Ich habe immer davon geträumt, am Meer zu leben und kreativ zu sein. Zuerst wollte ich nach Marokko gehen und dort ein Gästehaus für Surfer eröffnen, aber es stellte sich heraus, dass es in diesem Land sehr strenge muslimische Regeln und Gebräuche gibt. Dann riet mir ein Freund zu Bali.
Bali ist kein Paradies, wie es scheint, hier muss man überleben können. Für Weiße gibt es wenig Arbeit, und wenn, wird sie schlecht bezahlt. Und hier ein eigenes Unternehmen zu gründen, ist ein großes Risiko, fast wie in den Neunzigerjahren in Russland. Es gibt zwei Mafia-Clans, die die ganze Insel in Schach halten. Meine Freunde und ich haben ein kleines Café eröffnet, aber ich musste es aufgeben, weil die Mafia uns aberwitzige Bedingungen stellte: Sie erhöhte die Miete dreimal und warf uns vor, wir hätten angeblich die Stromrechnungen nicht bezahlt. Aber es war unmöglich etwas zu beweisen. Bei großen Unternehmen kann es, wie mir gesagt wurde, sogar zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen.
Und doch konnte ich hier alle meine kreativen Pläne realisieren. In den sieben Jahren meines Lebens auf Bali konnte ich als DJ auflegen, in einem Surfcamp arbeiten, ein Wasserpfeifengeschäft eröffnen und war sogar ein Art Director.
Das größte Problem ist die Sprache. Ich habe lange Zeit an einem nicht sehr touristischen Ort gelebt und nur mit den Einheimischen kommuniziert. Die ältere Generation und vor allem Menschen aus abgelegenen Dörfern sprechen kein Englisch. Ich hatte also eine starke Motivation, die Sprache zu erlernen.
Nach zwei Jahre fing ich an, Russen Indonesisch zu unterrichten, ich hatte eine Gruppe für Anfänger. Übrigens gab es in Bali in den letzten Jahren viele Russen.
Ich konnte mich lange Zeit nicht an das lokale Essen gewöhnen, ich vermisste meine russischen Lebensmittel – es gab keinen Joghurt oder richtigen Quark. Ich bekam sogar einen Job in einer Molkerei, in der es möglich war, all dies in der einen oder anderen Form zu bekommen. Übrigens ist mittlerweile alles anders – in Bali gibt es eine große Auswahl an russischen Lebensmitteln.
Ohne Religion läuft in Indonesien gar nichts. Die überwiegende Mehrheit bekennt sich zu irgendeinem Glauben – in erster Linie zum Islam und zum Katholizismus. Auf Bali kommen viele Konfessionen auf erstaunliche Weise gut miteinander aus.
Vor sechs Jahren heiratete ich einen Indonesier. Es stellte sich heraus, dass nur konfessionelle Hochzeiten gestattet sind. Das Problem ist, dass ich orthodox bin und mein Mann katholisch – man wollte uns nicht trauen, obwohl wir beide Christen sind. Ich musste mich mit dem evangelischen Priester halb legal einigen und er hat uns dann am Strand getraut. Nun aber gibt es ein anderes Problem – wir können uns seit drei Jahren nicht scheiden lassen!
Ich musste Moped fahren lernen. Der Verkehr hier ist chaotisch und die Straßen sind eng, daher ist dies das bequemste Transportmittel. Zur Entbindung fuhr ich übrigens auch mit dem Moped – das ging schneller!
Balinesen verstehen es, die einfachsten Dinge zu genießen. Selbst einem ganz normalen Tag können sie etwas Positives abgewinnen. Ich mag diese Einstellung sehr.
Die Russen sind nicht so offen wie die Balinesen, sie trauen der Welt nicht – wir haben eine völlig andere Religion und Geschichte. Wahrscheinlich gelingt es nur der postsowjetischen Generation eine freiere Lebensweise zu entwickeln.
Meine Eltern verstehen meinen Lebensstil nicht, sie glauben, dass in allem Stabilität herrschen sollte. Russland hat auch eine völlig andere Herangehensweise bei der Kindererziehung. Viele verstehen nicht, wie ich mit einem Kind auf Reisen gehen kann. Sie glauben, dass es ein Zuhause benötigt und die Schule nicht wechseln sollte. Aber jetzt ist mein Junge sechs Jahre alt, er spricht drei Sprachen, lernt Chinesisch und interessiert sich für alles Neue. Dieser Ansatz liegt mir näher!
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