Michail Wrubel: Der bedeutendste russische Maler des Modernismus

Kultur
ALEXANDRA GUSEWA
Sein einzigartiger Stil ist schwer mit dem anderer zu verwechseln. Das russische Genie der Epoche der Romantik und des Jugendstils wurde zum Zeitpunkt der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zum Vorreiter der russischen Avantgarde.

Wie es sich für ein Kind aus hohem Hause gehört, wurde Michail Wrubel von Kindheit an in verschiedenen künstlerischen Fertigkeiten unterrichtet. Nicht nur der Malerei, sondern auch der Musik wurde Zeit und Mühe gewidmet. Er hegte großes Interesse für Literatur und in seinem Werk finden sich viele Bild-Illustrationen, die von Sagen und Mythologie, Shakespeare und den romantischen Dichtern Goethe, Puschkin und Lermontow angehaucht sind. Als Jugendlicher liebte Wrubel die Oper - später fertigte er sämtliche Skizzen für Aufführungen an.

Zum ersten Mal wurde sein künstlerisches Talent wahrgenommen, als er das Fresko „Jüngstes Gericht“ von Michelangelo, dessen Kopie er auf einer Ausstellung sah, mit großer Leidenschaft reproduzierte. Sein Vater engagierte sogar einen Lehrer für Zeichenkunst, aber die Sache ging nicht viel weiter voran.

Wrubel absolvierte erfolgreich ein Studium an der juristischen Fakultät der St. Petersburger Staatsuniversität, gab Nachhilfestunden und führte ein eher hemmungsloses und unkonventionelles Leben im Bohème-Stil. Erst im Alter von 24 Jahren beschloss er, sich bei der Akademie der Künste zu bewerben und sich auf professioneller Ebene der Kunst zu widmen. Sein erstes Geld, sowie die erste Anerkennung für seine künstlerische Tätigkeit, erhielt er für seine groß angelegte Arbeit an der Restaurierung der Wandmalereien der Kiewer Kyrillenkirche.

Der Künstler war ein impulsiver und aufbrausender Mann - genau wie seine Kunst. Er arbeitete hart und brannte wie besessen für seine Arbeit, verfiel dann in Depressionen und trank viel. Die Gesellschaft akzeptierte seine Werke nicht, nannte sie dekadent oder gar hässlich. Zu den psychischen Problemen kamen zusätzlich noch körperliche hinzu – bereits mit 50 Jahren war Wrubel auf den Rollstuhl angewiesen. Er verbrachte viel Zeit in Krankenhäusern und mit jedem Funken Hoffnung auf eine gesundheitliche Besserung, der letztlich wieder erlosch, aß er immer mehr wie ein Wahnsinniger in sich hinein. Wrubel ist 1910 verstorben. Bei seiner Beerdigung hielt der berühmte Dichter Alexander Blok, der Wrubel sehr bewunderte, eine Rede, in der er ihn als einen „Bote(n) aus anderen Welten” bezeichnete.

Lasst uns hier einmal in diese Welten eintauchen.

  1. Der sitzende Dämon, 1890

Die Idee und das Bild des Dämons nahmen über einen Zeitraum von mehreren Jahren in Wrubels Kopf Gestalt an - dies ist eines der ersten Werke in dem für Wrubel typischen „kristallinen” Stil. Lange Striche mit einem speziellen Spachtel erwecken den Eindruck, dass es sich nicht um ein Gemälde, sondern um eine Mosaiktafel handelt: Anscheinend haben die Mosaiken der Kiewer Kathedralen, in denen er arbeitete, doch ihre Spuren hinterlassen.

Das Werk ist inspiriert von dem romantischen Gedicht „Der Dämon” von Michail Lermontow. Ein gefallener Engel wandert durch die Welt und findet nirgendwo seine Ruhe. Wrubel hatte ein eigenes Bild von der Erzählung - der Dämon war nicht bösartig, sondern leidete, schien aber majestätisch zu wirken. Wrubel malte auch eine Reihe von Aquarellillustrationen zu Lermontows Gedicht.

  1. Der Prozess von Paris, 1893

1889 zog Wrubel nach Moskau – und dort geschah seine schicksalhafte Begegnung mit dem Großindustriellen und Kunstmäzen Sawwa Mamontow. Der Modernist und Innovator Wrubel war in der Gesellschaft noch nicht willkommen. Aber Mamontow hatte ein feines Näschen was die künstlerische Sphäre betraf und beauftragte den Künstler mit der Gestaltung seiner Villa in Moskau. Schon bald war Wrubel auch bei anderen Kunstliebhabern sehr gefragt. Beispielsweise schuf Wrubel für das Haus der Familie Dunker in Moskau ein unglaubliches Triptychon „Das Urteil von Paris”, das die Kunden dann jedoch aus irgendeinem Grund ablehnten.

  1. Die Prinzessin der Träume, 1896

Wrubel wurde von Sawwa Mamontow beauftragt, eine riesige Leinwand für den Pavillon auf der Allrussischen Kunst- und Industrieausstellung in Nischni Nowgorod zu bemalen. Die Auswahlkommission der Akademie der Künste ließ das Gemälde nicht zur Ausstellung zu und ein großer Skandal brach aus.

Sawwa Mamontow gab eine Mosaikkopie des Bildes „Prinzessin der Träume” in Auftrag, um die Fassade des Hotels Metropol zu schmücken, das er Anfang des 20. Jahrhunderts in Moskau gegenüber dem Bolschoi-Theater erbauen ließ. Das Bild selbst wurde viele Jahre lang in den Lagerräumen des Bolschoi-Theaters aufbewahrt. 2007 wurde es der Tretjakow-Galerie übergeben. Das Gebäude musste zwar dafür umgebaut werden, jedoch verfügt die Galerie nun über einen Wrubel gewidmeten Saal.

  1. Das Porträt von Sawwa Mamontow, 1897

Wrubel hat nicht viele Porträts von existierenden Personen gemalt, aber sein Wohltäter Sawwa Mamontow war einer von ihnen. Das schwarze, zerschundene Bild spiegelt die Dramatik der Lebenssituation des Industriellen wider. Er, ein prominenter Kunstmäzen, wurde wegen übermäßiger und unnötiger Kosten, die er in Rechnung setzte, angeklagt. Kurze Zeit später, nachdem das Porträt entstanden ist, wurde er verhaftet und vor Gericht gestellt, aber wieder freigesprochen. Da er jedoch kein Einkommen mehr hatte, war er gezwungen, seine Besitztümer zu verkaufen -  darunter zahlreiche Gemälde bedeutender Künstler.

  1. Wolga Swjatoslawitsch und Mikula Selyaninowitsch (Kamin), 1899

Es bildete sich ein Künstlerklub auf dem Abramzewo-Gut von Sawwa Mamontow. Wrubel hielt sich oft dort auf und war verantwortlich für die Keramikproduktion - er und seine Mitarbeiter stellten nach seinen Entwürfen Ofenkacheln, Majolikaplatten, Skulpturen und andere dekorative Elemente her, hauptsächlich mit märchenhaften und mythologischen Motiven. Der Kaminsims erhielt auf der Weltausstellung im Jahre 1900 in Paris  eine Goldmedaille. Eine Kopie wurde für das Baschanow-Haus in Moskau angefertigt; ganz im Jugendstil.

  1. Der Pan, 1899

Ende des 19. Jahrhunderts wurde der „russische” Stil zum Trend und Wrubel war einer derjenigen, die nationale Sagengeschichten wiederbelebten: Sowohl in der Keramik als auch in der Malerei. Obwohl dieses Gemälde von der Geschichte „Der heilige Satyr” des französischen Schriftstellers Anatole France inspiriert ist, bringt Wrubel die antike griechische Sagengestalt auf russischen Boden. Sein Pan ist eher ein Leschie, ein jenseitiger Waldgeist, der im Hintergrund einer typisch russischen Landschaft lauert.

7. Die Sadko Platte, 1899-1900

Wrubel entwarf die Bühnenbilder für eine Inszenierung der Oper Sadko von Nikolai Rimski-Korsakow für das Privattheater von Sawwa Mamontow. Diese märchenhafte Geschichte aus russischen Sagen inspirierte den Künstler auch zu einer ganzen Serie von Majolika-Skulpturen - die Figuren der Helden der Oper - Sadko, der Zar des Meeres, die Zarewna und alle von ihnen mitsamt Unterwasserweltbewohner in einer unglaublichen Platte verewigt.

  1. Die Schwanenprinzessin, 1900

Wie Pan ist auch die Schwanenprinzessin ein fabelhaftes Wesen, das zwischen den Welten zu existieren scheint. Nun ist sie ein schönes Mädchen oder ein Vogel - der Künstler versucht, den Moment dieser Metamorphose einzufangen. In Nikolai Rimski-Korsakows Oper „Das Märchen vom Zaren Saltan”, die auf Puschkins Märchen basiert, wurde diese Figur von Wrubels Frau, der Sängerin Nadeschda Sabela-Wrubel, dargestellt. Viele vermuten in diesem unglaublichen Bild jedoch eine verheiratete Frau, in die Wrubel vor seiner Ehe unerwidert verliebt war.

  1. Der besiegte Dämon, 1902

Nach dem ersten verloren gegangenen sitzenden Dämon malte Wrubel einen weiteren fliegenden Dämon, der sich kraftvoll über die Welt erhob und beendete den Kreislauf der Dinge mit diesem tragisch besiegten Dämon: Seine zerbrochene Figur vor dem Hintergrund der Landschaft des Kaukasusgebirges. Die Arbeit an diesem Gemälde brachte Wrubel zu einem weiteren Zusammenbruch und er fand sich im Krankenhaus wieder; er fertigte viele Skizzen an, überarbeitete aber auch die bereits fertiggestellte Leinwand immer wieder. Wrubels Frau erinnerte sich daran, wie sie jeden Tag mit Entsetzen die Veränderungen des Dämons mitangesehen hat - es gab Tage, an denen sein Gesicht schrecklich war, während es an anderen „tiefe Traurigkeit und neuartige Schönheit“ ausstrahlte.

  1. Der sechsflüglige Seraph, 1904

Nach dem Lermontow-Dämon, der ihn so sehr gequält hatte, wendete sich Wrubel erneut einem komplexen Wesen zu. Es ist der Held von Alexander Puschkins Gedicht „Der Prophet“: Der furchterregende Engel Seraphim - ein feuriger Bote Gottes. Er hält ein Schwert in der Hand, das laut Puschkin die Brust des Helden aufschneidet und anstelle des Herzens eine glühende Kohle einsetzt, so dass er zum Propheten wird und die Herzen der Menschen durch seine Worte verbrennen. Der Künstler malte das Bild bereits in einem sehr schlechten gesundheitlichen Zustand - er leidete unter Halluzinationen. Wie schon beim Dämon zuvor, war er auch hier mit dem Gesicht des Seraphim lange unzufrieden und überarbeitete dessen Gesichtszüge.

  1. Die Perlmuschel, 1904

Wrubel interessierte sich zunächst nur für die schillernde Natur des Perlmutts, die er durch gewisse Farbtechniken darzustellen versuchte. Die Meeresprinzessinnen erschienen auf dem Gemälde „zufällig“, so als hätte Wrubel sie tatsächlich in einer seiner Skizzen „gesehen“. Sie vervollständigten das Bild und verwandelten die Muschel in eine magische Grotte.

  1. Nach dem Konzert, 1905

Wrubel malte viele Porträts seiner Frau, der berühmten Sängerin Nadeschda Sabela-Wrubel. Es handelt sich hier um eines der letzten Gemälde des Künstlers, das nie vollendet wurde. Es zeigt eine müde Frau, die sich in einem Sessel am Kamin zurücklehnt.

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