Orthodoxie für Anfänger: Alles was Sie über den russischen Nationalglauben wissen müssen

Natalia Fedosenko / TASS
Die glänzenden goldenen Kuppeln russisch-orthodoxer Kirchen und die geheimnisvolle Düsternis in ihrem Inneren kennen die meisten Russland-Touristen. Mit den Ritualen und Hintergründen der Orthodoxie sind dagegen nur wenige vertraut.

1. Wie kam es zur Spaltung? 

Das große Schisma von 1054 war die Folge von zunehmenden theologischen und politischen Differenzen zwischen dem christlichen Westen und dem christlichen Osten. Die römisch-katholische Kirche sah ihren Mittelpunkt in Rom und den Papst als Stellvertreter Gottes auf Erden. Die Orthodoxie hatte ihr geistliches Zentrum bis zur Eroberung durch die Osmanen im Jahr 1453 in Konstantinopel. Aktuell herrscht Frieden zwischen den beiden Glaubensrichtungen.

2. Welche Rituale unterscheiden den Katholizismus von der Orthodoxie? 

Es gibt viele Unterschiede in katholischen und orthodoxen Ritualen. So bekreuzigen sich die Katholiken von links nach rechts, die Orthodoxen von rechts nach links. Die Taufe sowie Feste wie Weihnachten und Ostern unterscheiden sich ebenfalls deutlich voneinander. Zudem leben Katholiken und Orthodoxe nach unterschiedlichen Kalendern. 

3. Warum wirken orthodoxe Ikonen oft so seltsam? 

In der Orthodoxie werden Symbole als „Fenster zur Welt Gottes“ wahrgenommen, denen höchster Respekt entgegengebracht wird. Orthodoxe Ikonenmaler stellen Gott, Jesus Christus, die Jungfrau Maria oder Heilige nicht dar, ihre Werke sind nur Symbole.

4. Was bedeuten Form, Farbe und Anzahl der Kuppeln bei orthodoxen Kirchen?

  • Form

Es gibt drei Formen orthodoxer Kuppeln: in Form einer Halbkugel, die das ewige Reich Gottes symbolisieren soll; helmartig, als Symbol für die Bereitschaft, für Gott zu kämpfen, und die Zwiebeltürme, die Symbol für das Gebet und das ewige Leben sind.  Die Zwiebeltürme sind in Russland auch deshalb weit verbreitet, weil der Schnee nicht auf ihnen liegen bleibt.

  • Farben 

Goldene Kuppeln bedeuten, dass eine Kirche Jesus Christus oder einem der großen orthodoxen Feste gewidmet ist. Kirchen mit blauer Kuppel sind der Gottesmutter und grüne dem Heiligen Geist oder der Dreifaltigkeit gewidmet. Silberne Kuppeln deuten auf eine Kirche, die den Namen eines orthodoxen Heiligen trägt. Schwarz sind die Kuppeln, die zu einem Kloster gehören. Die Farbe steht für Gehorsam. Seltener sind bunte Kuppeln zu finden, zum Beispiel auf der Basilius-Kathedrale in Moskau. Sie symbolisieren das Neue Jerusalem, das Reich Gottes. 

  • Anzahl 

Eine orthodoxe Kirche hat von einer bis zu 33 Kuppeln. Es gibt keine Gotteshäuser mit vier oder sechs Kuppeln.

Eine Kuppel symbolisiert Gott. Zwei Kuppeln stehen für die Menschwerdung Gottes durch seinen Sohn Jesus Christus. Drei Kuppeln symbolisieren die Heilige Dreifaltigkeit, fünf Kuppeln Jesus und die vier Evangelisten. Sieben Kuppeln stehen für die sieben Sakramente, neun für Engel, 13 für Jesus und die zwölf Apostel und 33 Jahre hat Jesus auf Erden gelebt.

5. Warum bedecken Frauen ihren Kopf in einer orthodoxen Kirche? 

In vielen Religionen ist eine angemessene und zurückhaltende Kleidung Pflicht beim Betreten eines Gotteshauses. Nichts soll von frommen Gedanken ablenken. Da Haar früher in Russland eine erotische Komponente zugeschrieben wurde, sollten Frauen ihr Haupt bedecken. Mehr darüber können Sie in diesem Artikel erfahren:

>>> Warum tragen Frauen in orthodoxen Kirchen ein Kopftuch?

6. Warum wird in orthodoxen Kirchen gestanden? 

Es gibt keine Vorschrift, die das fordert. Für ältere Menschen, Kranke und Menschen mit Behinderungen gibt es durchaus Sitzgelegenheiten. Dennoch stehen orthodoxe Gläubige in der Regel während eines Gottesdienstes, der sich endlos in die Länge ziehen kann: zwei bis vier Stunden. 

In katholischen Kirchen und auch in der griechisch-orthodoxen Kirche haben die meisten Gotteshäuser Bänke oder Stühle. 

Die russisch-orthodoxe Kirche legt Wert darauf, dass das Anbeten Gottes nicht als Ausruhen betrachtet wird. Es soll eine bewusste Anstrengung sein. Zudem waren die ersten Gotteshäuser recht klein, damit sie im Winter leichter zu heizen waren, so dass schlicht kein Platz für Sitzgelegenheiten war. 

7. Wer sind die wichtigsten orthodoxen Heiligen? 

Man kann ein orthodoxer Heiliger werden, wenn man ein rechtschaffenes Leben voller Nächstenliebe führt. Ein verstorbener Gerechter, der zur Verbreitung der Orthodoxie beigetragen, Gott treu gedient und Wunder gewirkt oder ein Märtyrer für den christlichen Glauben geworden ist, kann von der russisch-orthodoxen Kirche zum Heiligen ernannt werden. 

Die Orthodoxen verehren Johannes den Täufer und den Heiligen Nikolaus, genau wie die Katholiken, aber die russisch-orthodoxe Kirche hat auch ihre eigenen Heiligen: Zu den am meisten verehrten gehören Sergius von Radonesch, Wassili der Selige oder Matrona. Erfahren Sie mehr über die sieben am meisten verehrten russischen Heiligen oder ihre unglaublichen Taten.  

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