Mehr als Gangster und KGB-Killer: Britischer Schauspieler kämpft gegen Russland-Klischees

Aus dem persönlichen Archiv
Der britische Schauspieler Andrew Byron spielte in seinen Filmen oft russische Bösewichte wie Gangster und KGB-Killer. Jetzt möchte er die guten Seiten der Russen zeigen.

Als Andrew Byron neulich in den Pub seiner südenglischen Heimatstadt kam, bemerkte er sofort eine Veränderung. Inzwischen waren in dem Pub nicht mehr nur Briten, sondern auch Migranten aus aller Herren Länder.  

Zudem fiel Byron, der fließend Russisch spricht, auf, dass unter all den Einwanderern kein einziger Russe war. Er fragte sich, wo Russen wohl arbeiten würden und wie sie mit den Engländern klarkommen würden. So entstand die Idee, ein Theaterstück über einen in Großbritannien lebenden Russen zu schreiben. Im Gegensatz zu den Russen, die Byron in seinen Filmen spielt (laut Internet Movie Database IMDB spielte er in 29 von 40 Filmen einen Russen), ist dieser ein ganz normaler Typ – kein Gangster oder Mafiaboss.

Innokentij, so sein Name, verlässt sein tristes Leben in Russland und kommt nach England, um dort Schauspieler zu werden. Probleme bereiten ihm vor allem die vielen Akzente der englischen Sprache: Yorkshire, Australisch, Amerikanisch…

Andrew spielt sämtliche Rollen selbst und wechselt zwischen den Charakteren. Dabei kommt ihm seine Fähigkeit, Stimmen und Akzente zu imitieren, zugute.

Das Stück heißt “The Good Russian“ (zu Deutsch „Der gute Russe“) und wurde Anfang Mai in London uraufgeführt. Andrew hofft, so das Russlandbild der Briten zu verbessern. Bisher kamen aber vor allem Russen in das Stück.

Wie alles begann

Wie bereits erwähnt, spricht Andrew fließend und akzentfrei Russisch. Niemand würde glauben, dass er keine russischen Vorfahren hat.

In seiner Privatschule war er einer der wenigen Schüler, die Russischunterricht nahmen. Ein wichtiger Grund dafür war sein Vater, der als Russisch-Übersetzer für die NATO arbeitete. Andrew wollte das Land und die Sprache, die das Leben seines Vaters bestimmten, ebenfalls verstehen.

Anfang der 90er-Jahre ging Andrew dann als Student auf die St. Andrew’s University. Auf dem Schwarzen Brett der Hochschule fand er die Nachricht eines jungen Russen namens Konstantin, der einen englischen Brieffreund suchte. Andrew antwortete und ein Jahr später beschlossen die Brieffreunde, sich in Moskau zu treffen. Obwohl Konstantin nicht viel Geld hatte, nahm er Andrew mit auf eine Bootsfahrt, in Museen und sogar ins Bolschoi-Theater und ermöglichte ihm so das komplette Moskauer Touristenprogramm.

Großer Erfolg eines faulen Studenten

Obwohl Andrew zugibt, dass er ein fauler Student war, wollte er die Sprache immer besser lernen. „Ich wollte mich in einem Raum voller Russen nicht mehr wie ein Ausländer fühlen,“ sagt er. In seinem dritten Jahr an der Hochschule nahm er an einem Austauschprogramm teil und ging für ein Jahr ins ukrainische Odessa. Dort lebte er bei einer Gastfamilie, bei der er seine Sprachkenntnisse weiter verfeinern konnte.

Nach seinem Abschluss ging Andrew auf die Schauspielschule School of the Science of Acting in London. Zwischendurch reiste er regelmäßig nach Russland, um dort an Theaterfestivals teilzunehmen. Seine Leidenschaft für das Land führte dazu, dass er auch im Film oft Russen spielte. Oft waren es Bösewichte.

Woher kommen die Klischees?

Andrew glaubt, dass die Klischees ein Überbleibsel aus dem Kalten Krieg sind. „Damals war die Sowjetunion der Hauptfeind. Und sie waren gut darin. Der KGB war in vielerlei Hinsicht ‚erfolgreicher‘ als FBI und MI5. Aber natürlich sind nicht alle Russen KGB-Spione und -Killer.“ In den 90er-Jahren kam zu den Sowjetklischees noch der Aufstieg der russischen Mafia dazu und prägte das Bild vom Land.

„Drehbuchautoren müssen Spannung erzeugen. Der Zuschauer muss das Gefühl haben, dass der Held in Gefahr ist,“ erklärt Andrew. „Natürlich gibt es überall böse Menschen, aber vermutlich würde ein böser Niederländer oder ein Schwede einfach weniger bedrohlich wirken.“

Russland veränderte Andrews Leben

„Die Russen haben mir beigebracht, großzügiger zu sein. Zum Beispiel schenkt man dem Gastgeber, wenn man irgendwo eingeladen ist, immer eine Kleinigkeit. Engländer machen das zwar auch, aber nicht in dem Ausmaß. Der Wert von Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit spiegelt sich auch in meinem Theaterstück wieder,“ meint Andrew.  

Auch seine Persönlichkeit verändert sich, wenn er die Fremdsprache spricht. „Wenn ich Englisch spreche bin ich eher schüchtern. ‘Andrei’, wie ich im Russischen heiße, ist dagegen extrovertierter und mutiger,“ erzählt er.

Er vergleicht die Mentalität mit dem Wetter. „In England wird es weder sehr heiß noch sehr kalt. Briten sind immer irgendwo in der Mitte, auch von der Mentalität her. Russland ist dagegen ein Land der Extreme, sowohl im Hinblick auf das Klima, als auch im Hinblick auf Landschaft und Geschichte. Es gab in der russischen Geschichte auf der einen Seite immer Härte, Armut und Brutalität. Auf der anderen Seite gab es aber immer auch Großzügigkeit und Aufopferung, zum Beispiel im Zweiten Weltkrieg während der Belagerung Leningrads. Generell konnten die Menschen die Zeit der Sowjetherrschaft nur überleben, weil sie sich gegenseitig geholfen haben.“

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