Eine Reise in die Sowjetunion: Sozialistische Leistungsschau für ausländische Touristen

Rudolf Kutscherow/Sputnik
Die Sowjetunion gab sich eher verschlossen. Dennoch war sie für Touristen zugänglich, denn deren Devisen wurden dringend benötigt. Für die ausländischen Urlauber war die Reise eine Erfahrung fürs Leben.

„Es ist nicht nur ein Urlaub, es ist eine Reise in eine neue Welt“ 

Schon kurz nach der Gründung der UdSSR entdeckte die Staatsführung den Tourismus als Möglichkeit, dringend benötigte Devisen ins Land zu bringen. 1929 wurde daher Intourist gegründet, ein Touristikdienstleister mit dem Monopol, Reisen in die Sowjetunion zu verkaufen. „Es ist nicht nur ein Urlaub, es ist eine Reise in eine neue Welt“, warb Intourist.

Tatsächlich waren die ausländischen Touristen fasziniert. Die ersten, die ins Land kamen, waren Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Künstler und Schriftsteller wie Theodore Dreiser, der 1927 zu Gast im Land war, Bernard Shaw (1932) und der französische Schriftsteller und Nobelpreisträger Romain Rolland (1935).

Bernard Shaw in Moskau, 1931

In den 1930er Jahren eröffnete Intourist Zweigstellen in Großbritannien, Deutschland und den USA. Vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs besuchten rund 129.000 ausländische Touristen die UdSSR. Sie konnten verschiedene Routen wählen, von Moskau bis zum Fernen Osten. Die Werbeplakate stammten aus der Feder der besten sowjetischen Illustratoren. 

Touristen aus Frankreich in Moskau, 1976

Nach dem Krieg kamen die Touristen wieder ab den 1950er Jahren, als die UdSSR den politischen Gedankenaustausch fördern wollte. Sowjetführer Nikita Chruschtschow reiste um die Welt. Im Land wurden Veranstaltungen für Jugendliche und Studenten aus aller Welt organisiert. Zwischen 1956 und 1985 besuchten mehr als 70 Millionen Touristen aus 162 Ländern die UdSSR.

Touristen aus den USA in Moskau, 1972

Diese durften jedoch nicht auf eigene Faust umherreisen. Ihnen stand stets ein Übersetzer und Reiseführer von Intourist zur Seite. Ausländische Touristen sollten ausschließlich die Errungenschaften und Vorzüge des Kommunismus zu Gesicht bekommen. 

Touristen aus Österreich auf dem Maneschnaja-Platz, 1963

Reiseführer mit Gespür für Politik 

Es war keine leichte Aufgabe, die richtigen Leute für Intourist zu finden. Die Reiseführer mussten einen Universitätsabschluss vorweisen und mehrere Fremdsprachen sprechen. Sie mussten zudem ein Gespür dafür haben, was sie den Ausländern präsentieren durften und was nicht. Es war ihre Aufgabe, das Sowjetsystem im besten Licht darzustellen. 

Touristen aus Japan auf der Reise zum Baikalsee, 1980

Welche Orte durften Touristen besuchen? 

Ausgangspunkt der Touren für ausländische Reisende war meist Moskau oder Leningrad (heute St. Petersburg), wo sich die größten Flughäfen des Landes befanden.

Britische Touristen in Moskau, 1976

Im Sommer zog es die Besucher gerne in die Urlaubsorte am Schwarzen Meer. Im Jahr 1968 besuchten laut Nachrichtenagentur „TASS vier Millionen Menschen die Krim, davon kamen 36.000 aus dem Ausland. Die meisten Besucher kamen aus der Bundesrepublik Deutschland (8.200), gefolgt von der DDR (4.400), der Tschechoslowakei (3.500), Italien (3.100) und den USA (2.800).

Touristen aus der DDR in Alupka (die Krim), 1977

Zwei Drittel der ausländischen Touristen kamen an Bord eines Kreuzfahrtschiffes. Wer im Mai oder November die Sowjetunion bereiste, wurde stets zu den Paraden am 1. Mai oder 7. November geführt.  

Ausländische Touristen während einer Demonstration zum 1. Mai auf dem Roten Platz, 1970

Junge Kämpfer an der ideologischen Front 

Eine besondere Kategorie von einreisenden Touristen waren Studenten und Jugendliche, die zum Arbeitseinsatz kamen. Sie stammten meist aus sozialistischen Ländern (DDR, Tschechoslowakei, Jugoslawien, Kuba). 1959 wurde in Hursuf (Krim) das internationale Feriencamp Sputnik für Sowjetbürger und Ausländer im Alter von 18 bis 35 Jahren gegründet. 

Junge Leute aus Leipzig im Feriencamp Sputnik

Bis Ende der 1970er Jahre verbachten dort 180.000 Menschen ihre Ferien, davon 70.000 aus dem Ausland. In Camps wie diesem war immer etwas los. Sowjetische Athleten kamen zu Besuch oder es wurde über globale Themen wie Abrüstung diskutiert. Feierlichkeiten zu den Nationaltagen wurden vorbereitet oder sogenannte Friedensfeuer entzündet. 

Eine kubanische Delegation im Feriencamp Sputnik

Der Fokus lag immer auf Völkerfreundschaft. Zudem gab es Besichtigungstouren, Wanderungen und verschiedene sportliche Wettkämpfe. Einen Platz im Camp Sputnik bekamen nur „ideologisch geeignete“ sowjetische Studenten und die fleißigsten Arbeiter. 

In ihren Berichten stellte die Lagerverwaltung jedoch fest, dass die Camp-Bewohner am Ende ihres Aufenthalts „politische Apathie zeigten, zu informeller Kommunikation mit Ausländern neigten, ihre Zeit am Strand verbrachten und einen ausschweifenden Lebensstil pflegten…“ 

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