Was essen die Russisch-Orthodoxen während der Großen Fastenzeit?

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In der Fastenzeit geht es für Gläubige nicht nur um den Verzicht auf bestimmte Lebensmittel. Das Wichtigste: Man sollte auch Ärger und Gereiztheit zurückhalten und seine Nächsten nicht seelisch „auffressen“.

Das Große Fasten ist die strengste Fastenzeit in der Orthodoxen Kirche. Es beginnt unmittelbar nach der Fastnacht und dauert 48 Tage bis Ostern (40 Tage zum Gedenken an das Fasten Christi, die zwei Festtage Lazarussamstag und Palmsonntag sowie die Karwoche). Die Fastenzeit beinhaltet den Verzicht auf tierische Produkte, aber man kann sie nicht als Diät bezeichnen, denn der Sinn der Einschränkungen ist es, die Seele zu reinigen und sich auf die Feier der Auferstehung Christi vorzubereiten. Im Jahr 2021 dauert die Fastenzeit vom 15. März bis zum 1. Mai.

Wie beginnt die Fastenzeit?

Der erste Tag der Fastenzeit wird Kathara Deftera (der Saubere Montag) genannt: An diesem Tag wird traditionell das Haus gereinigt, in die Banja, die russische Sauna gegangen, schlechte Gedanken mit Gebeten abgelegt und sich auf die Einschränkungen beim Essen und den Vergnügungen vorbereitet. Wessen Gesundheit es zulässt, dem empfiehlt die Kirche, montags auf das Essen ganz zu verzichten und nur Wasser zu trinken. Dienstags kann man dann Brot essen und mittwochs und freitags nur Rohkost ohne Öl. Im Allgemeinen gelten die erste und die letzte Woche der Fastenzeit oder sédmiza (von der Zahl sieben), wie sie von den Gläubigen genannt werden, als die strengsten.

Der reine Montag von Wassili Perow

Für Kinder, Schwangere, ältere Menschen und Reisende sind jedoch Ausnahmen erlaubt. Kirchenvertreter empfehlen, so weit wie möglich und freiwillig auf Nahrung zu verzichten. Mit kleinen Kindern wird zum Beispiel vereinbart, dass sie weniger Süßigkeiten als üblich erhalten.

Worauf sollte man in der Fastenzeit verzichten?

Während der gesamten Fastenzeit sollen die Gläubigen Lebensmitteln tierischen Ursprungs, also Fleisch, tierischen Fetten, Milchprodukten und Eiern entsagen. Fisch und Meeresfrüchte sind nur zweimal während der Fastenzeit erlaubt: an Mariä Verkündigung (7. April) und am Palmsonntag (der in diesem Jahr auf den 24. März fällt). Am Lazarussamstag (dem Tag vor Palmsonntag) ist Kaviar erlaubt. Alkohol ist während der gesamten Fastenzeit verboten, allerdings darf an Sonntagen, am Lazarussamstag und am Gründonnerstag ein Glas Rotwein  getrunken werden.

Entscheidend ist, Ärger und Gereiztheit zu unterdrücken und seine Nächsten nicht seelisch „auffressen“.

Was wird in der Fastenzeit gegessen?

An Wochentagen sollte man einmal pro Tag abends und am Wochenende zweimal täglich Nahrung zu sich nehmen.

Während der Fastenzeit wechseln sich die Tage des Verzehrs von Rohkost und warmen Speisen ab: montags, mittwochs und freitags sollten rohe Speisen ohne Öl, dienstags und donnerstags warme Speisen ohne Öl und an den Wochenenden gekochte Speisen mit Öl gegessen werden.

Die kulinarische Grundlage der Fastenzeit sind zahlreiche Arten von Brei: aus Perlgraupen, Haferflocken, Buchweizen – die Auswahl ist riesig. Erlaubt sind Gemüse, Obst, Nüsse, Bohnen, Pilze, Brot und Honig. Oft kochen Gläubige leichte Suppen, vegetarische Frikadellen und Pasteten. An Getränken erlaubt sind Wasser, alle Arten Tee, Kaffee, Muckefuck und kompot (ein aus Trockenfrüchten zubereitetes Getränk). Da die Speisen keinen intensiven Geschmack aufweisen dürfen, sollten Gewürze vermieden werden. Es wird auch empfohlen, nichts Gebratenes, sondern nur Gekochtes, Geschmortes oder Gebackenes zu essen.

Die Speisen dürfen nicht schwer sein und die Gläubigen sollten es vermeiden, ihre Lieblingsspeisen übermäßig zu verzehren. Wenn jemand eine ganze Schüssel Knödel mit Kraut oder ein Dutzend Pasteten mit Kartoffeln auf einmal „verputzen“ kann, ist es besser, auf diese Lebensmittel ganz zu verzichten, auch wenn sie den Fastenregeln entsprechen.

Die strengste Woche

Die letzte Woche vor Ostern wird Karwoche genannt. Von Montag bis Mittwoch dürfen rohe Speisen ohne Öl und am Donnerstag warme Speisen mit Öl und Wein zu sich genommen werden. Am Karfreitag sollte auf das Essen ganz verzichtet werden (nur Wasser ist erlaubt). Am Samstag endet die Fastenzeit mit Rohkost ohne Öl, aber mit Wein. Der folgende Tag ist der  Ostersonntag, für den die Gläubigen Kuchen, Quark und bemalte Eier vorbereiten.

Was ist in der Fastenzeit sonst noch verboten?

Während der Fastenzeit sind folgende Handlungen verboten: verschiedensten Arten des Wahrsagens (das von der Kirche generell nicht gutgeheißen wird), das Rauchen (man sollte zumindest versuchen, es zu unterlassen), das Trinken von Spirituosen und intime Beziehungen. Aus diesem Grund führt die Orthodoxe Kirche während der Fastenzeit übrigens auch keine Trauungen durch. Es wird auch empfohlen, auf Unterhaltung und fröhliche Partys zu verzichten und diese Zeit dem Gebet zu widmen.

Der Zweck der Fastenzeit ist es, mit seinen Leidenschaften zu ringen, um Gott spirituell näher zu kommen. Auch wenn man es nicht schafft, sich beim Essen einzuschränken, kann man sich bemühen, gute Taten zu vollbringen.

Was ist der Unterschied zwischen der Fastenzeit in der Orthodoxen und der Katholischen Kirche?

Die Fastenzeit  der Katholiken ist auch streng, erfolgt meist aber zu einer anderen Zeit, da die Orthodoxe Kirche sich am Julianischen, die Katholische Kirche dagegen am Gregorianischen Kalender orientiert und in diesem Jahr vom 14. Februar bis zum 30. März dauert. Bei den Orthodoxen beginnt die Fastenzeit immer am Montag, bei den Katholiken dagegen am Aschermittwoch (den Gläubigen wird während des Gottesdienstes Asche aufs Haupt gestreut). Die katholische Fastenzeit beginnt 46 Tage vor Ostern und wird nicht an Sonntagen begangen, weshalb sie genau 40 Tage dauert. Während der Fastenzeit dürfen die Gläubigen kein Fleisch essen, während der Verzehr von Milch und Fisch, außer an einigen Tagen, erlaubt ist.

>>> Orthodoxie für Anfänger: Alles was Sie über den russischen Nationalglauben wissen müssen

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