Warum durfte der Raumanzug von Juri Gagarin nach der Landung nicht fotografiert werden? (FOTOS)

Sputnik
Fotos, die unmittelbar nach der Rückkehr von Juri Gagarin zur Erde aufgenommen wurden, zeigen ihn in einer gewöhnlichen warmen Jacke und nicht in einem Raumanzug. Wie kam es dazu?

In Anwesenheit von Mitgliedern der Staatskommission vergaß Juri Gagarin - der erste Mensch im All - nach seinem legendären erfolgreichen Weltraumflug nicht, ein sehr wichtiges Detail zu erwähnen: „Ich habe dort oben ein paar Fotos gemacht. Doch ich trug dabei nur die blaue Thermalkleidung. Von anderen Schichten des Raumanzuges oder dem Helm gibt es keine Aufnahmen. Der Raumanzug war weggepackt.“  

Und so war es: Auf allen Fotos nach der Landung ist der Kosmonaut in einer warmen Jacke zu sehen, die einem gewöhnlichen sowjetischen Watnik (warme Kleidung, die von Gefangenen in sowjetischen Arbeitslagern getragen wurde) ähnelt. In Wirklichkeit handelte es sich um einen V-3-Hitzeschutzanzug, den Gagarin unter seinem Raumanzug trug. Der Anzug war jedoch nicht zu sehen. 

Aber warum hätte er ihn verstecken sollen? 

Wozu überhaupt ein Anzug? 

Der Streit darüber, ob der erste Mensch im Weltraum überhaupt einen Raumanzug tragen sollte, war heftig geführt worden. Was sollte er auf einer so gefährlichen Reise tragen?

Gagarins Raumanzug.

Es mag heute albern klingen, aber einige Spezialisten zogen ernsthaft in Erwägung, Gagarin nur mit dem Hitzeschutzanzug ins All zu schicken - und mit nichts anderem. Es hätte ihn im Falle einer Wasserlandung oder gegen die Kälte geschützt, aber es wäre nutzlos gewesen, wenn das Raumschiff im Weltraum dekomprimiert worden wäre. Die Konstrukteure von Wostok erkannten jedoch im Februar 1960, dass sie ernsthafte Probleme mit der Gesamtmasse hatten und diese unbedingt irgendwie reduzieren mussten - indem sie so viel Ausrüstung wie möglich entfernten. Viele waren jedoch optimistisch, dass die Wahrscheinlichkeit einer Dekompression des Raumschiffs gering war, so dass der Raumanzug als unnötige Last galt. 

Die Debatte darüber, ob der Kosmonaut den Anzug überhaupt benötigt, dauerte bis zum Sommer, als schließlich der „Vater der Raumfahrt“, Sergej Koroljow, ein Machtwort sprach. Er sagte, er sei bereit, 500 Kilogramm [auf Kosten der Polsterung und der Ausrüstung des Raumschiffs] zu opfern, wenn dies bedeute, dass der Raumanzug mit seinen lebenserhaltenden Systemen bis Ende des Jahres fertig sei.

Nur acht Monate vor dem Flug begannen die Arbeiten am ersten Raumanzug der Geschichte - dem „SK-1".

Der Anzug

Die Ingenieure entschieden sich für den kürzesten Weg, indem sie den Su-9-Jägerpilotenanzug „Workuta“ als Grundlage verwendeten, bei dem Lebenserhaltungs- und Sauerstoffversorgungssysteme ebenfalls wichtige Komponenten waren.

Der „SK-1“ war ein „weicher“ Raumanzug, der aus zwei Schichten von Materialien bestand. Die erste bestand aus Lavsan und Polyethylenterephthalat, einem thermoplastischen Kunststoff, dem damals neuesten Material, das erst 1949 von der Akademie der Wissenschaften entwickelt worden war. Das Lavsan wurde zur Verstärkung verwendet (heute wird das Material zur Herstellung von Plastikflaschen genutzt!).

Die zweite, hermetisch verschlossene Schicht bestand aus Gummi. Die äußere für alle sichtbare Schicht war eine orangefarbene wasserdichte Hülle. Das Orange diente dazu, eventuelle Rettungsversuche zu erleichtern, falls der Kosmonaut aus der Kabine aussteigen und mit dem Fallschirm landen musste. 

Der Helm war unbeweglich und mit Drucksensoren ausgestattet. Im Falle einer Dekompression würde er sich automatisch schließen, während der Schlauch, der zur Konditionierung der Innenseite des Anzugs mit Luft aus dem Raumschiff diente, automatisch abgetrennt würde. In diesem Fall würde die Luftzufuhr über den angebrachten Sauerstofftank erfolgen. Natürlich wäre ein Weltraumspaziergang mit einem solchen Anzug absolut unmöglich gewesen. Aber der Kosmonaut konnte insgesamt fünf Stunden in der Kabine aushalten, ohne Unterstützung durch die Systeme des Raumschiffs. Übrigens verfügte bereits dieser primitive Raumanzug über ein eigenes Abfallentsorgungssystem, das es den Kosmonauten ermöglichte, seine Notdurft zu verrichten, ohne den Anzug ausziehen zu müssen. 

Der „SK-1“ war streng auf die Maße der ersten Mannschaft von Kosmonauten zugeschnitten und wog zusammen mit dem Helm 20 Kilogramm. Es war unmöglich, ihn ohne Hilfe anzuziehen. Es gab genaue Anweisungen, in welcher Reihenfolge er angelegt werden musste. Das Ausziehen war ohne Unterstützung möglich. 

Gagarin trug also mehrere Schichten: eine Grundschicht, gefolgt von einer thermischen Abschirmung, einer Schicht Lavsan, gefolgt von der Gummischicht und schließlich der orangefarbenen Hülle. Aber warum durfte die Öffentlichkeit das nicht sehen? 

Ein Mann mit geheimer Mission  

Wie Sie vielleicht schon erraten haben, ist die Antwort einfach: Geheimhaltung. Der Raumanzug galt zu Recht als geniale sowjetische Erfindung; die Materialien und die Konstruktion waren auf dem Höhepunkt des Wettlaufs um die Eroberung des Alls mit den Amerikanern ein Staatsgeheimnis. Die orangefarbene Außenhülle diente auch dazu, die darunter liegenden Schichten vor der Öffentlichkeit zu verbergen. 

Juri Gagarin hatte den strikten Befehl, alles zu tun, um den Raumanzug loszuwerden, indem er ihn entweder versteckte oder ganz zerstörte, wo auch immer die Landung stattfinden würde. Um dies zu gewährleisten, wurde einer der Konstrukteure des Anzugs, Ota Bachramow, zur Unterstützung geschickt. Am 12. April 1961 wurde die geheime Mission, in die nur wenige Menschen eingeweiht waren, durchgeführt. 

Bachramow sollte Gagarin oder dem Leiter des Such- und Rettungsteams den Anzug an der Landestelle abnehmen. Der Ingenieur schaffte es dennoch auf einige Fotos. Die Einwohner der Stadt Engels hielten den bulligen Mann mit Filzhut und Wintermantel für einen Sicherheitsbeamten oder den Leibwächter des Kosmonauten, der über die Sicherheit des Nationalhelden wachen sollte. Doch die Wahrheit war viel prosaischer: Bachramow war einfach nur dort, um den Anzug abzuholen. 

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