Ewiges Gedenken: Wie der Rote Platz beinahe zur Nekropole für sowjetische Führer geworden wäre

Geschichte
JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWA
Nach einem der Entwürfe sollte das „Pantheon“ für Lenin, Stalin und andere Sowjetführer gegenüber dem Kreml an der Stelle errichtet werden, an der sich heute das Kaufhaus GUM befindet.

Als Josef Stalin am 5. März 1953 starb, stellte sich die Frage, was mit seinem Leichnam geschehen sollte. Die Option, ihn lediglich zu begraben, stand nicht zur Debatte. Der Strom derer, die dem verstorbenen sowjetischen Führer ihre letzte Ehre erweisen wollten, hielt wochenlang an und forderte sogar Menschenleben. Für eine Weile wurde Stalins Leiche in Lenins Mausoleum aufgebahrt. Beide lagen nebeneinander und über dem Eingang des Mausoleums stand neben Lenins Name auch der Stalins.

Das ohnehin schon beengte Mausoleum sollte aber nur als Übergangslösung dienen. Bereits am nächsten Tag nach Stalins Tod veröffentlichten die Zeitungen eine Parteiverordnung, in der Pläne zur Errichtung eines Pantheons in Moskau angekündigt wurden.

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Größer als der Vatikan

Die Idee war, ein Pantheon zu bauen, das dem Tempel aller Götter in Rom ähnelt. Es sollte die Gräber aller „großen Leute des Sowjetlandes“ beherbergen, die an der Kremlmauer beerdigt wurden, sowie die Gräber von Lenin und Stalin, die in das neue Pantheon verlegt werden sollten. Genau wie das ursprüngliche Pantheon sollte die bolschewistische Nekropole ein eindrucksvolles Beispiel monumentaler Architektur mit Skulpturen, Basreliefs, Gemälden und Mosaiken werden und insbesondere durch die Größe beeindrucken.

Getreu dem Grundsatz „Je mehr desto besser“ planten die Initiatoren des Projekts mit einer Fläche von 500.000 Quadratmetern. Das ist größer als der Vatikan! Es blieben jedoch zwei konzeptionelle Fragen offen: Wie genau sollte die Nekropole aussehen und vor allem, wo sollte sie gebaut werden?

So wurde in derselben offiziellen Ankündigung ein Architekturwettbewerb gestartet. Teilnehmen durften nicht nur professionelle Architekten, sondern auch gewöhnliche Bürger. Einsendeschluss für Vorschläge war der 1. November 1953. Die Architekturakademie der UdSSR wurde mit Entwürfen überschwemmt, darunter auch einige recht extravagante.

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Abriss des historischen Zentrums

Das Hauptaugenmerk lag zunächst auf einem Projekt des Architekten Nikolai Kolli, der bereits mehrere U-Bahn-Stationen, Stadien und Verwaltungszentren entworfen und mit dem berühmten französischen Architekten Le Corbusier zusammengearbeitet hatte. Er schlug vor, den zukünftigen Gedenkkomplex im Stil des vom römischen Pantheon inspirierten sowjetischen monumentalen Neoklassizismus zu errichten und ihn direkt gegenüber dem Kreml auf dem Roten Platz zu bauen. 

Dazu hätten jedoch das Kaufhaus GUM und ein ganzes Viertel historischer Gebäude in Kitai-Gorod, einschließlich des Polytechnischen Museums, abgerissen werden müssen.

Für die Führung der Kommunistischen Partei gab es jedoch einen ganz besonderen Haken an diesem Plan. Die Regierungsmitglieder standen bei Paraden auf der anderen Seite, so dass die marschierenden Soldaten, entgegen aller Traditionen, nun in eine andere Richtung hätten blicken müssen. Daher war der Entwurf keine Option. 

Ein anderer Vorschlag war, das Pantheon über dem Moskau-Fluss gegenüber dem Kreml in der Nähe des Sofijskaja-Damms zu bauen. Nicht weit davon war lange eines der ehrgeizigsten Stadtentwicklungsprojekte - der Palast der Sowjets - geplant. Doch auch dieser Entwurf wurde abgelehnt.

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Später gab die Partei eine Erklärung ab: Das Pantheon soll in Moskau, 3,5 Kilometer südlich des neuen Gebäudes der Moskauer Staatsuniversität auf dem Gelände des Woronzow-Vitamin-Instituts, gebaut werden.

Unter den anderen Einsendungen für den Pantheon-Wettbewerb gab es einige ziemlich kontroverse Vorschläge. Einer von ihnen, der von einem Arbeiter stammte, regte an, zwei riesige Statuen von Lenin und Stalin zu bauen, die sich an den Händen halten und in die Ferne, „in die glänzende sowjetische Zukunft“ schauen. Aber der Entwurf für dieses Pantheon sah eher aus wie eine riesige Kommode, da die Asche der verstorbenen Kommunistenführer in Nischen auf den Außenflächen der beiden Statuen gelagert werden sollte.

Kein Platz für Stalin im Mausoleum

Im April 1955 schrieb der sowjetische Schriftsteller Alexander Twardowski in sein Tagebuch, das Pantheon sei in Vergessenheit geraten und über dringlichere Angelegenheiten verloren gegangen. In Wirklichkeit wurde das Projekt sang- und klanglos aufgegeben.

Der Grund dafür wurde bald offensichtlich. Nur ein Jahr nachdem Twardowski diesen Eintrag in sein Tagebuch gemacht hatte, fand der berühmte 20. Kongress der Kommunistischen Partei der Sowjetunion statt, auf dem Nikita Chruschtschow seine historische Rede hielt, in der er Stalin und dessen Diktatur verurteilte. 

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Stalin-Denkmäler in der ganzen UdSSR wurden abgerissen, und es war nicht mehr davon die Rede, ein Mausoleum für ihn zu bauen. Zu diesem Zeitpunkt begann auch eine Kampagne gegen „architektonische Exzesse“. 

Im Zusammenhang mit Stalins Herrschaft erblickten so viele andere Projekte, darunter eben auch der ehrgeizige Palast der Sowjets, nie das Licht der Welt.

Insgesamt verbrachte Stalins Leiche sieben Jahre im Mausoleum neben Lenins Mumie und wurde am Ende an der Kremlmauer beigesetzt. Dies geschah in einer heimlichen Nacht- und Nebelaktion, um Stalins treue Anhänger nicht zu provozieren.

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