24. Juni 1945: Die größte Siegesparade aller Zeiten (FOTOS)

Geschichte
BORIS JEGOROW
Bei der Siegesparade in Moskau am 24. Juni 1945 warfen die sowjetischen Soldaten feindliche Banner auf den Boden vor dem Lenin-Mausoleum, US-amerikanische Jeeps fuhren über den Roten Platz und alle Teilnehmer waren am Ende völlig durchnässt.

Die Corona-Pandemie hat sich massiv auf die Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag des Sieges über Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg ausgewirkt. Das wichtigste Ereignis, die traditionelle Militärparade auf dem Roten Platz, wurde vom 9. Mai auf den 24. Juni verschoben. Das Datum wurde nicht zufällig gewählt. An diesem Tag fand im Jahr 1945 die erste Siegesparade in Moskau statt.  

Josef Stalin hatte die Idee zu einem besonderen Marsch, einer Parade der Sieger, bei einem feierlichen Abendessen im Kreml am 15. Mai 1945. Bei der Veranstaltung in Moskau sollten Vertreter aller Fronten und Gattungen, die sich im Kampf besonders hervorgetan hatten, teilnehmen. Eine Woche später präsentierte der Generalstab einen Plan für die Siegesparade. Zwei Monate Vorbereitungszeit wollten die Organisatoren, sie bekamen jedoch nur einen Monat Zeit.  

Sowjetführer Stalin wollte aufgrund seines Alters nicht persönlich an der Parade teilnehmen. Sie sollte von Marschall Georgi Schukow angeführt werden. Das Kommando hatte Marschall Konstantin Rokossowski.

In seinen Memoiren schrieb Schukow, dass der wahre Grund für Stalins Absage gewesen sei, dass er kein guter Reiter war und beinahe einmal beim Sturz von einem Hengst schwer verletzt worden wäre.

Für die Parade wurden Regimenter aus zehn Großverbänden verschiedener Fronten zusammengeschlossen und ein gemeinsames Marine-Regiment gebildet. 

An der größten Siegesparade der Geschichte nahmen insgesamt 2.809 Kommandeure teil, darunter 249 Generäle, 31.115 Unteroffiziere und einfache Soldaten sowie 1.400 Musiker eines für die Parade zusammengestellten Militärorchesters. 

Die Paradeteilnehmer mussten bestimmte Kriterien erfüllen. Sie mussten groß sein (gemessen am damaligen Standard), durften nicht älter als 30 sein und mussten im Kampf Mut und Tapferkeit bewiesen haben.  

Auch Ausländer nahmen an der Parade teil. Polnische Soldaten, die auf dem Weg vom östlichen Weißrussland nach Berlin Seite an Seite mit der Roten Armee gekämpft hatten, liefen in einer eigenen Formation. 

Der einzige ausländische General, der als würdig genug erachtet wurde beim Marsch neben sowjetischen Kommandeuren eines der kombinierten Regimenter der Roten Armee anzuführen, war der bulgarische General Wladimir Stojtschew. 

Das Siegesbanner vom Berliner Reichstag sollte in der Parade von den Soldaten getragen werden, die es gehisst hatten. Stepan Neustrojew, Meliton Kantaria, Michail Jegorow und Alexei Berest wurden nach Moskau eingeladen, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen.

Aufgrund zahlreicher Verletzungen konnten sie jedoch nicht mehr gut marschieren. Da es als nicht adäquat erachtet wurde, andere Fahnenträger zu nehmen, wurde die Idee verworfen und das Banner einem Museum übergeben. Die Helden vom Reichstag saßen stattdessen als Ehrengäste auf der Tribüne.  

Dennoch spielten Banner, hunderte sowjetische und sogar 200 deutsche, eine wichtige Rolle bei der Parade. „Als die letzten Kolonnen der kombinierten Regimenter das Mausoleum passierten, wurde die zeremonielle Musik durch Trommelschlag ersetzt. Sowjetische Soldaten, die die Standarten der zerschlagenen faschistischen Einheiten zum Boden gesenkt trugen, marschierten vorbei. Am Fuße des Mausoleums drehten sie sich um und warfen die Banner des Feindes auf das Straßenpflaster“, beschrieb (rus) Leutnant Arkadi Sacharow den Moment.  

Nach der Parade gingen auch die erbeuteten Banner an ein Museum. Die Handschuhe, mit denen die sowjetischen Soldaten die feindlichen Standarten angefasst hatten, wurden verbrannt. 

Bei der Siegerparade wurden insgesamt 1.850 militärische Ausrüstungsgegenstände präsentiert, darunter die legendären T-34-Panzer, Katjuscha-Raketenartilleriesysteme und schwere IS-2-Panzer. Auch die im Rahmen des Leih- und Pachtgesetzes an die UdSSR gelieferte Ausrüstung der Alliierten wurde nicht vergessen. Amerikanische Dodge- und Studebaker-Lastwagen sowie Willys-Jeeps passierten den Roten Platz. Die Willys-Jeeps fahren auch in heutiger Zeit noch regelmäßig bei Militärparaden mit.  

Ein Dämpfer für die Parade war das Einsetzen strömenden Regens. Dadurch mussten die geplante Flugvorführung und auch der zivile Vorbeimarsch, der nach der Parade stattfinden sollte, abgesagt werden. 

„Es war ein sehr trauriger Moment, als das Radio bekannt gab, dass die Zivilparade wegen des Regens abgesagt worden war. Die Menschen in ihren schweren, durchnässten Mänteln und mit klatschnassen Füßen, denen zudem kalt wurde, waren enttäuscht. Die Menge zerstreute sich und die Leute gingen nach Hause oder zu Freunden, beschrieb (rus) Nina Pokrowskaja, die in einem Kinderheim arbeitete, die Ereignisse in ihrem Tagebuch.

Rokossowskis Uniform war so stark eingelaufen durch die Nässe und das anschließende Trocknen, dass er sie ohne Hilfe nicht mehr ausziehen konnte. Er musste aus ihr herausgeschnitten werden. 

Nach 1945 wurden die Siegesparaden in der UdSSR eine seltene Veranstaltung, die nur zu „runden“ Jubiläen abgehalten wurden: 1965, 1985 und 1990. Erst seit 1995 findet die Siegesparade in Russland wieder jedes Jahr statt.

>>> 1945 bis 2018: Acht erstaunliche Fakten über die Moskauer Siegesparaden