Wodka und Drogen: Die spektakuläre Rettung zweier Nilpferde im Kaliningrader Zoo (FOTOS)

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JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWA
Gans und Glyasik waren zwei Nilpferde, die zu unterschiedlichen Zeiten im Kaliningrader Zoo lebten. Beide erlebten harte Zeiten.

Der Kaliningrader Zoo hat sein eigenes Maskottchen: ein Nilpferd. Ein Weibchen des Zoos brachte 25 Babys zur Welt und versorgte damit fast jeden sowjetischen Zoo mit einem eigenen Nilpferd. Dafür würde das Nilpferd sogar in die Riege der Mehrfachmütter des Kaliningrader Gebiets aufgenommen.

Aber auch die Kaliningrader Flusspferde hatten es nicht immer leicht: Zwei von ihnen - Gans und Glyasik - haben ihr Überleben wahrlich filmreifen Geschichten zu verdanken.

Gans wurde durch Wodka gerettet

Gans war das erste Nilpferd, das die nach Kaliningrad umgesiedelten sowjetischen Bürger kennenlernten. Als die Rote Armee 1945 Königsberg (so der deutsche Name der Stadt) einnahm, entdeckte sie in den Trümmern des städtischen Zoos drei Tiere, die überlebt hatten: eine Hirschkuh, einen Dachs und einen Esel. Wenige Augenblicke später fanden sie beim Durchsuchen des Dickichts noch etwas, das sie zunächst für ein sehr großes Schwein hielten.

Aufgeschreckt durch den Lärm der Bombardierung brach das Nilpferd durch das Dickicht und versteckte sich in einer der Schluchten des Zoos. Dort verbrachte es zwei Wochen ohne Futter und Wasser und mit sieben Schusswunden. Als die Soldaten dieses "sehr große Schwein" entdeckten, wollten sie es erschießen, aber die Nachricht erreichte zufällig Oberst Wassili Teslin. Dieser griff sofort ein und erklärte den Soldaten: "Es ist ein Nilpferd, ein unglaublich seltenes Exemplar! In Europa gibt es nur noch sechs. Und das ist das größte und berühmteste von allen - Gans! Schrecklich! Ihr Vandalen! Er ist Millionen wert! Das ist ein Nationalschatz!"

Und so wurde Gans vor dem Erschießungskommando gerettet. Aber wie sollte man das Tier heilen? Der Oberst machte sich auf die Suche nach einem Arzt mit dem entsprechenden Profil. "Ich rief eine Abteilung an", erinnerte er sich, "und sie lachten mich aus. Sie sagten mir: 'Wenn Sie jemals Spezialisten für Frauen brauchen, lassen Sie es uns wissen, wir haben hier niemanden, der sich um ein Nilpferd kümmert.' Also rief ich ein anderes Kommando an - und auch dort gab es Witzbolde. 'Warum rufst du nicht in Afrika an?', fragten sie mich." 

Doch dank Teslins stadtweitem Appell, wurde schließlich Hilfe gefunden. Sie kam in Form eines verängstigten deutschen Arztes, der das Tier untersuchte und eine Empfehlung gab: "Zwei Liter reinen Alkohol pro Liter Milch. Zweimal am Tag." Doch es war gar nicht so einfach, Gans zu helfen. Zunächst kümmerten sich die Soldaten um das kranke Tier - dieselben, die es fast erschossen hatten. "Einer von ihnen hält den Oberkiefer des Nilpferdes, der zweite den Unterkiefer - und der dritte, wie ich mich jetzt erinnere, kippt die Mischung aus einem Eimer gewaltsam in die Speiseröhre, während er schreit: 'So, Kamerad, nimm deine hundert Gramm für Tapferkeit an der Front!"

Später untersuchte der Zoologe Wladimir Polonski Gans. "Es war das erste Mal, dass ich jemanden mit Wasser behandelte. Später habe ich versucht, ihm Milch zu geben. Dann etwas geriebene Rüben. Das Nilpferd begann schließlich zu fressen, verweigerte aber drei Tage später erneut die Nahrung", schrieb er.

Polonski stellte die Behandlung daraufhin auf die bewährte Methode um und flößte Gans Wodka ein.  Es war ein Muster zu erkennen: Gans fraß nur dann normal, wenn er etwas getrunken hatte. Diese tragikomische Geschichte wurde später vom Arzt in seinem Bericht wiedergegeben: "Ich habe ihm Wodka gegeben und zuerst einen Einlauf gemacht (vier Liter destilliertes Wasser). Dann begann ich, es zu füttern. Das Nilpferd wollte ausbrechen, war aber zu betrunken. Es begann zu fressen, aber nicht genug. Ich gab ihm einen zweiten Einlauf (weitere vier Liter destilliertes Wasser). Dem Nilpferd ging es langsam besser. Zwei Wochen vergingen. Das Nilpferd fraß noch immer nicht besonders gut. Ich gab ihm etwas Wodka, zwei Liter. Das Nilpferd begann zu fressen - gut - aber dann bekam es Verstopfung. Ich gab ihm weitere Einläufe. Dem Nilpferd schien es besser zu gehen, aber es fraß wieder nicht gut. Also habe ich ihm mehr Wodka gegeben (vier Liter). Und das Nilpferd bekam endlich Appetit. Es gab aber immer wieder Tage, an denen es keinen Appetit hatte. Die habe ich mit einer Ernährungsumstellung bekämpft."

Insgesamt wurde Gans zwei Monate lang mit Wodka "behandelt", bis er sich vollständig erholt hatte. "Ich trainiere das Nilpferd jetzt. Ich reite zum Beispiel mit ihm durch den Park", schloss Polonski seinen Bericht.

Glyasik und sein Zahn

Die zweite unangenehme Geschichte ereignete sich mit Glyasik. Es war fast wie ein Krimi, in den die Bundesbehörde für Drogenhandel, der Zoll, ein Bürgermeister, die Medien und die Regierung selbst verwickelt waren. Und das alles nur wegen eines Zahns!

Glyasik war der Sohn eines berühmten Nilpferdweibchens namens Mary, die auch die Ehre hat, das älteste Nilpferd Europas zu sein (sie starb 2013 im Alter von 56 Jahren). Glyasik hatte mehr als ein Jahr lang große Schmerzen: Einer seiner Reißzähne war in die falsche Richtung gewachsen und verletzte seine Wange. Das Nilpferd ließ niemanden den Zahn anfassen und litt Höllenqualen. Der Zahn musste schnellstens entfernt werden.

"Zuerst versuchten wir, Glyasiks Zahn abzusägen, indem wir das Tier mit Seilen fesselten, aber sobald wir mit der Operation begannen, zerriss er die Seile und verschluckte fast unseren Tierarzt", erinnert sich ein Mitarbeiter des Zoos. "Das Nilpferd gilt als das gefährlichste Tier. Es ist ein drei Tonnen schweres Muskelpaket. Wenn man sie wütend macht, können Nilpferde eine Betonwand durchschlagen. Das ist beängstigend. Wissen Sie, ich würde lieber in meinem Bett sterben."

Der Mann, der die Herausforderung annahm, den Zahn abzusägen - und zwar ohne dafür Geld zu nehmen - war ein deutscher Tierarzt und Professor namens Michael Barr. Es stellte sich jedoch heraus, dass er die erforderlichen Medikamente aufgrund von Zertifizierungsproblemen nicht durch den sowjetischen Zoll bringen konnte. Und das drei Tonnen schwere Tier benötigte eine Menge Medikamente - etwa einen halben Liter. Damals konnte man für diese Menge 20 Jahre ins Gefängnis kommen. Es gab keine Alternativen, und der Zoll wollte das Risiko nicht eingehen.  Die Angelegenheit zog sich in die Länge. Und während die Verwaltung des Zoos und die Regierungsbeamten in aller Stille über das Problem diskutierten, riss der Zahn weiter Wunden in die Wange des Flusspferdes.

Die Geschichte wurde eher zufällig publik, als 2011 Journalisten der Moskauer Ausgabe des "Russian Reporter" im Rahmen eines Bildungsprojekts für Studenten nach Kaliningrad kamen. Sie gingen in die Stadt, um im örtlichen Zoo nach berichtenswerten Geschichten zu recherchieren. So gelangte Glyasiks Geschichte an die Öffentlichkeit.

Das Nilpferdgehege wurde auch für Politiker interessant: Der Gouverneur versprach auf Twitter, dem armen Tier zu helfen; der Bürgermeister versprach unterdessen, die erforderliche Menge des benötigten Medikaments zu beschaffen.

Schließlich konnte Glyasik das Narkosemittel verabreicht werden und der Zahn wurde erfolgreich entfernt. 

Glyasik, der jetzt 31 Jahre alt ist, lebt weiterhin mit seiner Partnerin Milya im Kaliningrader Zoo. Er ist jetzt ein gesundes Nilpferd und klagt nicht mehr über Zahnschmerzen.

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