Wie Eisboote Leningrad während der Belagerung 1941 retteten

Geschichte
BORIS JEGOROW
Segelboote, die über den Ladogasee glitten, dienten nicht nur der Aufklärung, sondern lieferten auch Lebensmittel in die belagerte Stadt und halfen bei der Evakuierung der hungernden Bevölkerung.

Am 8. September 1941 nahm die Heeresgruppe Nord der Wehrmacht die Stadt Schlisselberg ein und schloss damit den Ring um Leningrad (heute St. Petersburg) auf dem Landweg. Etwa eine halbe Million sowjetische Soldaten saßen in der Falle, ebenso wie fast die gesamte baltische Marine und bis zu drei Millionen Zivilisten. 

Der einzig verbliebene Weg, der die nunmehr zweitwichtigste Stadt der Sowjetunion mit dem Festland verband, führte über den Ladogasee. Über diese Lebensader, die ständig unter feindlichem Beschuss stand, gelangten im Sommer Schiffe mit Proviant ins belagerte Leningrad und im Winter Lastwagenkarawanen.

In jenem Winter wurden auf dem zugefrorenen See mehr als nur Autos gesichtet. Es wurden auch „Spione mit weißen Flügeln“ gesehen, die problemlos über das Eis zu fliegen schienen.  Es waren sowjetische Eisboote - und sie leisteten einen unschätzbaren Beitrag zur Verteidigung von Leningrad. 

Kleine Helfer

Im Jahr 1941 wurden auf dem Stützpunkt des Yachtclubs „Trud“ („Arbeit“) zwei Eisbootkommandos gebildet. Sie setzten sich aus erfahrenen Sportlern und jungen Seglern zusammen. Fast 30 Eisboote wurden im November desselben Jahres in Dienst gestellt, mit Besatzungen, die auch Navigations- und Kanonierabteilungen umfassten.

Bei idealem Wind konnten die Schiffe Geschwindigkeiten von bis zu 80 Stundenkilometern erreichen, um kleinere Ladungen auszuliefern und die hungernden Menschen aus der Stadt zu evakuieren. „Nachdem wir den Ladoga in etwa 20 bis 25 Minuten mit Eisbooten überquert hatten, konnten die Menschen es nicht glauben und baten darum, nicht aussteigen zu müssen, da sie daran zweifelten, dass sie bereits auf dem Festland waren. Viele Frauen weinten, weil sie dachten, dass sie auf dem Eis zurückgelassen würden, aber nachdem sie sich in kaum mehr als zehn Minuten in einer warmen Hütte wiederfanden, umarmten sie unsere Eisbootbesatzungen und dankten ihnen“, erinnerte sich Admiral Juri Pantelejew. 

Die sowjetischen Eisboote bewachten ständig die Lebensader Ladogasee und die feindlichen Abteilungen, die sich dorthin begaben. Sie übermittelten auch Notfallnachrichten an das andere Ufer, bewachten Transporte und begleiteten Lastwagenkarawanen. 

Wenn die Situation eine dringende Lieferung von Gas für die Fahrzeuge oder von Lebensmitteln, die aus einem verunglückten Lastwagen gerettet werden mussten, erforderte, waren die Eisboote für diese Aufgabe absolut unverzichtbar.

Eine besondere Gefahr stellten die nach Explosionen entstandenen Luftlöcher dar. Sie bildeten oft schnell eine dünne Eisschicht und konnten durch Schnee verdeckt sein. Das war insbesondere in der Nacht - die für Lastwagenkonvois ideal war, weil ein geringeres Risiko bestand, von der feindlichen Luftwaffe entdeckt zu werden -eine Herausforderung.  

Die Eisboote, die den Lastwagen vorausgingen, untersuchten die Routen sorgfältig. Sie wurden eingesetzt, um Luftlöcher ausfindig zu machen und die Fahrer vor der Gefahr zu warnen, die vor ihnen lag. Oft versanken sie selbst darin. 

Ein Eisboot konnte nicht immer problemlos aus dem Loch gezogen werden. Manchmal mussten sie im Wasser zerlegt und Stück für Stück auf das Eis gezogen werden, bevor sie wieder zusammengebaut werden konnten. All dies wurde von Seeleuten in durchnässter Kleidung bei Temperaturen von bis zu -20 Grad durchgeführt.

Diese „kleinen Helfer“ der Roten Armee waren schneller als Lastwagen und Pferde. Sie brauchten kein Benzin, kein Futter und keine Ruhepausen. Doch auch sie hatten ganz erhebliche Einschränkungen. Sobald die Oberfläche des Ladoga von einer dicken Schneeschicht bedeckt war, mussten die Eisbootbesatzungen die Boote gegen Skier tauschen und sich zu Fuß fortbewegen.