Warum das sowjetische Volk den Playboy verehrte

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ALEXANDER BRATERSKIJ
Trotz der Tatsache, dass man den Playboy in der Sowjetunion nicht kaufen konnte, kannte jeder den Namen der Zeitschrift. Lange verpönt und doch bei vielen beliebt, erlebte die Zeitschrift in den 1990er-Jahren dann auch in Russland einen wahren Aufschwung.

Der Tod des Playboy-Gründers Hugh Hefner veranlasste viele Menschen weltweit dazu, sein Vermächtnis und seinen Einfluss auf die Welt des Showbusiness zu diskutieren. In Russland genießt die von ihm gegründete Zeitschrift jedoch einen besonderen Status.

Gab es Sex in der Sowjetunion?

Während Hugh Hefners Tod in den USA für Schlagzeilen sorgte, beschäftigten sich auch in Russland sowohl die liberalen als auch die konservativen Medien gleichermaßen mit seinem Ableben.

Manche von ihnen lobten seine offene Haltung gegenüber Sex, die einst in der Sowjetunion undenkbar war, andere sagten, dass er mit seiner Zeitschrift eine Rolle bei der Zerstörung der moralischen Werte des Landes gespielt habe.

Wie dem auch sei: Während ein Großteil des russischen Publikums bis in die 1990er-Jahre nicht einmal Hefners Namen kannte, war der Titel seiner Zeitschrift in der Sowjetunion nahezu jedem geläufig.

Wie die meisten ausländischen Magazine war der Playboy in der Sowjetunion nicht erhältlich, und nur Forschern und Sozialwissenschaftlern war es möglich, eine Ausgabe der Zeitschrift mit einer Sondergenehmigung in den Fachabteilungen der Bibliotheken zu erhalten.

Dennoch wurde der Name der Zeitschrift oft in sowjetischen Satirezeitschriften als Paradebeispiel des „verkommenen westlichen Lebensstils“ aufgeführt. Im Jahr 1972 erklärte die Publikation „Ideologischer Kampf und moderne Kultur“, herausgegeben vom sowjetischen Bildungsministerium, dass der Playboy zu einer erfolgreichen Publikation geworden sei, weil er imstande war, „unter den Lesern ein Gefühl der Lust zu stimulieren“.

Viele prominente Leser

Interessanterweise wurde der Name Playboy von einigen sowjetischen Kritikern nicht erwähnt, sondern als „povesa“ frei ins Russische übersetzt. Das Wort stammt aus Alexander Puschkins berühmtem lyrischen Meisterwerk "Eugen Onegin“. Dort bezeichnet er Onegin, einen jungen, reichen und vornehmen Mann, als „povesa“, also „Playboy“.

Selbst zu dieser Zeit hatte die Zeitschrift zahlreiche Fans, den berühmten sowjetischen Schriftsteller Wassili Aksjonow mit eingeschlossen, der sich mithilfe eines freundlichen US-Diplomaten Zugang zum Playboy verschaffte.

Der verstorbene Autor behauptete sogar in einem seiner Bücher, dass er bemüht war, ein russisches Pendant für den Playboy zu finden, ihm aber lediglich „stiljaga“ einfiel. Das war die übliche Bezeichnung für einen gutgekleideten jungen Mann, der die ganze Nacht tanzte und trank, statt sich der harten Arbeit in irgendeiner Werkzeugmaschinenfabrik zu widmen.

Während Aksjonow, ein regierungskritischer Schriftsteller, der fast 20 Jahre in der Emigration verbracht hatte, selbst ein Aushängeschild des Playboys hätte werden können, so hatten die Bewunderer der Zeitschrift ganz vielfältige Biografien.

Der bekannte Physiker Pjotr Kapiza hatte den Playboy ebenfalls abonniert. Laut den Berichten der sowjetischen Geheimpolizei KGB wurden die Zeitschriftenausgaben, die ursprünglich an einen Freund Kapizas in den Staaten gingen, von den Behörden beschlagnahmt, als dieser versucht hatte, sie Kapiza zusammen mit einem Bündel wissenschaftlicher Publikationen zuzuschicken.

Wirklich akzeptabel wurde der Playboy erst während Michail Gorbatschows Amtszeit, woraufhin der Schachmeister Garri Kasparow zum ersten sowjetischen Bürger wurde, der 1990 dem Playboy ein Interview gab. Dennoch bekam ein ausländischer Reporter, der den Sprecher des sowjetischen Außenministeriums, Gennadi Gerassimow, nach dem Inhalt des Interviews fragte, nicht viel heraus.

„Die Playboy-Zeitschrift begann den sowjetischen Autoren immer besser zu gefallen“, sagte Gerassimow, ohne ins Detail über die kritischen Interviews zu gehen.

Ein Jahr vor Kasparows offenem Playboy-Interview erschien eine andere Sowjetbürgerin auf dem Titelblatt der Zeitschrift. Es handelte sich dabei um Natalja Negoda, ein Star der Perestrojka-Filmära. Im Film “Kleine Vera”, der Geschichte eines jungen Teenagermädchens, das in einer abgelegenen russischen Stadt Schwierigkeiten mit ihren groben Eltern hat, verkörperte sie die Hauptrolle.

Nur für Russen

Das geliebte Kind Hugh Hefners kam schließlich 1995 nach Russland, zu spät, um die Russen zu amüsieren, die zu diesem Zeitpunkt bereits mit den verbotenen Früchten der westlichen Kultur vertraut waren.

Rem Petrow, der ehemalige Chefredakteur der russischen Playboy-Ausgabe, betonte aber, dass das Hochglanzmagazin immer noch mehr als bloß nackte Körper beinhaltete: „Die russische Ausgabe des Playboys konnte genau das liefern, was sein US-Elternteil mit seinem Leitsatz versprach: Unterhaltung für Männer. Intelligent geschrieben, gut aufgebaut und illustriert, läutete es ein neues Zeitalter für westliche Männermagazine in Russland ein. „Men's Health“, „GQ“, „Esquire“ – sie alle wurden später veröffentlicht; der Playboy war ganz klar ein Pionier in dieser Hinsicht“, erklärte er Russia Beyond.

Der Dichter und Literaturkritiker Wladislaw Wasjuchin erzählte Russia Beyond wiederum, dass der Playboy für das russische Publikum „eher eine Anekdote als eine Zeitschrift war. Es war so etwas wie ein Klischee, „im Playboy aufzutauchen“.“ Wasjuchin sagte, dass er es während jener Zeit vorgezogen habe, die russischen Wochenzeitschriften „Ogonjok“ und „Nowy Mir“ statt des Playboys zu lesen.

Ironischerweise bezeichneten einige Playboy-Leser die russische Ausgabe als “Nowy Mir mit sexuellem Inhalt”, da der erste Herausgeber der Zeitschrift, der Musikkritiker Artemij Troizkij, dafür bekannt war, Qualitätsjournalismus und Kurzgeschichten berühmter russischer Schriftsteller zu publizieren.

In einem Interview mit dem “Republic magazine” im Jahr 2010 gestand Troizkij jedoch, dass, obwohl er sich immer für den Qualitätsjournalismus im russischen Playboy einsetzte, er sich gegen die von Hefner festgelegten Playmate-Normen gewehrt habe. „Ich denke, dass es eine Schande war, Frauen mit Silikonbrüsten für den Playboy zu fotografieren. Es war eine Ein-Mann-Politik, die Hugh Hefner in diesem Fall betrieb, und ich habe mich ihr widersetzt, so gut ich konnte. Es war schwer, gegen Pamela Anderson vorzugehen “, sagte er.

Gleichwohl erschien unter Troizkijs Leitung eine junge blonde Journalismus-Studentin, Dana Borisowa, im Playboy. Die Tochter eines Polizisten aus Norilsk, Westsibirien, und einer Hausfrau, wirkte wie ein typisches Playmate Hefners, jedoch ganz ohne Silikon.

Der Playboy gab Borisowa den von ihr erträumten Karriereschub: „Du wirst in deinen Hausschuhen mit deiner Frau auf einem stinkenden Sofa sitzen, während ich bereits ein Star bin“, schrieb sie ein Jahr vor ihrem Playboy-Shooting wütend an ihren Freund aus der Universitätszeit. Möglicherweise hätte das Hugh Hefner gefallen.

>>>Ein Blick zurück: Wie der russische Playboy zu Hugh Hefners Zeiten aussah