Kindheit in Balaschicha: Warum eine Farm in Australien nach einem Moskauer Vorort benannt ist

Wlad Balaschow
In der Sowjetzeit war Balaschicha ein düsterer Vorort von Moskau, der kaum als schöner Ort zum Leben bezeichnet werden konnte. Ein Russe beschloss, sich in Australien ein Balaschicha zu bauen, in dem man gerne leben will.

Ein Hochhaus neben dem anderen, neugierige Babuschkas vor der Haustür - eine Art russisches Überwachungssystem der damaligen Zeit - und mit sowjetischen Autos vollgeparkte Höfe. Das war der Moskauer Vorort Balaschicha in den 1970er und 1980er Jahren. Hier ist Wlad Balaschow aufgewachsen. 1991 verließ er die Sowjetunion, während er an der Akademie der Wissenschaften arbeitete.

Der junge Wissenschaftler zog nach Sydney, Australien. Jetzt, in seinen 60ern, leitet er eine Reisegesellschaft und lebt auf seiner eigenen idyllischen Farm in den Blue Mountains, umgeben von Kängurus, Wombats, Kakadus und Kookaburras (Jägerlieste, ein Vogel). Er nannte diesen Ort „Balaschicha, zu Ehren seiner Heimatstadt, aber hier hat er alles, was er in der Jugend nicht hatte.

Am richtigen Ort angekommen 

„Ich habe an der Universität angewandte Astronautik studiert, bin aber nicht so weit von der Erde weggekommen und dennoch genau am richtigen Ort gelandet und es war großartig“, scherzt Wlad. 

In den ersten zehn Jahren arbeitete er im australischen Umweltministerium und beschloss dann, eine Reisegesellschaft namens „Australia Safari“ zu gründen.

„Die meisten unserer Gäste kommen aus Russland“, erklärt Wlad. „Wir bringen sie tief in den australischen Kontinent und zeigen ihnen auch die erstaunliche Natur Neuseelands und Ozeaniens.“ 

Die beliebtesten Touren beginnen oder enden auf seiner Farm unweit des Blue Mountains National Park (170 km von Sydney entfernt), wohin er und seine Frau vor fast zehn Jahren gezogen sind.  

„Unsere Kinder sind erwachsen und haben unser Familienhaus in Sydney verlassen. Wir wollten den Lärm der Stadt hinter uns lassen. Deshalb haben wir uns entschlossen, uns in die Natur zurückzuziehen. Fünf Jahre haben wir nach dem perfekten Ort gesucht und schließlich wurden wir fündig.“ 

Nach lokaler Tradition muss die Farm neben einer Adresse einen Namen haben. Wlad nannte sie „Balaschicha“.  

„In Australien ist jeder Dritte ein Einwanderer, und es gibt Bauernhöfe nicht nur mit englischen Namen, sondern auch mit deutschen, französischen, afrikanischen - und jetzt auch mit russischem Namen!“ 

Den Namen passten sie in Englisch für die Australier ein wenig an, damit diese ihn leichter aussprechen konnten. 

Das umweltfreundlichste Fahrzeug 

Einmal kaufte Wlad zwei sowjetische Niwas: einen roten mit dem Spitznamen „Boris“ und einen weißen mit dem Namen „Käfer“ - nur zum Spaß. „Wir haben dieses Auto ‚Boris‘ genannt, weil es kaputt gegangen ist, nachdem der russische Präsident Boris Jelzin zurückgetreten war“, erzählt Wlad. Der „Käfer“ war sehr stark und konnte sogar Holz und andere Schwerlasten transportieren.

Bei beiden Autos handelt es sich um Modifikationen des Rechtslenkers aus den 1980er Jahren, die für den Export nach Großbritannien und Australien hergestellt wurden. Solche Offroader waren bei einheimischen Farmern sehr beliebt, weil sie billig und leicht zu warten waren.

„In Australien gibt es viele Niwa-Witze. Zum Beispiel: Warum ist die Heckscheibe des Niwa beheizbar? Damit Ihre Hände beim Schieben nicht einfrieren“, lacht Wlad. „Oder diesen: Sie sagen, dass der Niwa das umweltfreundlichste Auto ist. Sobald Sie ihn abstellen, verrottet er und schadet der Umwelt nicht." 

Kürzlich überreichte ihm einer seiner Reisegäste zwei echte Verkehrszeichen der Stadt Balaschicha. „Als ich nach Russland kam, hat er mir zwei große Schilder geschenkt. Und ich trug sie über die Hälfte des Planeten. Ich wurde in der Moskauer U-Bahn, am Flughafen und beim Zoll in Sydney angehalten. Und ich musste erklären, dass dies Schilder aus dem Ort waren, an dem ich als Kind gelebt habe. Die australischen Zollbeamten haben natürlich über den Mann gelacht, der den ganzen weiten Weg über Ortsschilder aus Russland geschleppt hat.“ 

Ein Ort für Natur-Enthusiasten 

Wlad sagt, da Australien ziemlich weit von den anderen Kontinenten entfernt ist, gebe es viele Stereotypen, insbesondere über giftige Tiere überall, und er möchte damit aufräumen. Sein Hof ist offen für Gäste, die die Nähe zur Natur suchen. „Hier gibt es viele Kängurus, die man von Hand füttern kann. Hier leben auch Wombats, Eidechsen und viele verschiedene Vögel - und da wir in der Nähe des Nationalreservats sind, kommen viele Menschen, die die Natur lieben, genau wie wir. Unsere Nachbarin zum Beispiel rettet ständig Wombats von der Straße. Sogar im Fernsehen wurde über sie berichtet!“

Letztes Jahr wüteten im ganzen Land schreckliche Waldbrände, berichtet Wlad. Viele Tiere haben darunter gelitten. „Wir versuchen ihnen zu helfen. Wir pflanzen Bäume und bauen Nistkästen für die Kakadus. Ich hoffe, dass sie in der nächsten Saison wieder hierher zurückkommen.“

„Während der Waldbrände haben viele russische Medien Filme von meinem YouTube-Kanal gezeigt. Danach kontaktierten mich auch Leute von Google und sagten, sie hätten eine große Anzahl von Suchanfragen nach diesem Ort namens Balaschicha in Australien registriert!

Auch Wlads Farm war vom Feuer betroffen, aber zum Glück wurde niemand verletzt, außer der Niwa „Käfer“, der halb verbrannte. „Ich habe bereits viele Ersatzteile erhalten und hoffe, dass das Auto repariert werden kann.“

Für Wlad haben die Niwas mehr eine nostalgische Funktion. Sie erinnern ihn an die Jugend. Üblicherweise ist er in einem modernen SUV unterwegs. Manchmal reist er ins echte Balaschicha bei Moskau und besucht dort Verwandte und Freunde. Doch sein Zuhause ist das Balaschicha in Australien. 

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