Hinter den Vorhängen: Das faszinierende, langweilige Leben der russischen Zarinnen

Michail Klodt/Das Staatliche Kunstmuseum von Perm
Was durften die Gattinnen der Zaren? Nicht viel. Spaziergänge über die Felder, Blumenpflücken, in die Stadt oder aufs Land fahren, Verwandte besuchen – all das war für die Zarinnen verboten. Ein Grund für dieses eingeschränkte Leben war der Aberglaube.

Seit den Zeiten Iwan des Schrecklichen suchten sich die Zaren ihre Gattinnen auf einer Brautschau aus. Die aus Byzanz übernommene Tradition sah vor, dass die schönsten adeligen Töchter des Landes nach Moskau gebracht wurden. Die Beamten des Zaren suchten sechs oder sieben besonders hübsche und gesunde junge Frauen aus und stellten sie dem Herrscher vor. Dieser erwählte dann die zukünftige Zarin.  

Die Brautschau für Zar Alexej Michailowitsch

Leben und Sterben 

Anastasia, die erste Frau Iwan des Schrecklichen, starb 1560 im Alter von dreißig Jahren. Der Zar verdächtigte die Bojaren, sie mithilfe von schwarzer Magie ermordet zu haben und ließ viele von ihnen foltern und töten. Auch seine zweite Frau starb früh. Die Dritte, Marfa Sobakina, starb 1571 sogar nur zwei Wochen nach der Hochzeit. Vermutlich wurde sie durch ein – angeblich gesundheitsförderndes – Gebräu vergiftet. Im alten Russland waren solche Getränke weit verbreitet. Auch dieses Mal ließ der Zar jeden hinrichten, von dem er sich vorstellen konnte, für den Tod seiner Frau verantwortlich zu sein – auch Marfas Familie blieb nicht verschont. 

Der erste Romanow-Zar, Michail Fjodorowitsch (1596-1645) hatte ebenfalls wenig Glück mit den Frauen. Seine erste Auserwählte, Maria Chlopowa, bekam kurz vor der Verlobung einen Magen-Darm-Effekt. Die Bojaren erklärten sie für nicht heiratstauglich und ließen sie ins Exil schicken, wo sie 1633 starb.

Michail heiratete dann Maria Dolgorukaja (1608-1625), die fünf Monate nach der Hochzeit ums Leben kam. Bei seiner dritten Frau Eudokia Streschnewa hatte Michail Sorge, dass auch sie vergiftet werden könnte. Um dies zu vermeiden, ließ er sie erst drei Tage vor der Hochzeit in den Palast holen. 

Die Kleidung der Zarinnen

Tatsächlich hatten die jungen Zarinnen viele Feinde – hauptsächlich die Familien, deren Töchter nicht auserwählt waren. 

Hinter den Vorhängen

Nachdem eine Adelige zur Zarin gekrönt wurde, durfte sie ihre Verwandten nicht mehr zu Hause besuchen. Also brachte man ihre Eltern und andere enge Verwandte an den Zarenhof und gab ihnen hohe Positionen. Bürgerliche durften die jungen Herrscherinnen nicht einmal sehen. 

Die Zarin besucht ein Frauenkloster

Auch zu offiziellen Anlässen, bei denen auch Männer zugegen waren, waren die Zarinnen und ihre Töchter unerwünscht. Sie hatten stattdessen ihren eigenen Festsaal – die goldene Kammer der Zarin. Hier empfingen sie an wichtigen orthodoxen Festtagen und zum Namenstag ihrer Schutzheiligen Besucher. Diese Feiern waren ihre einzige Chance, neue Bekanntschaften zu knüpfen, hauptsächlich Kleriker, Bojaren und deren Gattinnen. 

Wenn die Zarin oder ihre Töchter Moskau doch einmal verließen, mussten sie in einer geschlossenen Kutsche reisen, um sie vor unerwünschten Blicken zu schützen. 

Verbesserung 

Die Angestellten in den Frauenräumen des Zarenhofs waren zumeist weiblich. Es gab jedoch auch Ausnahmen. 

Priester führten in der Privatkirche der Zarinnen religiöse Rituale durch und es gab eine ganze Reihe an 10- bis 15-jährigen Jungen, die der Zarin und ihren Töchtern bei Tisch halfen. Sobald die Jungen erwachsen wurden, wurden sie jedoch weggeschickt. Davon abgesehen durften nicht einmal die für die Frauenräume zuständigen Palastwachen die Zarin oder ihre Töchter zu Gesicht bekommen. 

Die goldene Kammer der Zarin im Moskauer Kreml

Neben Besuchen in Klöstern und Kirchen hatten die Zarinnen auch wohltätige und offizielle Aufgaben. Viele Adelige, insbesondere die Frauen, schickten Beschwerdebriefe eher an die Zarin als an den Zaren selbst. Sie hatte weniger Pflichten und konnte sich daher mehr Zeit für die Sorgen nehmen. Oft wirkten die Frauen auch tatsächlich auf ihre Männer ein und halfen den Beschwerdeführern so. 

Ansonsten beschäftigten sich die Zarinnen viel mit der Herstellung von hochwertigen Kleidern. Ihre Gewänder waren oft selbstgemacht und ein von der Zarin höchstpersönlich hergestelltes Kleidungsstück war eines der größten Geschenke, die ein ausländischer Herrscher oder Botschafter von der russischen Zarenfamilie erhalten konnte.

Porträt von Maria Miloslawskaja

Die Abende verbrachten sie mit ihren Familien. Sie spielten Schach, lasen in der Bibel und anderen orthodoxen Büchern oder luden sich Pilger und Reisende ein, die zur Unterhaltung der Zarenfamilie Geschichten erzählten. Manchmal verbrachte der Zar die Nacht sogar in den Räumen der Zarin, was aber spezielle Sicherheitsmaßnahmen verlangte und daher nicht alltäglich war. 

Mit der Thronbesteigung Peters des Großen endete die Teilung des Zarenhofes in Männer- und Frauenräume. Seine Mutter Natalja Narischkina ging ins Theater, liebte es zu tanzen und nahm an diplomatischen Empfängen teil. Ihr Bruch mit den alten Traditionen prägte auch Peter, der die Frauenkammern endgültig abschaffte. Ab dem 18. Jahrhundert waren die Romanows schließlich eine fast normale europäische Herrscherfamilie. 

Das Schlafzimmer im Terem-Schloss im Moskauer Kreml

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