Ruhm und Ehre im Westen: Russische Eishockeyspieler in der NHL

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Anfangs mussten russische Eishockeyspieler noch alle Brücken in die Heimat abbrechen, um in der NHL spielen zu können. Später wurden sie für viel Geld gekauft.

Der erste russische Emigrant, der in der NHL spielte, wurde 1911 geboren. Das damalige russische Reich wurde von Nikolaus II. regiert. Die bolschewistische Revolution sollte erst einige Jahre später stattfinden. 

David Shriner wurde in der Kleinstadt Saratow geboren. Seine Familie hatte das russische Reich verlassen, als er noch ein Baby war. Dennoch wurde ihm die Ehre zuteil, als erster Russe in der NHL zu gelten. In seiner Eishockeykarriere gewann Shriner zweimal den Stanley Cup (1941/42 und 1945/46) und wurde in die Hall of Fame der NHL aufgenommen. 

David Shriner

Erst in den frühen 1980er Jahren spielte der erste Spieler der sowjetischen Schule in der NHL. Wiktor Netschajew heiratete eine US-Bürgerin. Er musste sein Studium beenden und verlor die sowjetische Staatsbürgerschaft. Leider verlief die Karriere des sowjetischen Pioniers in Übersee weniger gut. In der NHL bestritt er nur drei Spiele für die Los Angeles Kings. Seine erste Saison war zugleich seine letzte. Er landete im B-Team der Mannschaft und saß dort verletzt auf der Bank. Der erste sowjetische NHL-Spieler kehrte nie in die höchste Liga zurück. 

Während Netschajew noch einige Unannehmlichkeiten auf sich nehmen musste, um in den USA spielen zu können, hatte sein Landsmann Sergei Prjachin mehr Glück. Er war der erste sowjetische Hockeyspieler, dem die sowjetische Führung offiziell erlaubte, in der NHL zu spielen.

Am 30. März 1989 schrieb (eng) die New York Times über die „historische Rolle“, die Pryjachin gegen die Erwartung von Experten, Fans und Profis einnahm. Denn viele hatten angenommen, es wäre Wjatscheslaw Fetisow, ein prominenterer Spieler als Prjachin und Star der UdSSR-Nationalmannschaft, der auserwählt werden würde. 

Diese historische Vereinbarung zwischen der NHL und der UdSSR ebnete den Weg für weitere  sowjetische Eishockeyspieler, in die „kapitalistische Liga“ einzutreten. Die Bedingungen solcher Vereinbarungen waren jedoch nicht immer fair gegenüber den Spielern. Der erste sowjetische Legionär der Calgary Flames sollte ein für sowjetische Verhältnisse astronomisches Jahressalär von 125 000 US-Dollar erhalten plus einen Bonus von 150 000 US-Dollar. Doch das Geld wurde nicht dem Spieler überwiesen, sondern ging an den Eishockeyverband der UdSSR. 

„Die sowjetischen Behörden haben mich ausgenommen. Ich hatte einen tollen Vertrag, aber ich musste die Bürokraten ernähren. Ich selbst habe kaum etwas von dem Geld gesehen”, sagte Prjachin, der mit seinem Team den Stanley Cup holte, später. Er hatte eine erfolgreiche Zeit im Westen. Für viele andere sowjetische Spieler blieb das ein unerreichbarer Traum. Wer ohne offizielle Erlaubnis spielen wollte, musste erst den Eisernen Vorhang überwinden und alle Verbindungen in die Sowjetunion abbrechen. 

Sergei Prjachin

Am 9. Mai 1989 beantragte der 20-jährige Alexander Mogilny in den USA politisches Asyl. In der UdSSR hatte er für ZSKA gespielt, einen Verein, der der sowjetischen Armee nahestand. Da er noch Militärdienst ableistete, war seine Flucht zugleich eine Desertation. Viele Freunde und Teamkollegen wandten sich von ihm ab, der KGB befasste sich mit seinem Fall.

„Ich war Olympiasieger, Weltmeister und dreimaliger UdSSR-Meister, aber ich besaß keinen einzigen Quadratmeter Wohnfläche. Wer braucht so ein Leben? Was war der Sinn all dieser Medaillen und Auszeichnungen? Ich habe Moskau als armer Mann verlassen“, erklärte Mogilny später seine Flucht. Der abtrünnige Spieler schrieb als erster russischer Kapitän der NHL Geschichte.

Er wurde in den USA einer der erfolgreichsten russischen Spieler aller Zeiten und erzielte 473 Tore. Erst 1994, nach dem Ende der Sowjetunion, durfte er erstmals wieder nach Hause zurückkehren. Nach 1991 wurde es für die Eishockeyspieler der neuen Russischen Föderation leichter, in die NHL zu wechseln. Damals rekrutierten die USA einige der bekanntesten russischen Spieler. 

Alexander Mogilny

Pawel Bure, der später zu einem der 100 besten Spieler in der Geschichte der Liga ernannt wurde, erreichte schnell Legendenstatus. Er war der bestbezahlte russische Spieler in der NHL und wurde in der Saison 1991/92 zum besten Newcomer gewählt. Seine phänomenale Geschwindigkeit auf Kufen brachte ihm den Spitznamen „russische Rakete” ein.

Doch obwohl er einer der erfolgreichsten Stürmer der NHL-Geschichte ist, gewann er nie den begehrten Stanley Cup. Mit den Vancouver Canucks war er in der  1993/94 fast am Ziel, doch letztlich unterlag das Team den New York Rangers im Finale mit 4:3.

Nur eine Saison später läutete ein Zusammenstoß gegen Chicago das Ende seiner Karriere voller Superlative ein. Bure erlitt einen Bänderriss im rechten Knie. Daraus wurde eine dauerhafte Verletzung.

Pawel Bure

Bure konnte kaum noch im Spiel eigesetzt werden, blieb aber dennoch offiziell ein Spieler der Liga. Erst 2005 gab er sein Karriereende bekannt. Die Statistik spricht für sich: 437 NHL-Tore. 2013 reservierten die Vancouver Chucks erstmals in ihrer Geschichte eine Rückennummer für einen Spieler: Bures Nummer 10. 2017 wurde Bure als einer von vier Russen in die Hall of Fame der NHL aufgenommen. 

In den frühen 90er Jahren waren russische NHL-Spieler noch eher die Ausnahme als die Regel. Das änderte sich erst als 1995 der Cheftrainer von Detroit, Scotty Bowman, die „Russian Five” aufbaute, eine Mannschaft aus russischen Spielern, ein jeder eine Legende für sich. 

Die „Russian Five” waren das sowjetische Eishockey-Ass Wjatscheslaw Fetisow, der Verteidiger Wladimir Konstantinow sowie die Stürmer Wjatscheslaw Koslow, Igor Larionow und Sergei Fjodorow. Was man sich noch vor einem Jahrzehnt nicht vorstellen konnte - ein ganzes Team aus russischen Spielern in der NHL - war nach dem Kalten Krieg Realität. Bowman wurde für seine beispiellose Entscheidung als Genie bezeichnet. Seine Jungs holten 1997 den Stanley Cup. 

Die „Russian Five”

2005 startete eine neue Epoche in der NHL-Geschichte. Die Liga begann junge russische Spieler aufzunehmen, die keinerlei Erfahrung mit der sowjetischen Schule hatten. Es war der Beginn der Owetschkin-Ära.

Am 5. Oktober 2005 gab der weltberühmte Stürmer Alexander Owetschkin sein NHL-Debüt für die Washington Capitals. Der 20-jährige Russe war schon vorher begehrt bei vielen NHL-Teams, doch die Washington Capitals machten das Rennen und holten sich die russische Nummer 1. 

Owetschkin holte Rekord für Rekord: Bester Rookie, das großartigste Tor in der NHL-Geschichte (inoffiziell), der größte Deal (124 Millionen US-Dollar für 13 Spielzeiten), achtmaliger Gewinner der Maurice Richard Trophy als bester Stürmer der Liga, der einzige Russe, der die 500-Tore-Marke knacken konnte. 

Owetschkin hat alles gewonnen, außer den Stanley Cup. Erst 2018 vervollständigte auch dieses letzte Puzzle-Teil Owetschkins Erfolgsgeschichte. Am  7. Juli besiegten die Washington Capitals in einem harten Match die Vegas Golden Knights im Saisonfinale. Und Owetschkin, der russische Kapitän einer NHL-Mannschaft, konnte den Pokal endlich in die Höhe halten. 

Bis jetzt haben insgesamt 232 Russen in der NHL gespielt. Acht davon wurden in die Hall of Fame aufgenommen, 30 wurden Sieger des Stanley Cups, des wichtigsten Wettbewerbs der National Hockey League.

>>> Von der Dorfeisbahn zu Super Series: Der steile Aufstieg des sowjetischen Eishockeys in Bildern

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