Der verrückte Großfürst: Das Leben von Nikolaus Konstantinowitsch Romanow

Großfürst Nikolaus Konstantinowitsch

Großfürst Nikolaus Konstantinowitsch

gemeinfrei
Die Romanows hatten eine „Leiche im Keller“. Großfürst Nikolaus Konstantinowitsch war ein Lebemann und eine ständige Bedrohung für das Ansehen der kaiserlichen Familie, und zwar so sehr, dass sie ihn für verrückt erklären ließ und er nach Taschkent in die Verbannung geschickt wurde.

Im Januar 2019 wurde in Taschkent ein wahrhaft königlicher Schatz entdeckt: Münzen, Geschirr, Schmuck - im Wert von mehr als einer Million Dollar. Es war der Schatz des Nikolaus Konstantinowitsch Romanow (1850-1918), der zu Sowjetzeiten nie gefunden wurde. 

Ein Romanow in Taschkent

Schloss von Nikolaus Konstantinowitsch Romanow in Taschkent

Der Großfürst lebte bis zu seinem Tode in Taschkent und hat viel für die Stadt getan. Zunächst ließ er Kanäle bauen. Er stiftete außerdem Stipendien für usbekische Studenten, die nicht genug Geld hatten, um an russischen Universitäten zu studieren.

Er war ein brillanter Unternehmer: Er eröffnete Fotostudios und Billardräume, begann Kwas zu verkaufen und handelte mit Reis. Er gründete Seifenfabriken und Vollzyklus-Baumwollspinnereien. 

Nikolaus Konstantinowitsch kannte sich auch in der Landwirtschaft hervorragend aus. Sein bekanntestes Projekt war die Bewässerung der Mirzachol-Wüste, die auch „Hungrige Steppe“ genannt wurde. Mit seinem eigenen Geld finanzierte der Großherzog den Bau des 60 Meilen langen Romanowski-Bewässerungskanals und sorgte so dafür, dass diese Salzwüste außerhalb von Taschkent landwirtschaftlich nutzbar wurde. Dieses Projekt wurde in Sowjetzeiten fortgesetzt. 

Der Hauptdamm des Romanowski-Bewässerungskanals

Als Kaiser Alexander II. 1881 ermordet wurde, schrieb Nikolaus Konstantinowitsch an seinen Cousin, den zukünftigen Kaiser Alexander III., und bat darum, nach St. Petersburg kommen zu dürfen. Doch der Zar schrieb zurück: „Vergiss nicht, dass du uns alle entehrt hast. Solange ich lebe, wirst Du nicht nach St. Petersburg kommen!“ Was war geschehen? 

Der Großfürst und die Tänzerin 

Fanny Lear

Nikolaus Konstantinowitsch, ein großartiger Offizier, traf Harriet Blackford um 1871 auf einem Ball. Die 23-jährige amerikanische Tänzerin, die sich Fanny Lear nannte, war verheiratet und Mutter eines Kindes. Nikolaus verliebte sich in sie und richtete für sie opulente Feiern aus, die bald Stadtgespräch in St. Petersburg waren.

Nach den Maßstäben der kaiserlichen Familie war Fanny jedoch nichts weiter als eine gewöhnliche Prostituierte. Eine offene Verbindung mit solchen Frauen und öffentliche Auftritte mit ihnen waren für einen Großfürsten nicht akzeptabel. Um diese Verbindung zu lösen, entsandte Konstantin Nikolajewitsch, Nikolaus‘ Vater und Bruder von Kaiser Alexander II., seinen Sohn mit einem Expeditionstrupp nach Zentralasien, nach Chiwa. Dorthin sollte Nikolaus Konstantinowitsch später auch verbannt werden. 

 Großfürst Nikolaus Konstantinowitsch

Doch nach seiner Rückkehr nahm er die Affäre mit Fanny Lear wieder auf, leidenschaftlicher als zuvor. Er reiste mit ihr nach Europa und mietete für sie ein Haus in St. Petersburg an.

Großfürste und -fürstinnen verfügten in der Regel über ein eigenes Einkommen. Bei ihrer Geburt investierten ihre Eltern traditionell einen bestimmten Betrag in Wertpapiere, deren Zinsen das Vermögen der adeligen Nachkommen sicherte. Darüber hinaus erhielten sie erhebliche Beträge für ihre privaten Ausgaben. Doch selbst das reichte nicht für den verschwenderischen Lebensstil von Nikolaus und dessen Freundin.

Daher beschloss der Großfürst, gegen jahrhundertealte Prinzipien seines Standes zu verstoßen und beging ein Verbrechen, das in den Augen des Adels geradezu ein Sakrileg war. 

Eine psychiatrische Lösung 

Großfürstin Alexandra Iosifowna

Nikolaus Mutter, die Großfürstin Alexandra Iosifowna besaß ein Familienrelikt: eine Ikone der Jungfrau Maria, eingefasst in eine mit Diamanten verzierte Riza, eine spezielle Abdeckung.

Drei dieser Diamanten wurden, wie durch eine Untersuchung festgestellt wurde, in einer Aprilnacht 1874 von Nikolaus Konstantinowitsch gestohlen und später von seinem Adjutanten verpfändet. Die Lage war verschärft worden durch den Umstand, dass Nikolaus beim ersten Verhör auf die Bibel seine Unschuld beschworen hatte und er zudem weiterhin glänzend gelaunt war. 

Die Geschichte machte in St. Petersburg bereits die Runde, daher war es notwendig, eine Erklärung für das Verhalten des Großfürsten zu finden. Es wurde beschlossen, öffentlich bekannt zu geben, dass der Großherzog verrückt sei und unter Kleptomanie leide. 

Großfürst Konstantin Nikolajewitsch, Nikolaus‘ Vater

Tatsächlich erhielt Nikolaus nie eine spezifische Diagnose. Sätze wie „eine schmerzhafte psychische Störung“ oder „Anämie und ein vollständiger Nervenzusammenbruch“ waren zu vage.

Am Ende entschied Alexander II. und ließ am 11. Dezember offiziell verlautbaren, dass der Großfürst Nikolaus Konstantinowitsch „an einer Störung der geistigen Fähigkeiten leidet“. Es war verboten, seinen Namen in offiziellen Papieren zu erwähnen, und sein Erbe wurde an seine jüngeren Brüder übertragen. Alle seine Orden und Auszeichnungen wurden aberkannt.

Der damals 24-jährige Großherzog wurde lebenslang aus St. Petersburg verbannt. Er behielt jedoch seinen Titel und wurde bis 1917 weiterhin als Mitglied der kaiserlichen Familie geführt. Außerdem erhielt er 12.000 Rubel pro Jahr für seinen Lebensunterhalt. Aber dieses Geld war kaum der Rede wert, denn am Ende seines Lebens betrug sein Jahreseinkommen 1,4 Millionen Rubel, da alle seine Geschäftsaktivitäten hochprofitabel waren. War er tatsächlich verrückt?

War Großfürst Nikolaus Konstantinowitsch krank? 

Großfürst Nikolaus Konstantinowitsch und seine Frau Nadeschda von Dreyer

Laut einigen Psychiatern litt der Großfürst möglicherweise an einer bipolaren Störung. Neben dem Diebstahl der Diamanten, den er nicht erklären konnte, prägten viele andere impulsiven Handlungen sein Leben. 

Nachdem er für verrückt erklärt worden war, lebte der Großherzog an zehn verschiedenen Orten. 1878 heiratete er in Orenburg eine Adlige, Nadeschda von Dreyer. 1880 kam er zurück in die Nähe von St. Petersburg. Er wurde wieder von Psychiatern untersucht. 

Doch im März 1881 wurde Alexander II. ermordet und Alexander III. zeigte sich unerbittlich gegenüber seinem Cousin. Er erlaubte Nikolaus nicht, an der Beerdigung teilzunehmen, und als Reaktion darauf, weigerte sich Nikolaus Konstantinowitsch, Alexander III. die Treue zu schwören. Daraufhin wurde er erneut als verrückt eingestuft.

Alexander II. und seine Frau Maria Alexandrowna

Dann wurde empfohlen, ihn in eine große Stadt zu schicken, wo seine Mätzchen leicht durch Wahnsinn erklärt werden konnten. Nikolaus wurde nach Taschkent geschickt, und Nadeschda von Dreyer folgte ihm. Obwohl ihre Ehe von der Heiligen Synode offiziell aufgelöst wurde, blieben die beiden zusammen. Nikolaus lebte bis zu seinem Tod 1918 in Taschkent. 

1895 ging er eine Beziehung mit der Kosakentochter Daria Tschasowitina ein, mit der er drei Kinder hatte. Nach dem Tod von Alexander III., als sich Nikolaus‘ Beziehung zum Hofe wieder verbesserte, lernte er Waleria Chmelnizkaja kennen, eine 15-jährige Schülerin aus einer adeligen Familie. Niklaus lebte mit ihr zusammen und wollte sie sogar heiraten, obwohl seine Frau noch lebte. 

Er wurde erneut untersucht und für verrückt erklärt. Um den Großfürsten und Waleria zu trennen, wurde er in die baltischen Provinzen versetzt. Als Waleria Chmelnizkaja kein Thema mehr war (sie heiratete), wurde der Großherzog zurück nach Taschkent gebracht. 

Das Schloss in Taschkent heute

Zur Zeit der Februarrevolution 1917 hisste Nikolaus eine rote Flagge über seiner Residenz und sandte ein Glückwunschtelegramm an den neuen Premierminister Alexander Kerenski. 

Nikolaus Konstantinowitsch starb am 14. Januar 1918 an einer Lungenentzündung.

>>> Royale Liebschaften: Zehn Affären aus dem Hause Romanow

>>> Russische Zaren: Waren einige psychisch krank?

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!