Moskau führt regelmäßig die Rangliste der Städte mit der höchsten Verkehrsbelastung an. Mit breiten Alleen und zahlreichen Überführungen war Moskau ursprünglich autofreundlich angelegt, doch die Stadt ist inzwischen an ihre Grenzen gelangt. Die Verkehrswege müssten nun wieder mehr auf Fußgänger ausgelegt werden. Doch kann es überhaupt gelingen, die Moskowiter wieder für die Fahrt mit Bus und Bahn zu begeistern?
Warum steht Moskau ständig im Stau?
In Moskau setzte Mitte der neunziger Jahre ein wahrer Auto-Boom ein und sehr schnell kam es auch zum Verkehrskollaps, sagt Pavel Sjusin, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Verkehrsökonomie und Verkehrspolitik der Moskauer Hochschule für Wirtschaft. Wissenschaftler der INRIX Global Traffic Scorecard haben kürzlich herausgefunden (eng), dass jeder Moskowiter durchschnittlich 210 Stunden pro Jahr im Stau steht. Das sind zwar zwölf Prozent weniger als im Vorjahr, doch liegt Moskau damit noch immer an erster Stelle. „In der Sowjetzeit wurden Städte auf der Grundlage von 150 Autos pro 1 000 Einwohner geplant, doch inzwischen kommen 300 Autos auf 1 000 Einwohner, etwa ein Auto pro Familie. Das ist vergleichbar mit Städten wie Singapur oder Seoul. Dort reicht der Platz ebenfalls nicht für die große Menge an PKW”, so Sjusin.
Er berichtet, dass anfänglich noch Durchgangsstraßen durch Wohngebiete gebaut wurden, um den Autofahrern entgegenzukommen. Mittlerweile liegt der Fokus auf dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Sein Image soll verbessert werden, damit mehr Privatleute zukünftig auf das Auto verzichten. Das Autofahren zu privaten Zwecken wird immer teurer in der Stadt. Diese Kampagne begann im Jahr 2013 mit der Einrichtung der ersten gebührenpflichtigen Parkplätze im Stadtzentrum der russischen Hauptstadt. Das löste zwar eine Protestwelle aus, doch es war nur der Anfang. Inzwischen ist das Parken auch in Wohnvierteln der Vororte nicht mehr kostenlos. Die Gebühren steigen kontinuierlich. Im Zentrum werden dabei schon einmal 380 Rubel (etwa 5,50 Euro) pro Stunde fällig. Parken in den Vororten ist mit rund 40 Rubel (etwa 50 Cent) pro Stunde günstiger. Eine Höchstparkdauer gibt es nicht. Lediglich am Wochenende sind einige Stellplätze kostenlos, jedoch nicht überall. Es hat deutliche Bußgelderhöhungen gegeben. 1 500 Rubel (etwa 21 Euro) kostet es zum Beispiel, widerrechtlich eine Busspur zu befahren, 5 000 Rubel (etwa 70 Euro) fallen für Falschparken an. Immer mehr Straßen in der Innenstadt werden in Fußgängerzonen umgewandelt oder Gehwege durch die Verengung der Fahrspuren verbreitert. Aktuell ist eine Maut zur Einfahrt in die Innenstadt in der Diskussion. Experten betrachten diese Maßnahme jedoch noch als zu extremen Schritt.
Alternative Metro
Roman Gridnew, ein bekannter Blogger zu Verkehrsthemen, fährt bereits seit zehn Jahren nicht mehr mit dem Auto in die Stadt. „Früher war es praktisch, da die Anbindung der Arbeitsstelle mit dem Nahverkehr sehr schlecht war”, erzählt er. Doch mittlerweile kommt er zu seinem neuen Arbeitsort problemlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Arbeitsweg wurde nicht nur schneller, sondern sogar günstiger. „Zudem weiß man bei der Fahrt mit den Öffentlichen immer, wann man sein Ziel erreicht”, meint Roman Gridnew. Im Moskauer Nahverkehr muss auch niemand auf WLAN verzichten, es gibt unbegrenzten und kostenlosen Zugang. So kann man schon während der Fahrt arbeiten und etwa E-Mails beantworten. Die Metro ist der naheliegendste Ausweg aus dem überirdischen Verkehrschaos. Die Moskauer U-Bahn verkehrt im Abstand von zwei bis drei Minuten und wird ständig erweitert. Demnächst wird es eine zweite Ringlinie und eine Linie Richtung Neu-Moskau geben. Die Metro hat aber nicht nur WLAN zu bieten, sondern auch fast museal anmutende Stationen, Themenzüge und Bildschirme, auf denen die neuesten Nachrichten und nützliche Hinweise zu lesen sind.
Neu sind für Moskau auch die eigens eingerichteten Busspuren. Konventionelle Fahrzeuge werden durch solche mit Elektroantrieb ersetzt, die weniger umweltbelastend sind. Die Haltestellen wurden in den letzten Jahren kontinuierlich modernisiert. Dort können Sie ihr Telefon aufladen, im Internet surfen und erfahren, wann ihr öffentliches Verkehrsmittel auf die Minute genau ankommen wird.
Doch längst nicht alle Moskowiter sind bereit, auf das eigene Auto zu verzichten. Maria Aschnina etwa sagt, dass sie hart arbeite, um ihren Lebensstandard halten zu können. Sie fühlt sich von den Betreibern des öffentlichen Nahverkehrs unter Druck gesetzt. „Ich werde mein Auto nicht aufgeben”, gibt sie sich kämpferisch. „Wenn ich dafür künftig noch mehr bezahlen muss, werde ich das eben tun”, erklärt sie.