Mat, wie die Schimpfwortsprache in Russland heißt, ist ein bemerkenswerter Teil des Russischen. Es scheint schon immer ein vollwertiger Teil der Kultur gewesen zu sein und mit seiner Hilfe lassen sich Stimmungen oder Gedanken sehr akzentuiert ausdrücken. Eine solche Vielfalt und Anzahl von Schimpfwörtern werden Sie in anderen Sprachen wahrscheinlich nicht finden, obwohl das Mat auf nur einer Hand voll „Wurzeln“ basieren.
Die Rolle der Schimpfwörter im Altertum
Kraftausdrücke waren sogar von bei den heidnischen slawischen Stämmen in Gebrauch. Sie wurden für Rituale verwendet, etwa um unreine Geister aus den Häusern zu vertreiben.
Um zu zeigen, was für Barbaren die Heiden waren, heißt es in der ersten russischen Annalen, der Nestorchronik aus dem frühen 12. Jahrhundert, dass die slawischen Stämme vor der Taufe Russlands „in den Wäldern lebten, wie alle Tiere, unreine Dinge aßen und im Angesicht ihrer Väter und Weiber maledeiten“, d.h. fluchten.
In der christlichen Tradition gilt Fluchen als Sünde und diejenigen, die Schimpfwörter benutzen, gelten als von Dämonen besessen. Im Leben der Heiligen gibt es oft Episoden, in denen jemand, der flucht und über Jesus lästert, von einem Dämonen gequält wird.
Obwohl Gotteslästerung von der Kirche nicht gebilligt wird, finden sich Flüche in verschiedenen Quellen, darunter in Birkenrindentexten aus dem 11. Jahrhundert. Selbst ein Mitglied des Klerus, der Protopope Awwakum, verwendete in seiner Hagiographie aktiv zahlreiche Schimpfwörter, was einer der Gründe dafür ist, dass seine im 17. Jahrhundert verfasste Autobiografie lange Zeit verboten war und erst Anfang des 19. Jahrhunderts veröffentlicht wurde.
Die ersten Verbote und Strafen
Gebelfer, d.h. Fluchen, war auch bei vielen Fürsten des alten Russlands verpönt. Nach gängiger Meinung wurde die Verwendung von Mat auf öffentlichen Plätzen unter Iwan III. und Wassili III. mit Peitschenhieben bestraft. Iwan der Schreckliche propagierte im ganzen Land den Kampf gegen das Fluchen.
1648 erließ Zar Alexej Michailowitsch den ersten Ukas zum Verbot von Schimpfwörtern mit dem Vermerk über die Bestrafung „für solche Verstöße gegen das christliche Gesetz, ...werden von Uns große Schande und schwere Strafe sein“. Der Zar verfolgte auch Skomoróchi – fahrende Volksunterhalter, deren Lieder einen frivolen Inhalt hatten.
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Das Aufblühen der Schimpfwortsprache und grausame Bestrafungen
Verbote zeigten jedoch keinerlei Wirkung. Unter Peter dem Großen verbreitete ich das Mat noch weiter, da der Zar selbst keine Abneigung gegen vulgäre Sprüche hatte. Gleichzeitig forderte er eine strenge Ordnung in der Armee und im Militärstatut von 1715 sind mehrere Paragrafen dem Fluchen und der Bestrafung von Gotteslästerern gewidmet. Letzteren drohte das Ausbrennen ihrer Zunge mit einem heißen Eisen und sogar die Enthauptung.
Etwas milder war die Strafe für Flüche, die keine Gotteslästerung enthielten, sondern „lediglich aus Gedankenlosigkeit“ ausgesprochen wurden. Beim ersten und zweiten Mal konnte ein fluchender Soldat in den Karzer gesteckt und um seinen Sold gebracht werden, beim dritten Mal jedoch wurde er erschossen.
Seit dem 18. Jahrhundert achtete die Zensur streng darauf, dass unflätige Ausdrücke nicht in gedruckten Texten auftauchten, weshalb man sie als „unzensierten“ Wortschatz bezeichnete. Gleichzeitig konnte die persönliche Korrespondenz hoch gebildeter Menschen durchaus Schimpfwörter enthalten. Alexander Puschkin, der größte russische Dichter, war berühmt dafür, lustige, unzüchtige Gedichte zu schreiben.
Mat in der UdSSR
Zusammen mit der Beseitigung des Analphabetismus versuchten die sowjetischen Behörden auch die Sprache zu kultivieren. Dennoch war das Mat in der Masse der Bevölkerung und insbesondere bei den weniger gebildeten Menschen weiterhin im Umlauf.
In der sowjetischen Presse und Öffentlichkeit war Mat inakzeptabel. Das Strafgesetzbuch sah zwar keine ausdrücklichen Strafen für die Verwendung von „Schimpfwörtern“ vor, aber für „herabwürdigende Missachtung“, „öffentliche Beleidigungen“ und „Respektlosigkeit gegenüber einzelnen Bürgern oder der Gesellschaft als Ganzes“ konnten die Betreffenden mit einer Haftstrafe von bis zu sechs Monaten oder sogar bis zu einem Jahr rechnen.
Die Verbote verstärkten jedoch nur den Wunsch, die „Volkssprache“ zu erforschen: Mat war in der inoffiziellen sowjetischen Literatur und Musik dennoch zu finden und wurde über den Samisdatverbreitet.
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Darf man heutzutage Schimpfwörter benutzen?
Seit 2014 gibt es in Russland ein Gesetz, das obszöne Sprache im öffentlichen Raum verbietet – in der Literatur, in den Medien, im Theater und Kino, bei Konzerten und öffentlichen Veranstaltungen. Druckerzeugnisse und audiovisuelle Produkte, in denen „unzensiertes“ Vokabular verwendet wird, müssen besonders gekennzeichnet sein. Verstöße gegen das Gesetz können mit einer Geldbuße oder sogar mit einer Haftstrafe von bis zu 15 Tagen geahndet werden. Seit 2021 werden in Russland auch Bußgelder für die Verwendung von Schimpfwörtern im Internet verhängt, wenn diese oder sonstige unanständige Äußerungen dazu dienen, andere Menschen zu beleidigen.
Experten schätzen, dass die Zahl der Beschimpfungen im Internet seit der Einführung des Verbots erst recht zugenommen hat. Der Philologe Andrej Stscherbakow vom Puschkin-Institut für russische Sprache ist der Ansicht, dass der Staat natürlich den Bereich der öffentlichen Kommunikation regeln müsse, dass es aber unmöglich sei, für alle Bürger den „Sprachpolizisten“ zu spielen: „Es ist viel wichtiger, die Anstrengungen auf die Anhebung des allgemeinen kulturellen Niveaus zu konzentrieren.“