Wie aus einem Ort des Schreckens ein Touristenparadies in Sibirien wurde

Tobolsker Kreml.

Tobolsker Kreml.

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Tobolsk war einst die Hauptstadt Sibiriens, und noch heute kann man den weißen Kreml, europäisch anmutende gepflasterte Straßen und sogar eine neugotische Kirche bewundern. Doch Tobolsk war auch ein berüchtigter Ort zur Verbannung gewesen.

Die alte Hauptstadt Sibiriens

Tobolsk erschien auf der russischen Landkarte während der Eroberung Sibiriens: Im Jahr 1582 besetzten russische Truppen unter der Führung von Jermak die Hauptstadt des sibirischen Khanats Kaschlyk. 1587 wurde wenige Kilometer davon entfernt eine neue Stadt gegründet. 

Tobolsk erhielt den Status der ersten Stadt in Sibirien. Ab 1708 war sie die Hauptstadt der sibirischen Provinz und verlor ihre Stellung erst Ende des 19. Jahrhunderts, als das regionale Zentrum nach Tjumen verlegt wurde.

Russische Beamte und sogar der kaiserliche Hof schätzten Tobolsk und investierten viel in die Entwicklung. In Tobolsk sind zahlreiche alte Gebäude erhalten geblieben, die sonst nirgendwo in Sibirien zu finden sind: Zum Beispiel die katholische Kirche der Allerheiligsten Dreifaltigkeit aus dem Jahr 1907 (die Gemeinde wurde von Polen und Litauern gegründet, die wegen ihrer Teilnahme an den staatsfeindlichen Aufständen von 1830 hierher verbannt  worden waren). Heute finden hier noch Gottesdienste und Orgelkonzerte statt. Aber schon früher gab es in Tobolsk eine steinerne Moschee - sie wurde 1890 in dem Gebiet errichtet, in dem sich die Tataren aus Kaschlyk bei der Gründung der Stadt niederließen.

Heute ist die Stadt mit ihren 100.000 Einwohnern ein Industriezentrum. Ein Unternehmen der Petrochemie engagiert sich auch bei öffentlichen Projekten wie beim neuen Flughafen Remesow. 

Der einzige Kreml in Sibirien

Tobolsker Kreml.

Der Hauptanziehungspunkt von Tobolsk ist der Kreml aus weißem Stein aus dem 17. bis 18. Jahrhundert, der einzige in Sibirien. Eines der ältesten Gebäude der Stadt ist die Sophienkathedrale aus der Mitte des 17. Jahrhunderts.

Der Kreml wurde mehrfach umgebaut, aber sein heutiges Aussehen stammt größtenteils vom Beginn des 18. Jahrhunderts nach einem Entwurf des örtlichen Historikers und Kartographen Semjon Remesow. Er hatte die Ideen zu den gewundenen Mauern des Kremls, des Gostiny Dwor (eine Art Einkaufsbasar) und der Prikasnaja-Kammer (ein Raum, in dem die Verwaltung tagte).

Die Aussicht auf den Fluss Irtysch.

Vom Kreml aus verbindet eine ungewöhnlich lange Holztreppe den unteren und den oberen Teil des historischen Zentrums miteinander. Es sind 198 Stufen, die sich über 400 Meter erstrecken.

Herberge im Gefängnis

Zarewitsch Alexei und Nikolaus II., Winter 1917-1918, Tobolsk.

Vor nicht allzu langer Zeit war Tobolsk als Ort der Verbannung bekannt. Der erste Verbannte war seltsamerweise nicht einmal ein Mensch, sondern eine Glocke aus Uglitsch, die 1591 den Tod von Zarewitsch Dmitri ankündigte. 

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In der Gefängnisburg.

Der Schriftsteller Fjodor Dostojewski (1850), der Philosoph Nikolai Tschernyschewski (1864) und der letzte russische Kaiser Nikolaus II. mit seiner Familie (1917 auf dem Weg nach Jekaterinburg) waren alle einmal unfreiwillig zu Gast in Tobolsk. 

Die meisten Exilanten (mit Ausnahme der Zarenfamilie) verbüßten ihre Strafe in einer Gefängnisburg, die Mitte des 19. Jahrhunderts eigens für diesen Zweck gebaut wurde. Die Gefangenen hatten damals ihre Köpfe halb rasiert, um in der Menge leicht gefunden zu werden. In den Jahren der Sowjetunion gab es ein Gefängnis mit einem besonders strengen Regime. 

Das Museum in der Gefängnisburg.

Das Gefängnis wurde erst 1989 geschlossen und beherbergt heute ein Museum.  Man kann dort sogar übernachten. Die Gäste der Herberge Usnik („Gefangener“) in der Burg loben einhellig die günstige Lage und die besondere Atmosphäre.  

Eine Straße mit verlassenen Gebäuden

Mira-Straße in Tobolsk.

Die Mira-Straße ist eine Fußgängerzone mit neuen, gepflegten Wegen, Bänken und Lampen, die sich entlang der verfallenen Stein- und Holzhäuser bis zum Fuß des Kremls und des Bazar-Platzes mit hübsch anzuschauenden Holzbüdchen, in denen Snacks und Souvenirs verkauft werden, erstreckt. Die Häuser werden nach und nach von Pflanzen überwuchert. Einige Gebäude sollen restauriert werden.

Das Museum der Familie von Nikolaus II.

Eines der erhaltenen Häuser ist das Haus des Kaufmanns Kuklin, in dem die Familie Romanow ihr letztes Weihnachtsfest verbrachte. Etwa acht Monate lang lebte Nikolaus II. nach der Revolution mit seiner Frau Alexandra Feodorowna und den Kindern dort. Es gab Strom, fließendes Wasser und eine Kanalisation - ein unglaublicher Luxus für die damalige Zeit. Dennoch reichte im Winter das Holz nicht aus, um den ganzen Raum zu heizen. Die Exilanten genossen keine kulinarischen Extravaganzen und durften das Haus nur mit Wachen verlassen, um in die Kirche zu gehen. Das letzte Mal, dass sie die Mauern des Handelshauses verließen, war der Weihnachtsgottesdienst in der heute nicht mehr existierenden Verkündigungskirche. Im April 1918 wurde die kaiserliche Familie nach Jekaterinburg verbracht, wo sie ein grausames Schicksal ereilte. In der Nacht auf den 17. Juli 1918 wurde sie von den Bolschewiki in Jekaterinburg ermordet.

Im Museum der Familie von Nikolaus II.

Heute befindet sich im Haus von Kuklin ein Museum, in dem persönliche Gegenstände und Fotos der Romanows gezeigt werden.

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