Der erste Tipp, den ich zum Trinken mit Russen erhielt, kam von einem Franzosen. Er sagte: „Russen essen immer etwas während sie trinken. Und sie trinken ihren Wodka eiskalt. Deswegen vertragen sie auch mehr Alkohol.”
Einmal erzählte mir ein russischer Freund eine Legende: „988 nach Christus, kurz bevor Russland zum Christentum übertrat, kamen Vertreter der verschiedenen Weltreligionen nach Russland, um Fürst Wladimir ihren Glauben nahezubringen. Als der Vertreter des Islams Wladimir erzählte, dass Alkohol im Islam verboten sei, schickte der Fürst ihn sofort wieder nach Hause und sagte: „Trinken ist die Freude der Russen.“
„Ist das wahr?“ fragte ich.
„Es war wahr. Es ist wahr. Es wird immer wahr sein“, antwortete er.
Auch in Russland ist Wodka nicht mehr das Maß aller Dinge. Die meisten Russen, die ich kenne, trinken Whiskey, Brandy, Bier oder Wein. Wenn es trotzdem Wodka gibt, herrscht eine Regel vor: Immer mit einem Schluck austrinken.
Wodka ist nicht zum Nippen gedacht, sondern als Shot. Wer also keine Wodka-Shots möchte, sagt besser direkt nein, bevor er an seinem Glas nippt. Ich habe schon Russen gesehen, die sichtlich genervt waren, wenn Ausländer das tun.
Einmal beobachtete ich, wie ein Amerikaner an seinem Wodkaglas nippte. Schnell sprach ihn ein Russe an und sagte: „Warum nippst du an einem Wodkaglas? Wodka schmeckt fürchterlich. Der einzige Zweck ist es, möglichst schnell betrunken zu werden.“
Immer, wenn ich mit russischen Bekannten einkaufen gehe und nach einer Flasche mit russischem Bier oder Wein greife, höre ich umgehend, wie meine russische Begleitung lautstark protestiert. „Nein, nein!”, “Warum?” frage ich dann. Die Antwort: „Es ist russisch.”
Wenn man sich lange genug kennt, werden Russen versuchen, einem Tschekuschka anzudrehen. Das sind etwa einen Euro teure, kleine Flaschen Wodka, die in der Regel an der Kasse von Getränkemärkten verkauft werden und absolut widerlich schmecken. Wenn Sie diese Erfahrung vermeiden wollen (und das wollen Sie, glauben Sie mir), sagen Sie also besser: „Nein, ich habe es schon probiert.“
Obwohl unsere Welt immer mehr zusammenwächst, weiß außerhalb Russlands scheinbar noch niemand, dass kaum ein Russe „Na Sdorowje!“ sagt. Wer in Russland bei jedem Zuprosten “Na Sdorowje!” ruft, wird eher als Trottel angesehen denn als Weltbürger.
Stattdessen bevorzugen die Russen lange Trinksprüche. Auf festlichen Anlässen können diese durchaus auch fünf Minuten lang sein. Bereiten Sie sich also darauf vor, einen längeren Toast sprechen zu müssen.
In Amerika wird es zunehmend üblich, den ganzen Tag am Smartphone zu hängen. Selbst in Bars oder auf Partys beobachte ich, wie Menschen Seite an Seite sitzen und nur auf ihren Facebook-Feed gucken. In Russland ist dies noch etwas weniger verbreitet. Trinken ist eine soziale Veranstaltung und das Starren auf den Bildschirm gilt als unhöflich.
Das ist es vermutlich auch in den USA, aber nur die wenigsten Amerikaner würden einen darauf ansprechen. Russen tun dies.
In Russland gibt es nur ein Trinkspiel. „Do dna!“ – zu Deutsch: „Runter damit!”. Das einzige Mal, als mich ein Russe während des Trinkens fragte, ob ich ein Spiel spielen wollte, fragte er: „Willst du Schach spielen?“
Ich sagte: „Nein, wieso sollte ich Schach spielen wollten.“
Er murmelte irgendetwas und zog dann ab, um alleine Schach zu spielen.
Behalten Sie ihr Smartphone in der Hosentasche, seien Sie nicht schüchtern und seien Sie darauf vorbereitet, einen Wodka auf Ex zu trinken. Oder zwei. Oder sechs. Oder zwanzig.
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