Bitte, Hollywood: Hört auf, Film-Russen beim Anstoßen „Na sdorowje“ sagen zu lassen. Es ist nicht viel verlangt, auch, wenn ich zugeben muss, euch keine Alternative vorschlagen zu können. Ich kann zwar in 20 Sprachen Prost sagen, aber nicht in meiner Muttersprache. Ein Wort, wie das deutsche „Prost“, das englische „Cheers“ oder das skandinavische „Skaal“ gibt es im Russischen nämlich gar nicht.
Warum das so ist, kann ich ebenfalls nur vermuten. Vermutlich finden wir einfach zu viele Anlässe zum Trinken, um sie alle mit demselben Trinkspruch zu würdigen. Was man genau sagt, hängt daher massiv davon ab, mit wem man gerade trinkt. Außerdem ist Russland ein riesiges, dünn besiedeltes Land. Einen einheitlichen Trinkspruch bis in die hinterletzte Ecke Sibiriens zu bringen, würde schon logistisch schwierig werden. Ganz zu schweigen von der Frage, ob die Einführung eines solchen Wortes nicht schon am sturen Individualismus vieler Russen scheitern würde.
Aber zurück auf Anfang: Natürlich gibt es das Wort na sdorowje im Russischen und ja, es heißt übersetzt in etwa „auf die Gesundheit“, ganz ähnlich wie das französische Santé oder das spanische Salud. Aber man verwendet es nicht, um sich zuzuprosten, sondern eher als Erwiderung auf ein Danke, ähnlich wie „Gern geschehen“ oder „Kein Ding“ im Deutschen. Außerdem verwendet man es hauptsächlich innerhalb der Familie und unter engen Freunden. Fremde und lose Bekannte sagen eher selten na sdorowje und benutzen eher Phrasen wie „nesaschto“ („Kein Ding“) oder „poschalujsta“ („bitteschön“ oder „immer doch“).
Irgendwann entschied aber irgendjemand das Wort na sdorowje in unendlich vielen verschiedenen Schreibweisen mit der russischen Trinkkultur zu verbinden. Vermutlich hat derjenige auf einem formellen Dinner gehört, wie jemand „wasche sdorowje“ („auf Ihre Gesundheit“) gesagt hat und das dann zu na sdorowje verkürzt. Tatsächlich hat vermutlich seit mindestens vierzig Jahren kein echter Russe mehr „wasche sdorowje“ gesagt. Nicht einmal auf offiziellen Empfängen im Kreml.
Die Phrase „wasche sdorowje“ klingt nämlich inzwischen so überzogen höflich, dass es fast schon peinlich klingt. Insbesondere russische Frauen sind den Versuch, sie anzusprechen, in dem man sich verhält wie ein Gentleman aus dem 19. Jahrhundert, inzwischen leid. Es wirkt gewollt, aber nicht gekonnt, ähnlich wie jemand, der beim Champagner- oder Teetrinken den kleinen Finger nach außen hält, um fein zu wirken. Also kurz gesagt: nicht „wasche sdorowje” sagen.
Stattdessen schauen Sie sich am besten einfach bei russischen Bekannten ab, was diese sagen, und benutzen das. Normalerweise murmelt man entweder „Nu schto? Dawajte!” („Gut? Dann lasst uns das hinter uns bringen!”) oder „Pojechali“ („Auf geht’s!“). Viele erfinden auch spontan einen humorigen Trinkspruch mit persönlichem Bezug zu den Mittrinkenden. Alles ist besser als na sdorowje.
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