebte aufgrund eines Schattens in der Lunge
Traditionell werden zwei Teams auf Flüge vorbereitet: die Haupt- und die Ersatzcrew. Die verunglückten Dobrowolskij, Wolkow und Pazajew gehörten zur Ersatzmannschaft. Der Flug der Hauptbesatzung wurde drei Tage vor dem Start abgesagt, da die Ärzte eine Schatten in der Lunge eines der Kosmonauten, Walerij Kubassow, gefunden hatten, die sie für das Anfangsstadium einer Tuberkulose hielten. Nach langwierigen Diskussionen entschied die staatliche Kommission, die gesamte Mannschaft auszutauschen.
Später sollte sich herausstellen, dass die Ärzte die Reaktion des Organismus auf Pflanzenpollen fälschlicherweise für Tuberkulose hielten. Kubassow flog danach zweimal ins All.
Waleri Kubasow
Alexander Mokletsow/TASS7) Die Kosmonauten trugen auf dem Flug keine Raumanzüge
Wahrscheinlich wäre die Tragödie zu vermeiden gewesen, wenn die Kosmonauten Überlebensanzüge getragen hätten, die zumindest für einige Zeit die Lebenserhaltung aufrechterhalten hätten. Aber die Besatzung steckte in gummierten Anzügen, denn die damalige Serie der Sojus-Raumschiffe sah nicht einmal Raumanzüge für die Besatzung vor.
Nach der Tragödie begann umgehend die Entwicklung eines solchen Raumanzuges.
8) Saljut-1 verbrachte 175 Tage im Weltraum
Nach der Tragödie wurden auch die Arbeiten an der Saljut eingestellt: Die Station kreiste nun unbemannt auf ihrer Umlaufbahn. Es wurde beschlossen, die bemannte Raumfahrttechnologie zu beenden, und die Station wurde aus dem Orbit entfernt. Am 11. Oktober 1971 wurden die Trümmer, die nicht in den dichten Schichten der Atmosphäre verglüht waren, auf einem „Raumschiff-Friedhof“ versenkt – in einem Gebiet des Pazifischen Ozeans weitab von schiffbaren Routen.
9) Saljut-1 war so geheim, dass es keine Bilder gibt
Aufgrund der dem gesamten sowjetischen Raumfahrtprogramm innewohnenden Geheimhaltung gibt es keine verfügbaren Fotos der Station. Auf der Außenhülle stand sogar ein anderer Name: Sarjá. Dieser wurde nicht geändert, weil ihn sowieso niemand gesehen hätte. Sarjá war auch der Name chinesischer Satelliten, also wurde die erste Orbitalstation in Saljut umbenannt.
10) Ohne sie hätte es keine Mir und ISS gegeben
Nach der ersten Saljut gab es eine zweijährige Pause im Raumfahrtprogramm, wonach weitere zehn(!) modifizierte Stationen unter dem gleichen Namen gestartet wurden. Saljut wurde der Prototyp des Orbitalkomplexes Mir und des russischen Segments der ISS.
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