Reisnerstrasse 45-47
Dieses Wiener Stadtviertel wird seit Ende des 19. Jahrhunderts mit wichtigen russischen Persönlichkeiten in Verbindung gebracht. Im Jahr 1891 wurde das Schloss der Herzogfamilie von Nassau für die Botschaft des Russischen Kaiserreichs gekauft. Zwei Jahre später begann man mit dem Bau der Russisch-Orthodoxen Kathedrale zum Heiligen Nikolaus, die auch als „Russische Kirche“ bekannt ist.
Die Kirche befindet sich buchstäblich auf russischem Boden: Vor ihrem Bau wurden dreißig Fuhrwerke russischer Erde dorthin gebracht. Die Errichtung der russischen Botschaftskirche wurde nicht nur aufgrund der großen russisch-orthodoxen Gemeinschaft Wiens, sondern auch aus politischen Gründen veranlasst: Für das Russische Kaiserreich war es wichtig, in der Hauptstadt des katholischen Imperiums der Habsburger, dessen Untertanen die dort lebenden Russisch-Orthodoxen waren, ein repräsentatives Gotteshaus zu haben.
Der Grundstein der Kathedrale wurde unter der Herrschaft Alexander III. gelegt, der dafür einen Großteil des Geldes spendete. Das Erdgeschoss wurde aus diesem Grund seinem Schutzheiligen gewidmet, dem heiligen Fürsten Alexander Newskij. Die Kathedrale wurde unter der Herrschaft Nikolai II. im Jahr 1899 fertiggestellt, weshalb ihm der obere Teil der Kirche im ersten Stock gewidmet wurde. Die monolithischen Säulen aus Granit sowie die einzigartigen Leuchten sind dabei ein persönliches Geschenk des Zaren.
Sowohl die russische Botschaft als auch die Kathedrale haben alle Auf und Abs der russisch-österreichischen Beziehungen des 20. Jahrhunderts miterlebt. So wurden beide zu Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahre 1914 geschlossen und erst in 1924 wieder eröffnet, als die neu gegründete Österreichische Republik die Sowjetunion offiziell anerkannte.
Eine erneute Schließung der Gebäude erfolgte im Jahr 1938 und dauerte bis zur Befreiung Wiens im Jahr 1945 an. Daraufhin kamen im Zuge des Wiederaufbaus der Nachkriegszeit der zweite Stock und eine Kuppel hinzu. Die Kathedrale selbst wurde glücklicherweise nicht beschädigt und so fanden bereits im Sommer 1945 in ihr die ersten Gottesdienste statt.
Erinnerungstafeln in der Haupthalle der russischen Botschaft erzählen vom historischen Treffen Nikita Chruschtschows und John F. Kennedys im Jahr 1961. Auch das Treffen vom damaligen sowjetischen Parteichef Leonid Breschnew mit dem amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter im Jahr 1979, bei dem der SALT-II-Vertrag zur Begrenzung strategischer Rüstung vorbereitet wurde, findet Erwähnung.
Von 2003 bis 2008 wurde die Kathedrale zum Heiligen Nikolaus erneut grundlegend restauriert. Sie beherbergt heute eine der größten russisch-orthodoxen Gemeinden außerhalb von Russland.
Hofburg
Die Hofburg war das wichtigste Herrschaftszentrum der Babenberger, der Habsburger und heute der Österreichischen Republik. Doch was ist an der Hofburg russisch? In nahezu jedem Gebäude und Saal findet man hier eine Erinnerung an die russisch-österreichischen Beziehungen.
In der kaiserlichen Schatzkammer wird zusammen mit den Reichskleinodien, den Regalien der Imperatoren, der „Beutel König Stephans von Ungarn“ aufbewahrt, das wichtigste Heiligtum der Habsburger. Dieser reich bestickte goldene Beutel gehörte der Überlieferung nach Stephan dem Ersten, dem ersten christlichen König von Ungarn (um 969-1038). Die gestickten Texte in kyrillischer Schrift lassen nach heutigem Kenntnisstand allerdings auf eine Entstehung der Textilarbeit nach der Mitte des 11. Jahrhunderts in Kiew schließen. Mithin kann der „Beutel“ früher bestenfalls einmal zur Aufbewahrung von Reliquien des 1083 heiliggesprochenen Herrschers gedient haben. Er ist eines der ältesten erhaltenen Gegenstände russischer Stickkunst überhaupt.
Ein Teil der Schlossappartements trägt den Namen Alexander des Ersten: Diese wurden einst 1814 bis 1815 dem russischen Imperator für die Zeit des Wiener Kongresses, der über die Zukunft Europas entschied, zur Verfügung gestellt. Den prunkvollen Zeremoniensaal schmücken bis heute Kronleuchter, die der russische Zar als Geschenk mitbrachte.
Im anderen Teil des Schlosses befand sich von 1945 bis 1955 das ehemalige sowjetische Offiziershaus, in dem heute der berühmte Wiener Ball sowie der jährliche Moskauer Ball veranstaltet werden.
Favoritenstrasse 15
Auf beiden Seiten der Favoritenstraße befinden sich zwei Häuser, deren Geschichte zu verschiedenen Epochen mit Russland in Verbindung steht. Die prestigereiche, im 17. Jahrhundert gegründete Wiener Schule „Theresianum“ erinnert an die leicht veränderte Version des Sommerschlosses „Favorit“.
Genau hier fand am 29. Juni 1698 das erste Treffen Peter des Großen mit dem Kaiser Leopold I. statt. Dieses verstieß gegen das zuvor von einem großen Vorbereitungskomitee, zu dem auch der junge inkognito unter dem Namen Peter Michailow reisende Zar gehörte, mühevoll ausgearbeitete Protokoll. Laut diesem hätten die zwei Imperatoren einander in der Mitte des Saals treffen sollen.
Peter schritt jedoch dem Kaiser zu schnell und zu hastig entgegen. Berichten zufolge gingen beide zu einer Fensternische, wo sie eine Viertelstunde lang miteinander sprachen. Im nächsten Monat fanden zwei weitere bedeutende offizielle Treffen sowie zahlreiche gesellschaftliche Veranstaltungen statt – darunter auch ein großer Maskenball, mit dem man versuchte, den Mangel an politischem Inhalt der zuvor stattgefundenen Visite zu kompensieren. Dennoch schaffte es Peter letztendlich nicht, den Friedenschluss zwischen dem Heiligen Römischen Reich und dem Osmanischen Reich zu verhindern.
Brahmsplatz 8
In hundert Metern Entfernung befindet sich auf dem Brahmsplatz das Palais Scanavi, das das Russische Kulturinstitut in Wien beheimatet. Einst von einer reichen Kaufmannsfamilie griechischen Ursprungs erbaut, wurde das Palais in den Jahren 1947 und 1957 nach und nach von der Sowjetunion gekauft. Heute erklingen hier klassische Musik und Chor-Konzerte. Es finden Ausstellungen, Russischkurse und Theatervorstellungen statt.
Rasumofskygasse 23-25
Jedes Jahr am 10. Februar, dem Tag des russischen Diplomaten, wird an der Tafel des Palais Rasumofsky ein Kranz niedergelegt, der dem berühmten Gesandten, dem Fürsten Andrej Rasumowskij, gewidmet ist. Als Sohn eines Ukrainers und des Favoriten der Zarin Elisabeth Petrowna legte Andrej Rasumowskij eine brillante diplomatische Karriere hin. Er diente zweimal als Botschafter am Petersburger Hof in Wien, von 1792 bis 1799 sowie von 1801 bis 1806. Erst als Veranstalter berühmter Bälle spielte er eine wichtige Rolle auf dem Wiener Kongress in den Jahren 1814 bis 1815, wofür er den Fürstentitel erhielt.
Darüber hinaus waren im Palais Rasumofsky so bedeutende Komponisten wie Haydn und Beethoven zu Gast. Der letztere verewigte den Namen des russischen Botschafters in der Geschichte der klassischen Musik, indem er Rasumowskij zusammen mit dem berühmten Wiener Mäzen, Graf Lobkowitz, das Quartett Op. 59 sowie die fünfte und sechste Symphonie widmete.
Auch Mozart zählte zu Rasumowskijs Freunden. So kursiert die Geschichte einer Depesche, die Rasumowskij an den Fürsten Potjomkin, den Favoriten der russischen Kaiserin Katharina der Großen geschickt haben soll, in der er anbietet, eine Tournee durch Russland für Mozart zu organisieren. Ein Angebot, das jedoch leider nie realisiert wurde.
Herrengasse 14
Das in der Herrengasse gelegenen Café Central war der zentrale Treffpunkt der Intellektuellen, in dem im Jahr 1913 die zukünftigen Feinde Stalin, Trotzki, Hitler, Mussolini und Tito zu Gast waren. Ebenso statteten diesem Café der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud und der Gründervater des Zionismus Theodor Herzl einen Besuch ab.
In Wien erzählt man sich zudem, dass Trotzki hier nicht nur zahlreiche Schachpartien gewann, sondern auch Artikel, wie den berühmten kunsthistorischen Text „Das Neujahrgespräch über Kunst“ schrieb, in dem ein paar Figuren im Café Central am Silvesterabend ein Gespräch führen.
Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Café geschlossen, jedoch im Jahr 1975 im anderen Teil des majestätischen Gebäudes Palais Ferstel wiedereröffnet. Das Café erfreut sich vor allem unter den Touristen großer Beliebtheit und man kann dort durchaus das eine oder andere russische Wort hören. Nebenan liegt das Sekretariat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), deren Mitarbeiter sich oft im Café Central auf einen Kaffee treffen.