Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde der Freihandel plötzlich legal. Zuvor konnte man für den privaten Verkauf (sei es ein Paar selbstgestrickte Socken oder eine Flasche Wodka) ins Gefängnis gelangen. Alles änderte sich 1992, als die Straßenmärkte zum Mittelpunkt des täglichen Lebens wurden.
Bald jedoch wurden sie durch glänzende Einkaufszentren ersetzt und nur eine kleine Handvoll Märkte konnte in deren Schatten überleben. Was war so besonders an ihrer einzigartigen Atmosphäre?
Auf freien Grundstücken, Straßen, Unterführungen und Stadien (der größte Markt befand sich im Luschniki-Stadion) schossen die Märkte wie Pilze aus dem Boden und zahlreiche Güter aller Art und Qualität erschienen im freien Verkauf.
Manchmal kümmerten sich die Verkäufer nicht einmal um einen Stand und boten ihre Waren direkt auf der Ladefläche der Lastwagen an. Dinge wie sanitäre Einrichtungen und Heizungen spielten keine Rolle.
Andererseits konnte man sich von Kopf bis Fuß günstig einkleiden. Es gab alles an einem Ort - von Autoteilen über CDs mit Raubkopien bis hin zu hausgemachtem Kompott. In keinem modernen Einkaufszentrum ist das heute möglich.
Stände und Lastwagen boten keine passenden Einrichtungen wie Umkleidekabinen. Man probierte Kleidung oder Schuhe auf einem Stück Karton stehend an. Bei jedem Wetter, sei es Regen oder Schnee. Aber einige Verkäufer richteten einen Vorhang ein, hinter dem man sich vor neugierigen Blicken verbergen konnte.
Täglich schoben Frauen mit Essen und Getränken beladene Wagen durch die Stände und verkauften Tee mit Zitrone und Zucker, Sandwiches usw. Viele Märkte hatten lange Zeit keine anderen Verpflegungsmöglichkeiten als diese. Erst später tauchten erste „Food Courts“ auf: Manchmal handelte es sich dabei um eine Reihe von Pavillons, wo Pfannkuchen, Süßigkeiten oder Kebabs serviert wurden.
Das Markenzeichen der postsowjetischen Neunzigerjahre wurde der sogenannte Pendlerhandel. Güter wurden von Kleinhändlern, im Volksmund „Tschelnoki“ genannt, schwarz nach Russland eingeführt, um dann an die Endverbraucher oder über Zwischenhändler auf russischen Märkten verkauft zu werden.
Solche Kleinhändler zogen von Stadt zu Stadt (manchmal von Land zu Land), um Waren aufzukaufen und konnten an einem einzigen Tag enorme Entfernungen überbrücken. Dank des ständigen Reisens verfügten sie über ein großes Netzwerk an Kontakten.
In den 1990er Jahren wurden viele ehemalige Sowjetbürger zu „Geschäftsleuten“ (im russischen Sinne). Sie waren sofort an den riesigen, karierten Taschen zu erkennen, die sie überall hin mit sich führten. Diese waren immer voller Waren und darauf konnte man sitzen, schlafen oder essen, während man auf einen Zug oder ein Flugzeug wartete.
Der Verkauf von Fremdwährung in der Sowjetunion war ein Verbrechen. Kein Wunder also, dass die allerersten Märkte sehr ungewöhnliche „Wechselstuben“ hatten: Es waren Leute mit viel Bargeld in der Tasche und einem „Kaufe $ / DM“-Schild um den Hals. Solche „Wechselstuben“ versammelten sich an den Markteingängen, wo sie auf den Kunden warteten.
Der einfache postsowjetische Mensch träumte von einer schwarzen Lederjacke, einem Schaffellmantel und natürlich Jeans. Man hatte kein Geld, um qualitative Sachen ausländischer Marken zu kaufen, so dass billige gefälschte Artikel, oft aus der Türkei, die Märkte überfluteten und zu deren inoffiziellem Symbol wurden.
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