Warum wurden die Ehefrauen russischer Zaren ins Kloster verbannt?

Russische Zaren entledigten sich ihrer Ehefrauen oder unliebsamer weiblicher Verwandtschaft, indem sie sie ins Kloster steckten.

Gescheiterte Ehe 

1505 war es an der Zeit, dass Wasilij, der 26-jährige Großfürst von Moskau, heiratete. Traditionell wurde ein unverheirateter Großprinz nicht als regierungsfähig angesehen. Nach dem Brauch wurden 500 der schönsten jungfräulichen Adligen aus dem gesamten Zarenreich Moskau geholt. „Von diesen wurden 300 ausgewählt, dann 200 und schließlich zehn, die von Hebammen intensiv untersucht wurden, um sicherzustellen, dass sie wirklich Jungfrauen waren und Kinder gebären konnten und ob sie irgendwelche Krankheiten hatten. Schließlich wurde aus diesen zehn eine Frau ausgewählt“, schrieb Francesco Da Collo (1480-1571), ein italienischer Diplomat.

Wasilijs Leben mit Solomonia Saburowa war glücklich – außer, dass sie nicht gebären konnte und die Geburt eines Erben für die Fortsetzung der Dynastie sehr wichtig war. Wasilij konnte sich jedoch nicht so leicht von Solomonia trennen - die orthodoxe Kirche war entschieden gegen eine Scheidung. Die Bojaren-Duma stand hinter dem Zaren. 

Warlaam, der Metropolit von Moskau, der Wasilij eine Scheidung verweigerte, wurde abgesetzt, stattdessen wurde Daniil (1492-1547) zum Metropoliten ernannt. 1525 wurden Wasilij und Solomonia geschieden. Sie wurde gegen ihren Willen in das Fürbitte-Kloster (Pokrowski) in Susdal gebracht, wo sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1542 unter dem Namen Sophia lebte. 

Solomonia Saburowa als Nonne im Pokrowski-Kloster

Wasilij III. heiratete bald darauf die 18-jährige Elena Glinskaja (1508-1538). Ihr gemeinsames Kind wurde als Iwan der Schreckliche (1530-1584) bekannt, der zu Lebzeiten das klösterliche Exil von Frauen zur gängigen Praxis machte.

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Der Scheidungs-Zar 

Vor Wasilij III. gingen die Frauen der Moskauer Fürsten nur als Witwen ins Kloster, so war es im 14. bis 15. Jahrhundert üblich. Die Historikerin Tatiana Grigorjewa sagt: „Ins Kloster einzutreten und sich das Haar zu scheren (Tonsur) bedeutete mehr, als nur formell ein Gelübde abzulegen. Ein Mönch oder eine Nonne entsagte dem weltlichen Leben, war dort nicht mehr existent und stellte sich fortan ausschließlich in den Dienst Gottes.“ 

Wenn also eine Frau im weltlichen Leben „symbolisch tot“ war, hatte ihr Ehemann nach Ansicht der orthodoxen Kirche im 16. Jahrhundert mehr „Rechte“, sich von ihr scheiden zu lassen. Iwan der Schreckliche nutzte dies 1572 für sich. 

Nachdem seine dritte Frau, Marfa Sobakina, Ende 1571 starb (wahrscheinlich vergiftet, genau wie Iwans erste beiden Frauen), heiratete Iwan zum vierten Mal - obwohl die orthodoxe Kirche dagegen war. 1572 ehelichte er Anna Koltowskaja (1556-1626), aber sie war nicht lange Zarin. Iwan verlor rasch das Interesse an ihr und schickte sie unter dem Namen Daria auch ins Pokrowski-Kloster nach Susdal. Sie war nicht die letzte.

„Der Zar, der keinerlei Anstandsregeln mehr beachtete und auf den Segen der Bischöfe keinen Wert mehr legte, heiratete ohne Erlaubnis der Kirche um 1575 Anna Wasiltschikowa. Es war seine fünfte Ehe, schrieb der russische Historiker Nikolai Karamsin. Anna kam schon innerhalb eines Jahres ins Kloster.

Nur Iwans letzte Frau, Maria Nagaja (1553-1608), blieb bis zu seinem Tod mit dem Zaren verheiratet. Doch auch sie entkam dem Leben im Kloster nicht. Sie war die Mutter von Zarewitsch Dmitri (1582-1591), der 1591 in Uglitsch unter mysteriösen Umständen starb (wahrscheinlich wurde er ermordet). Maria wurde der Vernachlässigung ihres Sohnes beschuldigt und ins Kloster verbannt. 

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Peter gegen seine Frau und seine Schwestern 

Der letzte Zar, der die Frauen in seinem Umfeld ins Kloster steckte, war Peter der Große. In den ersten Jahren seiner Herrschaft musste er mit seiner älteren Halbschwester Sophia Alexejewna von Russland (1657-1704), die ab 1682 russische Regentin war, um die Macht kämpfen. Als Peter 1689 Jewdokija Lopuchina heiratete, war er nach russischer Tradition erwachsen und benötigte Sophias Vormundschaft nicht mehr, ebenso wenig wie sein mitregierender Bruder Iwan (1666-1696), der zu diesem Zeitpunkt ebenfalls verheiratet war.

Sophia Alexejewna im Nowodewitschi-Kloster

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1689 entluden sich die Spannungen zwischen Peter und Sophia in einen bewaffneten Konflikt. Sophias Anhänger ließen sie rasch alleine und sie verlor ihren Einfluss. Auf Peters Befehl wurde sie im Nowodewitschi-Kloster in Moskau eingesperrt. 

Sophia wurde fast ein Jahrzehnt später, 1698, zusammen mit ihren Schwestern Martha (1652-1707) und Feodosia (1662-1713) nach dem Strelizen-Aufstand Nonne. Die Strelizen, die mit Peters Herrschaft und seinen militärischen Reformen unzufrieden waren, versuchten Sophia auf den Thron zurückzubringen und wurden hart bestraft (die meisten wurden hingerichtet). Sophia und ihre Schwestern, die sie unterstützten, verschwanden im Kloster und spielten im weltlichen (und politischen) Leben keine Rolle mehr.

Jewdokija Lopuchina

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Peter war der letzte russische Zar, der seine Gemahlin, seine erste Frau Jewdokija Lopuchina (1669-1731), gegen deren Willen ins Kloster steckte. Ein Paradoxon – Jewdokija war völlig gesund, treu und gebar Peter einen Sohn, Alexei (1690-1718). Doch 1698 wurde sie wegen „ihrer Abneigungen und Verdächtigungen“, wie Peter es später formulierte, unter dem Namen Elena ebenfalls ins Fürbitte-Kloster in Susdal geschickt. Jewdokijas Tonsur war wahrscheinlich die letzte gewaltsame in der russischen Geschichte.

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