Volkstrachten: Was die Frauen im Russischen Reich trugen (FOTOS)

Schabelskiсh-Sammlungen aus dem Russischen Ethnographischen Museum
Die russische Tracht besteht aus vielen Elementen, wobei jede Region Russlands ihre eigenen Merkmale hat.

Auf der Weltausstellung 1900 in Paris erregte eine Sammlung von Fotografien russischer Trachten Aufsehen. Die Ausstellung zeigte Fotografien aus der Sammlung des privaten Museums für Altertümer von Natalia Schabelskaja. Beeindruckend ist, wie vielgestaltig die Kostüme in den diversen Gouvernements des Russischen Reiches waren. Besonders groß waren die Unterschiede im Süden und im Norden des Zarenreichs. 

Die Ursache dafür ist, dass sich die verschiedenen Gebiete Russlands historisch isoliert voneinander entwickelt haben, was sich auf ihre kulturellen Merkmale ausgewirkt hat. Jede Region hatte ihr eigenes unvergleichliches Handwerk, ihre eigene Malerei und sogar ihre eigenen architektonischen Besonderheiten. Auch die Trachten waren überall anders. 

Die einzigartigen Fotografien von Schabelskaja sind an sich schon von historischem Wert – sie wurden alle Ende des 19. Jahrhunderts in einem Fotoatelier aufgenommen, wofür Schabelskajas Tochter und verschiedene Modell iposierten. Die private Fotosammlung wurde von Nikolaus II. gekauft und dem Russischen Museum für Völkerkunde gestiftet, wo sie heute aufbewahrt wird. Werfen wir einen Blick auf einige von ihnen. 

NORDRUSSLAND

Gouvernement Archangelsk

Die Grundlage der Frauentracht in Russland war der Sarafan, ein langes ärmelloses Kleid, das über einem Hemd mit bauschigen und schön bestickten Ärmeln getragen wurde. Sowohl Bauern- als auch Kaufmannsfrauen trugen ein solches Kostüm – der einzige Unterschied bestand in den Materialien, aus denen die Tracht gefertigt war, und der Reichtum der Verzierungen und Accessoires, wie Manschetten und Perlen.

Gouvernement Nowgorod

Das zweitwichtigste Element der russischen Tracht war die Kopfbedeckung, die oft mit dem Sammelbegriff Kokoschnik bezeichnet wird. In der Tat haben sich diese Hauben recht stark von einander unterschieden – das ist an der Tracht des Gouvernements Archangelsk besonders deutlich zu erkennen. 

Gouvernement Olonezkaja (heute Republik Karelien)

Die Ärmel der Hemden wurden oft sehr lang genäht und an der Hand befestigt, um dem Hemd eine gewisse Üppigkeit zu verleihen. Das Handgelenk wurde mit Manschetten aus Samt, Seide oder anderen teuren Stoffen bedeckt, die reich verziert und mit echten oder Glasperlen bestickt waren.

Gouvernement Wologda

Das Foto zeigt den einzigartigen Wologdaer Hochzeitskopfschmuck, die Koruna (Kranz) genannt wurde. Diese Art von Kopfschmuck, mit Perlen bestickt, war sehr teuer und wurde von den besten Handwerkern gefertigt. Der Kokoschnik wurde oft mit einem Kopftuch getragen und an der Koruna wurde in der Regel ein Übertuch befestigt. 

Gouvernement Twer

Über dem Sarafan wurde üblicherweise eine Schürze getragen, in der kalten Jahreszeit diente die Duschegreja, eine Art Wattejacke, als Obergewand. Sie konnte kurz oder knielang sein und war oft mit Fell gefüttert. 

Gouvernement Pskow

Eine der ungewöhnlichsten Kopfbedeckungen fand sich im Gouvernement Pskow – sie wurde Schischak (von Schischka = Zapfen) genannt. Die Zapfen waren mit Perlmutt bestickt, sodass ein solcher Kokoschnik sehr teuer war und nur als Element der Festtagskleidung für besondere Anlässe diente. Diese ungewöhnliche Form hatte natürlich eine besondere Bedeutung – Zapfen standen für Getreide und Samen, die ein Symbol der Fruchtbarkeit waren.

ZENTRALRUSSLAND

Gouvernement Nischnij Nowgorod

Nischnij Nowgorod hatte einen der besten Handelsmärkte Russlands, der die talentiertesten Handwerker aus den benachbarten Gouvernements anlockte, so dass die Trachten äußerst vielfältig und kunstvoll verziert waren. Es gab Haarkränze, Ohrringe, Spitzenklöppelei, Goldstickereien – und eine unglaubliche Auswahl Kokoschniks aus allen erdenklichen Stoffen und in allen möglichen Formen. 

Gouvernement Kostroma

Das linke Bild zeigt eine Kordel-Verzierung mit einem Kreuz darauf. Oft bestand ein solches Ornament aus einem Stoffstreifen oder einer Borte, war mit Perlen verziert, mit einem Kreuz oder einem Bild versehen und konnte bis zur Taille reichen. Auf dem rechten Foto ist ein hoher „einhörniger“ Kokoschnik zu sehen, ein charakteristischer Festtagskopfschmuck des Gouvernements Kostroma. 

Gouvernement Jaroslawl

Ein interessantes Merkmal einiger Hemden waren die doppelten Ärmel mit Schlitzen, die gewöhnlich für Hochzeitskleider genäht wurden. Der lange Teil von ihnen reichte fast bis zum Boden hinunter. Solche Ärmel werden im russischen Volksmärchen Die Froschprinzessin erwähnt. Nachdem der Frosch sich in Wassilissa, eine schöne junge Frau, verwandelt hatte, tanzte diese auf einem Fest und weiße Schwäne erschienen aus ihren weiten Ärmeln. 

SÜDRUSSLAND

Gouvernement Tula

Nach Süden kamen die traditionellen „Sarafan-Trachten“ aus Nord- und Zentralrussland und wurden erst Ende des 19. Jahrhunderts populär. Hier war häufiger eine andere Tracht anzutreffen, deren Grundlage ein Hemd und ein Panjówa-Rock ist, der mit einem breiten, kunstvoll bestickten Gürtel gebunden wurde.

Gouvernement Kursk

Ein in Südrussland übliches Accessoire waren die пушки (puschkí, dt.: Flaumflocken), wie auf dem Foto rechts zu sehen. Die runden Kugeln aus Gänsedaunen wurden meist am Kopfschmuck befestigt. Übrigens waren die Kopfbedeckungen im Süden häufiger aus weichem Marterial und verfügten nicht über ein очелье (otschélje), ein hartes Stirnteil, wie die Kopfbedeckungen im Norden.

Gouvernement Rjasan

Ein charakteristisches Merkmal der Tracht verheirateter Damen war ein Kitschka genannter Kokoschnik mit „Hörnern“, wie auf dem Foto links zu sehen. Solche Kopfbedeckungen waren auch in Zentralrussland zu finden. Die „Hörner“ sollten eine Frau vor bösen Geistern schützen und symbolisierten außerdem ihre Jugend und Fruchtbarkeit.

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