Tschukotka ist die abgelegenste und am dünnsten besiedelte Region im Nordosten Russlands und grenzt im Beringmeer an die Vereinigten Staaten. Stellen Sie sich vor, in einem Gebiet doppelt so groß wie ganz Deutschland leben nur 50.000 Menschen, die entweder mit einem Hubschrauber oder einem Geländewagen von einem Dorf zum anderen gelangen. Der größte Teil von Tschukotka liegt oberhalb des Polarkreises, so dass das Klima nicht sehr mild ist. Touristen kommen hierher, um die malerischen Landschaften der Tundra zu entdecken, Eis- und Braunbären zu sehen und Walrosse zu beobachten – kurzum, um die Wildnis auszukosten. Hier ist nun einer der ersten Glamping-Plätze der Region entstanden. Glamping bedeutet Glamourous Camping – und es sieht hier recht exotisch aus.
Stilvolle Entspannung am Rande des Kontinents
Das Campinggebiet Umka (wie die Eisbären in Tschukotka genannt werden) liegt zwischen den Dörfern Lawrentija und Lorino, etwa 100 km südlich des Polarkreises und in gleicher Entfernung von Kap Deschnjów, dem östlichsten Punkt Russlands. Es wurde im September 2021 eröffnet und konnte sogar schon die ersten Touristen aus Österreich und Deutschland empfangen. Dann musste der Glamping-Platz wegen schlechten Wetters für den Winter und das Frühjahr eingemottet werden, sagt sein Gründer, Maxim Krupenja. Die nächsten Gäste waren Anfang August 2022 die Teilnehmer einer Expedition, die im Rahmen des Festivals Beringstraße stattfand und der Entwicklung des Tourismus in Tschukotka gewidmet ist. Maxim Krupenja ist genau die Art eines Einheimischem, der die Entwicklung des Tourismus in dieser Region mit großem Enthusiasmus in Angriff genommen hat.
„Ich war mein ganzes Leben lang beim Militär und bin nach Tschukotka gezogen, um schneller in den Ruhestand gehen zu können (hier zählt ein Dienstjahr wegen der harten Bedingungen als zwei). Ich wusste aus erster Hand, dass die Unterkünfte hier selbst für anspruchslose Touristen nicht komfortabel sind. Ich wollte beweisen, dass Service auch am Ende der Welt möglich ist“, berichtet er. Als Maxim 2019 in den Ruhestand ging, beschloss er, im Rahmen des Fernost-Land-Programms (wir haben hier mehr über dieses Programm geschrieben) kostenloses Land zu beantragen und einen Glamping-Platz einzurichten.
Er nahm einen Kredit auf und kaufte bei einem Hersteller in Altai sechs geodätische Kuppeln, von denen fünf als Wohngebäude und die sechste als Gäste- und Essbereich genutzt werden.
Der Campingplatz ist für zwölf Gäste ausgelegt, kann aber bei Bedarf bis zu 20 Personen beherbergen. In jeder Kuppel gibt es ein Doppel- oder zwei Einzelbetten sowie ein Etagenbett, Kleiderbügel und mehrere Steckdosen und sie ist mit einem Gas- oder Holzofen ausgestattet. Eine der Wände ist durchsichtig und bietet einen Blick auf einen Gebirgsfluss und Hügel, die auch im Sommer mit Schnee bedeckt sind.
Zum Essen steht den Gäste von Umka die große Gemeinschaftskuppel zur Verfügung: Die Glamping-Mitarbeiter bereiten auf einem großen Grill Fisch und Fleisch zu, kochen Suppe und brühen Kaffee. Und draußen wird Schaschlik gegrillt. Aufwändigere Gerichte (Schnitzel, Salate und Beilagen) werden in der Kantine des Dorfes Lawrentija zubereitet. Der Sanitärbereich ist ein freistehendes Holzhaus mit Bio-Toiletten und Duschen. Das Wasser aus dem Gebirgsfluss fließt in einen Boiler und wird in eine Klärgrube entsorgt, wo es gereinigt, gefiltert und anschließend sauber in den Fluss abgeleitet wird.
Was gibt es drumherum?
Nur zehn Minuten zu Fuß entfernt befinden sich heiße Quellen – „Baden-Baden von Tschukotka“ – die das leicht radioaktive Gas Radon enthalten (das als wirksames Heilmittel für eine Vielzahl von Krankheiten eingesetzt wird). Zu Sowjetzeiten befanden sich in der Nähe dieser Quellen ein Pionierlager und ein Hotel, doch heute sind nur noch Ruinen übrig. Sie werden jedoch weiterhin von Menschen aus den umliegenden Siedlungen und von Touristengruppen besucht. Maxim geht davon aus, dass nicht nur Dauercamper, sondern auch Personen, die an den Quellen übernachten, den Glamping-Platz besuchen werden.
Lorino, das größte Dorf der Tschuktschen, liegt an der Küste des Beringmeers und ist nur 20 Autominuten entfernt. Dort können Touristen die Kultur und das Leben der Tschuktschen kennenlernen. Hier finden Feste, Sportspiele und die jährliche Seeregatta Beringia auf traditionellen, selbstgebauten Booten statt.
Grüne Energie für die Tundra
Maxim ist Feuer und Flamme für die Idee, das Glamping auf grüne Energie umzustellen, um die negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren. Die Tundra beherbergt seltene Pflanzen (Moose, Zwergsträucher), die auf der Roten Liste stehen, sowie wilde Tiere: Bären, Arktische Ziesel u.a.
„Im Moment wird das Lager von einem Dieselgenerator versorgt, wir bringen den Treibstoff aus dem Dorf. Aber ich würde hier gerne so etwas wie einen Mini-Staudamm errichten, um alles mit einer Wasserturbine zu betreiben", erklärt er. Er hat auch eine Idee für Windkrafträder – an starken Winden mangelt es auf der Tschuktschen-Halbinsel nämlich nicht.
Maxim versucht außerdem, einen weiteren Standort in der Lawrentija-Bucht in der Nähe der Besimjannaja-Bucht zu errichten. Diesmal für Wissenschaftler, die hierher kommen, um das arktische Klima und die Meerestiere zu studieren. Dieser Stützpunkt soll vollständig mit grünen Energiequellen betrieben werden.
Er dachte früher, dass er seinen Dienst beenden und „in die Zivilisation“ zurückkehren werde, aber es ist ihm nie gelungen, den Norden zu verlassen. Jetzt lebt er die meiste Zeit des Jahres in Kaliningrad und kehrt oft nach hierher zurück. Und selbst am westlichsten Punkt Russlands kann er nicht aufhören, an Tschukotka zu denken. Er errichtet sogar am anderen Ende Russlands ein Glamping im Tschuktschen-Stil – mit traditionellen Jaranga-Behausungen. Sogar Einheimische will er von der Halbinsel hierher zur Arbeit holen. Auf diese Weise will er seine Liebe zu Tschukotka fördern und bekannt machen.