Sehnsucht nach der Familie: Dieser Russe überquerte den Pazifik in einem Boot

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NIKOLAJ SCHEWTSCHENKO
Dieser Russe wagte eine abenteuerliche und gefährliche Reise, um wieder mit seiner in Neuseeland lebenden Familie vereint sein zu können.

Der Ausbruch von COVID-19 überraschte Dmitri Pelewin wie jeden anderen auch. Er befand sich gerade in Frankreich, auf einem Zwischenhalt zu einer Reise von Russland nach Neuseeland, wo seine Familie lebt. „Als die Grenzen geschlossen wurden, beschloss ich zu bleiben und auf das Ende der Pandemie in Frankreich zu warten, schreibt Dmitri in seinem Telegramkanal.

Wie sich jedoch schnell herausstellte, war das Ende der Pandemie noch lange nicht in Sicht. Der Flugverkehr war weitgehend eingestellt worden und die Grenzen vieler Länder dicht.

„Ausgangsbeschränkungen waren in Kraft, meine Flüge waren abgesagt worden. Von diesem Moment an suchte ich nach einer Möglichkeit, zu meiner Familie zurückzukehren“, erzählt Dmitri, ein erfahrener Segler

Er war entschlossen, seinen in Neuseeland bei seiner Ex-Frau lebenden Sohn zu sehen. Er entschied sich, eine einsame und gefährliche Reise anzutreten: über den Pazifik. 

Der IT-Spezialist verkaufte sein Boot, das nur für Trips in Küstengewässern geeignet war und schaute sich nach einer hochseetauglichen Yacht um.

Er wurde fündig. Die „Dufour Gib'Sea 37“ war in Martinique in der Karibik stationiert. Das 37-Fuß-Boot gehörte einer Familie russischer Reisender und Blogger, die beschlossen hatten, es zu verkaufen und sich in Moskau niederzulassen. Dmitri kaufte es und bereitete sich auf seine Reise vor.

Am 11. Juli 2020 verließ Dmitri Martinique und segelte in Richtung Panamakanal, den er passieren musste, um zum Pazifik zu gelangen.

Dmitri rüstete sich nicht nur für die lange Reise aus, sondern musste auch alle notwendigen Dokumente besorgen. „Ich brauchte eine Kreuzfahrtgenehmigung, um durch die Hoheitsgewässer von Panama zu navigieren. Französisch-Polynesien ist derzeit geschlossen. Um es betreten zu können, müssen Sie die Erlaubnis der örtlichen Seebehörde einholen. Ich stellte einen Agenten ein, um die Unterlagen in meinem Namen einzureichen. All diese Bürokratie musste gelöst werden bevor ich meine Reise fortsetzen konnte“, sagte Dmitri in einem seiner Videos auf seinem YouTube-Kanal, in dem er von seiner Reise berichtet. 

Dmitri musste seine Reise in Windeseile vorbereiten. „Normalerweise dauert es Monate, um ein Boot zur Überquerung eines Ozeans klar zu machen. Alle Systeme und Komponenten - Rumpf, Takelage, Holm, Motor, Steuerungssysteme, Navigation usw. - müssen überprüft und überarbeitet werden falls erforderlich. Es müssen viele Dinge an Bord sein: Versorgung, Ersatzteile, Rettungsausrüstung. In meinem Fall hatte ich wenig Zeit, mich vorzubereiten: 2 Wochen in Martinique und ungefähr 3 in Panama. Ich habe getan, was möglich war“, so Dmitri.

Vor seiner Abreise aus Panama war Dmitri optimistisch, seinen selbst gesetzten Zeitplan einhalten zu können. „Ich musste immerhin den Pazifik überqueren, um nach Neuseeland zu gelangen. Ich musste 4.000 Seemeilen zurücklegen. Ich ging von 35 bis 40 Tagen Reisezeit aus“, erklärte Dmitri. 

Er erkannte bald, dass es nicht so einfach sein würde. Aufgrund des COVID-19-Ausbruchs wurden viele bürokratische Verfahren geändert und die lokalen Behörden und Reisende mussten sich an die neue Realität anpassen.

„Auch heute ist es nicht einfach, auf einer Yacht zu reisen. Viele Länder haben ihre Seegrenzen geschlossen und die Einfahrt von Schiffen erschwert. Es gab andere Schwierigkeiten. Zum Beispiel durfte ich in Panama nicht im Yachthafen tanken. Ich musste an einer entfernter gelegenen Tankstelle Kanister mit Diesel besorgen. Es gab immer neue Beschränkungen.“ 

Viele Gefahren lauerten auf den Seemann während seines Abenteuers. „Es bestand die Gefahr, über Bord zu gehen, schwer zu erkranken oder sich zu verletzten. Niemand wäre da, um zu helfen. Es ist auch eine Herausforderung das Boot alleine zu navigieren. Sie müssen die ganze Zeit in Alarmbereitschaft sein, können sich nur kurze Schlafpausen gönnen. Bei Übermüdung steigt die Gefahr, Fehler zu machen“, berichtet Dmitri. 

Dmitri glaubte jedoch, dass es für ihn einfacher gewesen wäre, allein zu überleben, wenn es einen Notfall gegeben und er auf einem Rettungsfloß hätte überleben müssen. „Man weiß nie, wie sich die andere Person in einer kritischen Situation verhält, Panik kann ausbrechen. Allein ist es in dieser Hinsicht einfacher, da Sie nur für sich selbst verantwortlich sind. Überleben in einer kritischen Situation ist noch schwieriger, wenn Frauen und Kinder an Bord sind“, ist er überzeugt. 

Zum Glück für Dmitri, gab es keine kritischen Notfallsituationen während seiner Überfahrt. Er war sowohl physisch als auch psychisch gut vorbereitet auf seine Ozeanüberquerung.  „Du musst in guter körperlicher Verfassung sein. Der Körper sollte nicht schwach sein und insbesondere nicht das Immunsystem. Schließlich ist es sehr gefährlich, ohne medizinische Hilfe auf dem Meer krank zu werden. Es ist gut, keine chronischen Krankheiten zu haben, da sie sich in Stresssituationen verschlimmern können“, sagt er.

Die COVID-Pandemie verlängerte Dmitris Reise, aber ansonsten verlief sie relativ reibungslos. Am 21. Dezember 2020 - fünf Monate nach seiner Abreise aus Martinique - betrat Dmitri einen Hafen in Neuseeland, in dem sein Sohn und seine Ex-Frau auf ihn warteten.