Nathan aus Großbritannien: Wie Russen mein Leben veränderten

Aus dem persönlichen Archiv
Ich war schon oft in Russland. Bislang habe ich 14 Städte besucht. Inspiriert von meinen Studien der russischen und sowjetischen Geschichte, habe ich eine leidenschaftliche Neugier entwickelt, die russische Seele zu erforschen und herauszufinden, was das Land aus seiner Geschichte gelernt hat. Durch meine Reisen habe ich auch viel über mich selbst erfahren.

Neugier, aber keine Angst 

Ich erinnere mich, wie ich damals meinem Vater erzählte, dass ich im April 2012 nach Irkutsk und Ulan-Ude reisen wolle. „Bist Du verrückt?”, fragte er. Vielleicht war diese Reaktion sowohl auf die Entfernung (über 9 600 Kilometer) als auch über Unwissen meines Vaters zu Russland zurückzuführen. 

Auch ich war ein unerfahrener Reisender, der keine Ahnung hatte, was ihn erwarten würde. Inzwischen ist es für mich kein Problem mehr, mit dem Bus in ein abgelegenes Dorf zu fahren oder irgendwo in der Taiga unterwegs zu sein. Ich habe keine Angst. Ich bin bloß neugierig.  

Örtliche Kultur ist sehr präsent 

Die Werke von Tolstoi, Dostojewski, Puschkin und Pelewin inspirierten mich, Russland zu entdecken und mir vorzustellen, wie es dort im 19. Jahrhundert und später in der Sowjetunion gewesen sein muss. Mein Studium der sowjetischen Geschichte führte dazu, dass ich genauer wissen wollte, welche Bedeutung das sowjetische Erbe für das heutige Russland hat.  

Je weiter ich nach Osten gereist bin, desto mehr Distanz hatten die Menschen zu dem, was sie als „Zentrum des Universums betrachten, nämlich Moskau. In den ländlichen Gemeinden Sibiriens herrscht die Ansicht vor, dass das Leben zu Sowjetzeiten besser war. Die örtliche Kultur ist dort noch sehr präsent. 

>>> Warum Moskau und Sankt Petersburg nicht „wirklich“ russisch sind

Geduldiger Zuhörer  

Vor meiner ersten Russlandreise im Jahr 2012 konnte ich noch nicht fließend Russisch sprechen. Sich mit den Einheimischen in ihrer Landessprache unterhalten zu können, ist für mich das Schönste auf meinen Reisen. Ich bin dadurch auch ein geduldigerer Zuhörer geworden. 

Wenn es in Großbritannien nicht so läuft oder Sie etwas nicht verstehen, müssen Sie mit einer ärgerlichen Reaktion rechnen. Das ist hier anders. Die Menschen haben echtes Interesse an Ihnen. Sie sehen Fehler nicht so kritisch. Sie sind von Natur aus phlegmatisch und belastbarer. Ich übe mich so oft wie möglich mit Einheimischen im Russischsprechen.

Auf meinen Reisen, vor allem außerhalb Moskaus und St. Petersburgs, erkennen die Menschen instinktiv, dass ich kein Russe bin. Ich darf also immer auch Fehler machen und habe daher auch viel Verständnis für andere entwickelt. 

Jede Region ist ein Mikrokosmos 

Die russische Kultur basiert auf tief verwurzelten spirituellen, familiären und gemeinschaftlichen Werten, die von harter Arbeit, Einfallsreichtum, Pragmatismus und Belastbarkeit geprägt wurden. Das zeigt sich auch in der Architektur, den Menschen, der Kunst und der Geschichte.

Oft werde ich gefragt: Ist das die russische Kultur auf den Punkt gebracht? Nein, ist es nicht. Jede Region und Stadt ist ein Mikrokosmos mit einer ganz eigenen Kultur.  

Zum Beispiel ist Kasan - vielleicht einer meiner weltweiten Lieblingsorte - aus meiner Sicht ein spirituelles und junges Zentrum für Bildung, Wissen und neue Ideen, in dem Christentum und Islam in nahezu perfekter Ausgewogenheit zusammenleben.

Moskau könnte ein ganzes Land für sich sein, während Blagoweschtschensk, Belgorod und Samara das typisch sowjetische Erscheinungsbild bewahrt haben und erst noch behutsam ins 21. Jahrhundert vordringen. Ulan-Ude und Chabarowsk hingegen pflegen den fernöstlichen Einfluss (mongolisch und chinesisch). Das sorgt für eine bunte Atmosphäre und eine freundliche Gesellschaft. 

Der größte Gewinn  

Auf jeder meiner Russlandreisen durfte ich neue und wundervolle Menschen kennenlernen, von Freunden, die ich an der Universität gewonnen habe, bis zu den Mitarbeitern meines  Lieblingscafés in Chabarowsk. Ich halte mit ihnen noch immer Kontakt.  

Dies ist wahrscheinlich der größte Gewinn in meinem Leben durch meine Besuche in  Russland. Nach fünf Reisen, fünf Jahren und 14 Städten bin ich einfühlsamer, gelassener und offener und ein sehr guter Zuhörer geworden.

Es macht mir Freude, von anderen die Besonderheiten einer Stadt gezeigt zu bekommen. Allein zu reisen ist sehr gut, um das Selbstvertrauen zu stärken und den eigenen Horizont zu erweitern. Doch russische Freunde und ihre russische Perspektive verstärken diese Erfahrungen noch. 

Freundschaften mit Russen haben mich viel über Aufrichtigkeit, echte Gefühle, Akzeptanz und Toleranz gelehrt. Ich muss noch viel mehr lernen. Ich bin sehr dankbar für all diese Erfahrungen. Es hat mich als Mensch, aber auch als Tutor und Trainer weitergebracht. 

Ich möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die meine Reisen nach Russland so unvergesslich gemacht haben. Ich freue mich darauf, in nicht allzu ferner Zukunft wiederzukommen.

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