WCs in früheren Jahrhunderten: Das stille Örtchen der Zaren

Geschichte
GEORGI MANAJEW
„Wo ging der russische Zar zur Toilette?“ Dies ist eine der am meisten gestellten Fragen von Besuchern historischer Paläste und Residenzen in Russland.

Rotes WC 

„Die Toilette befand sich in der Nordwand der Halle. Durch ein kleines Fenster fiel Licht hinein“, schrieb der Restaurator Boris Postnikow über die Toilette im Steinhaus von Michail Sarpunow, einem reichen Silberschmied aus Pskow aus dem 17. Jahrhundert. „Das Abwasser wurde durch einen vertikalen Kanal im Mauerwerk möglicherweise aus Tonrohren, in einen speziellen Eimer geleitet, der eine Etage tiefer in einer Nische im Mauerwerk installiert war. Auf einer Seite dieser Nische gab es ein schlitzförmiges Fenster zur Straße hin zur Belüftung und auf der Innenseite des Gebäudes eine kleine Tür, um den Eimer zu wechseln.“ 

Der Entsorgungsbereich befand sich also in einer unteren Etage und war mit Belüftung ausgestattet, um den Geruch loszuwerden. Das Abwasser wurde in die örtlichen Flüsse geleitet. Der Technikhistoriker Nikolai Falkowski weiß, dass der Moskauer Kreml bereits im 17. Jahrhundert über ein Abwassersystem verfügte, das zu den Flüssen Moskwa und Neglinnaja führte. Die Zaren benutzten eigene Toiletten oder Nachttöpfe, während die Beamten, die im Kreml arbeiteten, Gemeinschaftstoiletten in den Räumlichkeiten ihrer jeweiligen Institutionen hatten. Diese wurden … jährlich gereinigt. 

Wo wurden die Toiletten installiert? Eine Beschreibung der Räumlichkeiten von Iwan dem Schrecklichen in Kolomna besagt, dass die Toilette von den Gemächern des Zaren und der Zarin entfernt und mit ihnen durch Gänge verbunden war. Eine Beschreibung des Palastes von Alexei Michailowitsch in Ismailowo (1687) zeigt, dass auf jeder Etage des Palastes Toiletten vorhanden waren, die sich in der Nähe der Wohnräume befanden und durch Durchgangszimmer von diesen getrennt waren.

Die Innenwände der Toiletten des Zaren und der Zarin waren mit rotem Stoff bezogen. Ihre tragbaren Kupferkammertöpfe, die auf die Straße gebracht werden konnten, waren ebenfalls mit rotem Samt bezogen und wurden in speziellen Ledertaschen getragen. Auch in den Wohnräumen wurden Nachttöpfe verwendet: Peter I. hatte laut Aufzeichnungen bis zu seinem elften Geburtstag im Jahr 1683 seinen eigenen Topf, der mit rotem Stoff und rotem Satin bezogen war. Doch auch als Erwachsene nutzten die Adeligen durchaus noch Nachttöpfe. 

Wo der Zar sein Geschäft verrichtete 

Die ersten russischen Durchflusstoiletten wurden in den 1710er Jahren im Monplaisire-Palast, dem Lieblingsort von Peter dem Großen in Peterhof, und im Sommerpalast im Sommergarten in St. Petersburg installiert. Der erste Russe, der eine Durchflusstoilette besaß, war Fürst Alexander Menschikow, Peters enger Mitarbeiter.

Was befand sich im russischen 18. Jahrhundert auf dem Klo eines reichen Mannes? Eine der seltenen ausländischen Beschreibungen einer russischen Toilette wurde von Daikokuya Kōdayū (1751-1828) geliefert, einem japanischen Kapitän, der fast zehn Jahre in Russland verbrachte. Er schrieb, dass sogar vier- oder fünfstöckige Häuser auf jeder Etage eine Toilette hatten. Im Inneren ein Sitz „in Form einer Box, 40 bis 50 cm hoch“ mit einer ovalen Öffnung, „mit abgeschnittenen und geglätteten Kanten“. Für Kinder gab es spezielle Toiletten mit tieferen Sitzen. „Latrinen können geräumig sein und vier und fünf Löcher haben, sodass drei oder vier Personen sie gleichzeitig benutzen können. Die Vornehmen haben sogar Öfen in ihren Latrinen, um sie warm zu halten“, schrieb Kōdayū. „Unter den Löchern befinden sich große Kupfertrichter, und alles fließt durch sie in ein großes vertikales Rohr, das zu einer Senkgrube führt, die tief unter dem Haus gegraben und mit Stein ausgekleidet ist. Die Senkgrube wurde regelmäßig geleert. Diese Tätigkeit wurde von Angehörigen der niedrigsten gesellschaftlichen Schichten verrichtet.  

Wie waren die sanitären Einrichtungen im Winterpalast und in anderen russischen königlichen Residenzen organisiert? Anstelle der sperrigen Nachttöpfe verwendeten die Damen zum Urinieren ein Bourdalou (Urinal) - eine Art Bettpfanne, die tagsüber unter den Rock gesteckt werden konnte. So mussten die Damen nicht extra die Toilette aufsuchen. In den Gemächern gab es teilweise noch Nachttöpfe. Doch im 18. Jahrhundert wurden Toiletten zum Standard in Adelshäusern und königlichen Palästen.

Die Toiletten russischer Zaren aus dem späten 18. bis frühen 19. Jahrhundert unterschieden sich kaum von denen, die wir heute benutzen. Der gravierende Unterschied bestand im Abwassersystem - bis zum 19. Jahrhundert gab es im Winterpalast kein zentrales Abwasser, nur hier und da einzelne Holz- oder Tonrohre. Das Abwasser wurde schließlich in Eimern aus dem Palast gebracht (ähnlich wie im Sarpunow-Haus aus dem 17. Jahrhundert in Pskow) und in die Newa gegossen.

Im Winterpalast wurden 1826 Durchlaufspültoiletten mit Entwässerungssystemen installiert. Kaiser Nikolaus I., der der persönlichen Hygiene große Aufmerksamkeit schenkte, befahl, WCs in seinen Gemächern und denen der Kaiserin nicht weit von den Hauptempfangssälen zu installieren. Bei großen Empfängen im Palast war die Frage nach Toiletten akut - manchmal waren Hunderte oder sogar Tausende von Menschen anwesend. Das zentrale Abwassersystem des ersten Winterpalastes war mit Pumpmaschinen und einem unterirdischen Auffangbehälter ausgestattet. Die Exkremente wurden dann wieder in die Newa gespült.

Nach 1838, schreibt der Historiker Igor Simin, wurden im Winterpalast Keramik- Toilettenschüsseln installiert. Alle von ihnen wurden in Holzschränken innerhalb der Mauern der Räumlichkeiten eingebaut. Die Türen waren als Schranktür getarnt. Diese „Tradition“ blieb bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts erhalten.