Wie werden die Häuser in Russland geheizt?

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Der am längsten ersehnte Tag für Russen: Der Tag, an dem die Heizsaison beginnt.

Jeden Herbst startet in den russischen sozialen Netzwerken eine spontane Aktion: Alle beginnen unabhängig voneinander Bilder von Katzen auf Heizkörpern auszutauschen. Diese Bilder sind so beliebt, dass Katzen auf Heizkörpern bereits Denkmäler errichtet wurden, zum Beispiel in Perm.

So versuchen Millionen von Russen, die Wärme in ihre Wohnungen zu holen. Wozu dieser Aufwand, wo man doch, wie es scheint, einfach nur das Ventil am Heizkörper aufdrehen muss? Aber so trivial ist es nicht, den die Heizkultur in Russland unterscheidet sich deutlich von unserer.

Make Russia warm again

In russischen Städten werden die meisten Gebäude mithilfe eines Fernwärmesystems beheizt. Die Temperatur dieses Wassers liegt in der Verantwortung des örtlichen Heizwerks oder Blockheizkraftwerks, das das Wohnviertel oder den gesamten Wohnbezirk versorgt. Die Heizsaison wird eröffnet, wenn die durchschnittliche Tagestemperatur im Freien fünf Tage lang unter acht Grad Celsius lag.

Die Heizsaison im europäischen Teil Russlands dauert in der Regel von Oktober bis Mai, aber oft kommt es bereits früher zu einem Kälteeinbruch und die Wohnungen werden noch nicht mit Fernwärme versorgt. So schneite es beispielsweise bereits im September 2019 im Ural und in der Wolgaregion.

In Moskau ist in diesem Jahr die Temperatur bereits am 19. September auf +5 °C gefallen und viele Bewohner der Hauptstadt warteten darauf, dass ihre Heizkörper warm werden. Julia Petuschkowa lebt in der Gegend von Beljajewo im Westen der Stadt und friert auch: „Auf Arbeit ist es kalt, draußen ist es kalt, zu Hause ist es kalt. Wir kommen aus der Kälte und gehen durch die Kälte wieder in die Kälte. Am 25. September wurde Heißwasser in die Häuser gepumpt, aber die Wohnung ist immer noch kalt, obwohl nun nur noch zwei Decken zum Schlafen und nicht mehr drei benötigt werden.“

„Was denn nun? Wurde die Heizung eingeschaltet?“

Daria Sokolowa aus Zarizyno, im Süden Moskaus, hatte allerdings weniger Glück: Am 24. September wurde für ihr Haus offiziell die Heizsaison eröffnet, aber nicht in allen Wohnungen. „Das Wasser gelangte nicht bis zu meiner Steigleitung. Es ist eine Schande, denn uns wurde es versprochen“, sagt sie.

„Komm, ich zeige dir den Raum zum Chillen“

Leute, öffnet das Fenster!

Aber das ist noch nicht alles. Wie Sie sicher wissen, ändert sich die Temperatur in Russland manchmal schlagartig, und der Frost von gestern kann einer unerwarteten Erwärmung weichen. Aber zu Hause ist es warm, weil die Heizsaison bereits begonnen hat. Die Wassertemperatur in den Heizkörpern wird zentral in den Heizwerken geregelt und kann nicht selbstständig reduziert oder erhöht werden.

Und wenn in russischen Häusern geheizt wird, dann geschieht das von ganzem Herzen. In Großstädten wird beispielsweise die notwendige Wassertemperatur in Abhängigkeit von den Außentemperaturen berechnet. In kleinen Kesselhäusern geschieht dies manuell. Auf jeden Fall darf die Wohnung während der Heizperiode lau dem Landesstandard nicht unter 18 Grad Celsius und im Badezimmer nicht unter 25 Grad liegen. Für die Wohnräume beträgt Obergrenze 24 Grad.

„Das Gefühl, wenn dein Haus als erstes mit Wärme versorgt wird“

Deshalb tragen viele Russen im Winter zu Hause T-Shirts und schließen ihre Fenster nicht. Das hat natürlich seine Vorteile, denn die Wohnung ist immer gut durchlüftet.

Dennoch gibt es in Russland auch Gebäude mit autonomer Heizung, und das nicht nur im privaten Bereich. Einige neue Wohnanlagen verfügen über eigene Kesselhäuser, die die Wärme viel schneller abgeben, und bei denen die Temperatur geregelt werden kann.

Wie viel zahlen die Russen für Wärme?

Es wäre logisch anzunehmen, dass für die Heizung nur im Winter bezahlt wird, aber dem ist nicht so. Die Russen zahlen das ganze Jahr eine Heizkostenpauschale, aber die realen Kosten variieren je nach Temperatur und Region. Zum Beispiel zahlen die Bewohner des kalten Kamtschatka Heizkosten in Höhe von 7.000 Rubel (100 €) pro Monat für ihre Wohnungen im Winter, während sie in Nordossetien im Süden des Landes nur 3.000 Rubel (40 €) zahlen.

Im Sommer werden die Wohnungen auch teilweise beheizt, aber nur im Bad. Dennoch werden jeden Monat 500 – 1.000 Rubel (8 – 16 €) dafür in Rechnung gestellt. Die Kosten werden in der Regel für das ganze Haus oder individuell berechnet, wenn die Wohnung über einen Zähler verfügt (der in Russland jedoch nicht vorgeschrieben ist).

Wer hat sich das überhaupt ausgedacht? 

Heißwasserheizkörper gibt es in Russland bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Erfindung ist dem Industriellen mit preußischen Wurzeln Franz San-Galli zu verdanken. Die in seinem Werk in St. Petersburg hergestellten Heizkörper wurden in die ganze Welt exportiert.

Obwohl die meisten Häuser noch mit Holzöfen beheizt wurden, gab es 1917 in russischen Großstädten einige Gebäude mit einer Wasserheizung. Erst in der Sowjetzeit, 1924, wurden die Häuser mit Zentralheizung und Elektrifizierung ausgestattet. Und als dann in den Sechzigerjahren massenhaft Wohnhäuser, die so genannten „Chruschtschowkas“ gebaut wurden, vergaßen die Russen die Kälte im Winter fast gänzlich.

In den Achtzigerjahren dachten sowjetische Ingenieure übrigens darüber nach, Häuser mit Kernenergie zu heizen, aber nach dem Tschernobyl-Unglück wurden diese Projekte eingestellt. Heute verwenden russische Heizkraftwerke Gas als Brennstoff.

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