Jahresrückblick: Gas, Pleiten und ein Deal

Kommersant
Ein schwieriges Jahr geht für Russland und seine kriselnde Wirtschaft zu Ende. RBTH präsentiert eine Auswahl der wichtigsten und interessantesten Ereignisse der vergangenen zwölf Monate in einem Überblick.

Vernichtete Lebensmittel

Im August dieses Jahres ordnete Präsident Putin die Vernichtung von in Russland sanktionierten Lebensmitteln an. Waren, die trotz des russischen Embargos ins Land gelangten, wurden daraufhin auf Deponien vergraben oder verbrannt. Begründet wurde dies unter anderem mit der Sorge um die Gesundheit der Verbraucher, weil die Güter keine notwendigen Zertifikate hätten. Das Vorgehen der Behörden rief Proteste in der Bevölkerung hervor: 250 000 Menschen forderten in einer Petition den Stopp der Entsorgung. Doch die Verordnung ist weiterhin in Kraft. Bis Ende November wurden insgesamt 787,4 Tonnen Lebensmittel vernichtet. Die verantwortliche Landwirtschaftsaufsichtsbehörde hält das Vorgehen für die effektivste Methode im Kampf gegen den Schmuggel. In einigen Regionen gingen die Einfuhrversuche illegaler Ware um bis zu 80 Prozent zurück.

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Airlines kürzen Flugverbindungen

Quelle: RIA NovostiQuelle: RIA Novosti

Einst waren die Billigflüge zwischen deutschen und russischen Großstädten ein Zeichen des zusammenrückenden Europas. Die Nachfrage war riesig. Doch nun macht die Wirtschaftskrise in Russland den Airlines zu schaffen. Mitte Oktober hat Air Berlin beschlossen, Russland ganz den Rücken zu kehren und die verbliebenen Flüge nach Moskau, Sankt Petersburg und Kaliningrad einzustellen. Der letzte Air-Berlin-Flug startet planmäßig am 18. Januar 2016 nach Moskau. Danach soll vorerst Schluss sein. Als Grund gab die Gesellschaft die stark gesunkene Ticketnachfrage an. Allein in der ersten Jahreshälfte 2015 ist die Anzahl der Auslandsreisen von Russen um etwa ein Viertel zurückgegangen. Deutschland gehörte neben Urlaubsländern wie die Türkei und Ägypten zu den beliebtesten Zielen. Auch die Billigtochter der Lufthansa, Germanwings, hat ihre Verbindungen zwischen Düsseldorf und Sankt Petersburg sowie zwischen Köln und Moskau gestrichen.

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Deutsche Bank streicht Sparte

Quelle: ReutersQuelle: Reuters

Ein schwieriges Jahr geht auch für die Deutsche Bank in Russland zu Ende. Im Mai wurde der Verdacht auf Geldwäsche im Auftrag von Kunden der Moskauer Niederlassung öffentlich. Zunächst beurlaubte die Bank mehrere Händler, die intransparente Währungsgeschäfte abgewickelt hatten. Dabei soll es Berichten zufolge um Summen in Höhe von insgesamt sechs Milliarden US-Dollar gegangen sein. Im September gab die Bank schließlich bekannt, ihr Investmentgeschäft in Russland einzustellen und etwa 200 der 1 300 Mitarbeiter in Russland zu entlassen. Von der Kündigungswelle waren fast alle Analysten der Bank in Russland betroffen. Im Oktober wurde zudem bekannt, dass US-Behörden auch wegen des Verdachts auf Geschäfte mit Kunden ermitteln, die im Zuge der Krim-Krise mit Sanktionen belegt worden sind. Der Bank droht nun eine Strafe in Milliardenhöhe.

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Gazprom, BASF und der Megadeal

Quelle: AFP/East News Quelle: AFP/East News

Dann war der Deal plötzlich doch perfekt. Vergangenen Dezember hatten der Chemiekonzern BASF und der Energieriese Gazprom ei-nen geplanten Asset-Tausch auf Eis gelegt, der den Deutschen 25 Prozent an zwei Blöcken der Atschimow-Gasformation in Sibirien sichern sollte. Gazprom sollte dafür das bis dato gemeinsam betriebene Gashandels- und Speichergeschäft übernehmen sowie 50 Prozent der BASF-Tochter Wintershall Noordzee. Dabei soll auch die politische Situation eine Rolle gespielt haben, teilte BASF damals mit. Anfang September gaben die Konzerne nun überraschend bekannt, dass der Mammuttausch doch vollzogen wird. Über die Tochter Wintershall ist der Konzern bereits an einem Ölfeld und zwei Gasfeldern in Russland beteiligt. In den kommenden Jahren will BASF nach eigenen Angaben rund zwei Milliarden Euro in Projekte mit Gazprom investieren.

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Gazprom plant neues Projekt

Quelle: ReutersQuelle: Reuters

Ende 2014 kippte Russland den Bau der geplanten South-Stream-Pipeline. Der Plan bestand darin, eine Leitung über den Grund des Schwarzen Meeres nach Bulgarien zu führen und so russisches Gas an der Ukraine vorbei nach Europa zu leiten. Dies stieß auf Widerstand in Brüssel, sodass Bulgarien schließlich aus dem Projekt ausstieg. Als Alternative brachte Russland im Januar 2015 eine Pipeline durch die Türkei ins Gespräch. Doch schon im Frühjahr kamen die Verhandlungen ins Stocken. Mit dem neuen Pipeline- Projekt hatte Russland vor allem den Transit nach Europa ins Auge gefasst, die Türkei hingegen war nur an einem Strang für die eigene Versorgung interessiert. Deshalb trieb Russland die Suche nach weiteren Optionen voran und einigte sich mit einer Reihe von Partnern, darunter der BASF-Tochter Wintershall, auf den Ausbau der Ostsee-Pipeline Nord Stream. Seit dem Abschuss einer russischen Su-24 durch die türkische Luftwaffe in Syrien Ende 2015 liegt auch das „Turkish Stream“ getaufte Projekt faktisch auf Eis.

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Leitzins auf Achterbahnfahrt

Zentralbankchefin Elwira Nabiullina. Quelle: TASSZentralbankchefin Elwira Nabiullina. Quelle: TASS

Als russische Exporteure wegen der massiven Rubelabwertung Ende 2014 ihre Währungseinnahmen zurückhielten, zu Steuerabführungen derweil verstärkt Kredite in der Landeswährung aufnahmen, reagierte die russische Zentralbank drastisch. Mit einem Leitzins von 17 Prozent bremsten die Währungshüter die Kreditvergabe in Russland und verhalfen dem Rubel zu einer Stabilisierung. Gleichzeitig verabschiedete sich die Zentralbank von Währungsinterventionen, um Spekulationen gegen den Rubel zu beenden. Die Situation besserte sich, doch durch den hohen Leitzins wurden gleichzeitig auch Kredite teurer, weshalb der Industrie Mittel für Investitionen fehlten. Über das Jahr verteilt lockerte die Zentralbank ihre Geldpolitik schrittweise wieder. Der Leitzins liegt derzeit bei elf Prozent.

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Verlorene Handelsbeziehung

Quelle: EPA/Vostock-PhotoQuelle: EPA/Vostock-Photo

Die Geschäftsbeziehungen zwischen Russland und der Ukraine gingen 2015 vollends in die Brüche: Zwischen den beiden Ländern gibt es keinen Flugverkehr mehr, Gaslieferungen sind gestoppt, beide Seiten bereiten die Einführung gegenseitiger Lebensmittel-embargos vor. Dabei gingen nach Angaben des russischen Landwirtschaftsministeriums die Agrarimporte aus der Ukraine bis Oktober ohnehin um fast drei Viertel zurück – von 877 Millionen Euro auf rund 244 Millionen. Russland exportierte 20,6 Prozent weniger Agrarerzeugnisse in das benachbarte Land – diesjähriges Ausfuhrvolumen: 373,5 Millionen Euro.

Die Direktflüge zwischen den Nachbarstaaten wurden auf Initiative der Ukraine eingestellt. Zunächst waren nur russische Airlines von einem Verbot betroffen, die die Krim anfliegen. Weil Russland jedoch seinerseits ukrainischen Airlines Russlandflüge untersagte, steht der Flugbetrieb zwischen den beiden Ländern seit dem 25. Oktober komplett still. Auch Gas fließt seit Ende November nicht mehr in die Ukraine. Dabei ist das Land vor allem in der Wintersaison dringend auf den Brennstoff angewiesen. Die Ukraine habe die bezahlten Gasmengen bereits abgenommen, neue Zahlungen seien jedoch nicht eingegangen, hieß es vonseiten des russischen Konzerns Gazprom. Daraufhin kündigte der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk an, auf den Einkauf von Gas aus Russland gänzlich zu verzichten. Die Ukraine kauft zunehmend russisches Gas aus Europa zurück.

Weitere Sanktionen gegen die Ukraine könnten ab 1. Januar 2016 in Kraft treten. Dann wird der wirtschaftliche Teil des Assoziierungsabkommens der Ukraine mit der EU rechtskräftig. Moskau plant ein Verbot von Lebensmitteleinfuhren nach Russland.

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Die Krim: Licht am Ende des Tunnels

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Trotz der Eingliederung der Krim ins russische Staatsgebiet im Frühjahr 2014 hingen ihre wichtigsten Versorgungssysteme weiterhin von der Ukraine ab. So kam es auf der Halbinsel am 20. November zum Blackout, als Unbekannte eine Hochspannungsleitung sprengten, die die Versorgung der Krim sicherstellte. Über eine Million Menschen hatten keinen Strom. Planungen zufolge soll die Notlage bis Ende dieses Dezembers behoben werden. Dann wird eine Strombrücke bis zur Krim fertiggestellt sein. Anfang des Monats ging der erste Strang in Betrieb. Und auch die Ukraine konnte die Versorgung zum Teil wiederaufnehmen, wodurch sich die Situation auf der Halbinsel entspannte.

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BRICS-Organisation gestärkt

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Im russischen Ufa fanden im Juli 2015 gleich zwei Großereignisse statt: der Gipfel der informellen Schwellenländervereinigung Brics (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) und der Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Der Brics-Gipfel bedeutete ein weiterer Schritt zur Umwandlung der Vereinigung in eine vollwertige Organisation. Da-für stehen laut Experten die faktische Einführung von Finanzmechanismen wie der Brics-Entwicklungsbank und eines Pools von Währungsreserven. Zur Freude Moskaus, denn Russland ist wegen der Sanktionen von den internationalen Kapitalmärkten ausgeschlossen. Damit treiben die Länder ihre Pläne für Alternativen zum Internationalen Währungsfonds und der Weltbank voran. Die Finanzierung erster Projekte der mit 100 Milliarden US-Dollar ausgestatteten Brics-Bank soll bereits Anfang 2016 anlaufen.

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Zweitgrößte Airline Bankrott

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Im Oktober meldete die Fluggesellschaft Transaero Insolvenz an. Damit ging die Geschichte der zweitgrößten russischen Airline zu Ende, deren Gründung in den Neunzigerjahren die Ära einer ech- ten Konkurrenz in der russischen Passagierluftfahrt eingeläutet hatte. Die Ursache für den Crash war eine riskante Wachstumsstrategie, die bei reger Kreditfinanzierung und Preisdumping auf steigende Passagierzahlen setzte. Mit fallendem Passagieraufkommen in der Wirtschaftskrise wurde das Unternehmen auch für die Gläubiger zunehmend untragbar. Bei Insolvenzanmeldung betrugen Transaeros Verbindlichkeiten umgerechnet 3,7 Milliarden Euro. Dass ein derart großer Fisch vom Markt geht, wird sich zwangsläufig in höheren Ticketpreisen niederschlagen.

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Haushalt ohne Perspektive

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Aufgrund starker Ölpreis-Volatilität ist die russische Regierung vom herkömmlichen Dreijahresbudget auf die einjährige Haushaltsplanung umgestiegen. Ende August haben die Ölpreise an den Weltbörsen – daran ist die Preisentwicklung der russischen Export-Ölsorte Urals gekoppelt – ihr Sechsjahres-Minimum erneuert. Die Rohstoffsorte Brent kostete 42,51 US-Dollar je Barrel, ein Fass WTI war nur noch 37,75 Dollar wert. Anfang Dezember stürzte die Brent-Sorte sogar unter 39 Dollar. Für das russische Finanzministerium ist ein Preisverfall von zehn bis 20 Dollar entscheidend, denn der Haushalt des Landes besteht zu 50 Prozent aus den Öl- und Gaseinnahmen. Kein Wunder also, dass der Haushalt für lediglich ein Jahr im Voraus aufgestellt wurde – mit massiven Einschnitten und einem Defizit von drei Prozent. Um moderate 0,8 Prozent sollen lediglich die Militärausgaben steigen.

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