Warum die „Doktorwurst“ heute immer noch so beliebt ist

Russische Küche
ANNA SOROKINA
Sowjetische Ärzte empfahlen diese beliebte Wurst als Teil einer gesunden Ernährung.

Viele Russen erinnern sich gerne an diese Wurst aus ihrer sowjetischen Kindheit und beklagen, dass sie nicht mehr so schmeckt wie früher. Natürlich handelt es sich bei dem besagten Produkt um die „Doktorwurst“, welche nach wie vor die beliebteste Wurstsorte in Russland ist.

Anfang der 1930er Jahre besuchte Anastas Mikojan, der Volkskommissar der Sowjetunion für die Lebensmittelindustrie eine Fleischfabrik in Chicago, um sich mit der Wurstherstellung vertraut zu machen. Im April 1936 begann die erste sowjetische Wurstfabrik in Moskau mit der Produktion von fettarmer und proteinreicher Brühwurst.

Nach zeitgenössischen Dokumenten war das neu entstandene Produkt für „Patienten bestimmt, die durch den Bürgerkrieg und die zaristische Herrschaft geschwächt wurden“.

Man muss zugeben, dass die Wurst ihre Ernährungsfunktion in bester Weise erfüllte, da sie ein natürliches und kalorienreiches Produkt war. So sehr, dass die Ärzte es sogar als Teil der diätetischen Behandlung bei Auswirkungen einer anhaltenden Unterernährung verschrieben haben. Deshalb wurde sie als „Doktorwurst“ bezeichnet.

Lange Zeit galt die „Doktorwurst“ als Symbol für den Wohlstand einer sowjetischen Familie. Die Leute bildeten lange Warteschlangen, um die Wurst zu kaufen. In den Jahren der Lebensmittelknappheitvon 1970er-80er war in der Sowjetunion ein Phänomen bekannt, das als „Wurstpendelzug“ bezeichnet wurde. Hierbei kamen Menschen aus den benachbarten Regionen in die Großstädte, meist Moskau und Sankt Petersburg, um Lebensmittel zu kaufen.

Für sowjetische Bürger ersetzte die „Doktorwurst“ weitgehend Fleisch, welches knapp war. Es wurde als Grundlage für Salate, Suppen und Hauptgerichte verwendet.

Natürlich gibt es heutzutage Dutzende von Würsten und Wurstwaren an den Ladentischen, aber ein Produkt mit hochwertigen Zutaten zu finden ist viel schwieriger als damals, als es noch keine so große Auswahl gab.

Der Grund dafür ist einfach: In der Sowjetzeit wurde alles nach den staatlichen Qualitätsstandards (GOST) produziert. Das bedeutete, dass die in Moskau hergestellte Wurst von der gleichen Qualität sein sollte, wie die in Jekaterinburg oder Wladiwostok hergestellte Wurst.

Die Einheitsnorm für „Doktorwürste“ wurde bereits 1936 verabschiedet. Die Wurstrezeptur sollte 70 Prozent mageres Schweinefleisch, 25 Prozent hochwertiges Rindfleisch, drei Prozent Hühnereier und zwei Prozent Kuhmilch sowie Salz, Zucker und Muskat oder Kardamom sein. Die Haltbarkeit der Wurst betrug nur 72 Stunden! Seien Sie versichert, die Wurst hielt sich nicht lange im Regal. Die Rezeptur blieb bis 1974 unverändert, bis der Wurst Stärke und Mehl zugesetzt wurden.

Im Jahr 2002 durften die Hersteller Produkte nach ihren eigenen technischen Spezifikationen und nicht nur nach den Standardnormen der Sowjetzeit produzieren. Es war erlaubt, den Prozentsatz der Wurstzutaten zu ändern sowie Innereien und Konservierungsmittel hinzuzufügen. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Wurst aus allem hergestellt werden kann. Des Weiteren werden in Russland regelmäßig Kontrollen der Lebensmittelqualität durchgeführt. Einige Hersteller weisen besonders darauf hin, dass sie ihre Wurst nach den sowjetischen Standardnormen und unter Verwendung natürlicher Zutaten produzieren.

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