Fünf Dinge, die Sie über Russen wissen müssen, wenn Sie Geschäfte mit ihnen machen

Irina Baranowa
Darf man Russen anschreien? Muss man sich Sorgen machen, wenn man zu Beginn ignoriert wird? Berufstätige aus dem Ausland erklären, was Sie bei der Zusammenarbeit mit russischen Geschäftspartnern beachten müssen.

Wenn Sie darüber nachdenken, in Russland zu arbeiten oder Geschäfte mit russischen Partnern zu machen, bereiten Sie sich auf Ungewohntes vor. Neben der verbreiteten Abneigung gegen Small-Talk und dem generellen „Nicht-Lächeln“ gibt es weitere kulturelle Unterschiede, die Ausländer verwirren können.  

Von der Arbeit mit Kollegen in einem offenen Büro bis hin zu Deals hinter verschlossenen Türen: Hier sind fünf Einblicke präsentiert von Expats.

1. Ein ungewöhnliches Verhältnis zur Privatsphäre

„Wenn Sie mit Russen zusammenarbeiten, sollten Sie sich darauf gefasst machen, dass ein eigentlich professionelles Gespräch plötzlich persönlich wird“, rät Luke Conner, Partner der Anwaltskanzlei Conner & Company und Präsident des Vereins britischer Geschäftsleute in Russland.

„Ein russischer Kollege ignorierte mich quasi jeden Morgen, wenn ich „Hallo“ zu ihm sagte. Er schaute an die Wand und sagte nichts. Ich ging davon aus, dass er sehr schüchtern ist und ging verwirrt weiter“, erinnert sich Luke. So ging es sechs Monate weiter. Dann grüßte der Russe eines Tages zurück.

„Ich fragte ihn, wie es ihm geht“, sagt Luke. „Er antwortete, dass sein Vater am Wochenende gestorben ist. Von einem Moment auf den anderen wechselte er von scheinbar völligem Desinteresse auf ein sehr emotionales Thema. Allein diese Erfahrung machte den starken Kontrast zwischen der russischen und der britischen Kultur deutlich: Wenn Sie in Großbritannien jemand fragt, wie es Ihnen geht, ist dies in der Regel eine eher belanglose Frage.“  

2. Verständnis für Emotionen

“Anfang der 2000er übte ich sehr viel Druck auf meine jungen, russischen Mitarbeiter aus“, gibt Lucio Purracchio, Direktor der Moskauer Dependance der Metall- und Bergbaufirma Tenova, zu. „Es schien mir, dass sie nicht hart genug arbeiteten und ich wollte, dass sie aktiver auf die Kunden zugehen.“

Auch wenn Purracchio manchmal heftig mit ihnen stritt, nahmen die Russen es nicht persönlich.

Als er nach einem heftigen Streit am nächsten Tag zur Arbeit kam, entschuldigte er sich für seinen emotionalen Ausbruch. „Ist gut, Lucio. Gestern war gestern, heute ist ein neuer Tag“, antworteten die Kollegen. „Trotz unserer kulturellen Unterschiede akzeptierten sie mich so wie ich bin und gaben ihr Bestes, um sich an mein Verhalten anzupassen. Ich verdanke ihnen viel. Sie haben mich toleranter gegenüber anderen Arbeitskulturen werden lassen“, so Purracchio.

3. Gutes Arbeiten unter Druck

„Deadlines, Stress und Druck – Das treibt Russen an“, meint Salman Mufti. Der Kanadier ist Professor an der Smith School of Business der Queens University und hält als Gastdozent regelmäßig Vorlesungen an der Skolkowo Business School. In seine Kurse in Skolkowo integriert er auch Gruppenarbeiten. Die Studenten müssen gemeinsam eine Präsentation erarbeiten und vorstellen. Mufti beobachtete, dass die russischen Studenten zunächst viel Zeit damit verbrachten, sich zu unterhalten. Die eigentliche Arbeit erledigten sie dann in letzter Sekunde.

Er sagt: „Ich erlebe das immer wieder in Russland und jedes Mal habe ich Angst, dass sie nicht rechtzeitig fertig werden. Aber irgendwie schaffen sie es doch. Ich denke manchmal, dass sich die Menschen in Russland freiwillig in eine Stresssituation bringen. Vermutlich macht es nicht jeder so, aber interessanterweise erzielen die Studenten, die die Arbeit vorschieben, bis die Deadline nah ist, trotzdem noch sehr gute Ergebnisse.“ 

Salman fügt hinzu, dass Studierende aus anderen Ländern in einer solchen Stresssituation weniger leistungsfähig wären. „Wenn kanadische Studenten unter solch einem Druck stehen würden, wären sie so gestresst, dass sie an nichts anderes mehr denken könnten. Russen arbeiten unter Druck sogar besser und scheinen generell sehr gut mit schwierigen Situationen umgehen zu können. Diese kulturelle Besonderheit beeinflusst höchstwahrscheinlich auch das Geschäftsleben.“

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 4. Anfängliche Skepsis

„Anfangs wirken Russen eher vorsichtig und skeptisch“, sagt Tom Rawlins. Er ist Professor an der Skolkowo Business School und kam bereits 1989 erstmals nach Russland, damals noch als Student. Den Kollaps der Sowjetunion und die darauffolgende unruhige Zeit erlebte er hautnah mit.

„Die alten Regeln galten nicht mehr und Millionen von Menschen mussten sich selbst helfen“, berichtet er. Ihm zufolge waren die Menschen nicht gewohnt, bei Problemen keine Hilfe vom Staat erwarten zu können.   

“Sie konnten auf nichts und niemanden vertrauen. Das war eine traumatische Erfahrung. Noch heute – Jahrzehnte später – ist es schwierig, produktive Partnerschaften mit Russen aufzubauen.“

Der Rechtsanwalt Conner stimmt ihm diesbezüglich zu. In seinem Beruf erlebt er häufig, dass die Mandanten anfangs skeptisch sind. „Sie sehen alle Menschen, auch mich als ihren Anwalt, als Feinde, die sich durch sie einen Vorteil verschaffen wollen. Deswegen versuchen sie, ihre Macht zu demonstrieren und sich selbst so in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen“, erklärt er.

„Das passiert auch bei Verhandlungen. Niemand versucht, einen Interessenausgleich zu erreichen. Wenn die Verhandlungspartner glauben, dass man schwächer ist, werden sie versuchen, das auszunutzen. Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist. Die Deals, die beiden Seiten nützen, sind in der Regel die besten“, sagt er.

 5. Es kann jederzeit Veränderungen geben

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„Wenn Sie ein Meeting schon im Voraus vereinbart haben, lassen Sie es sich am Abend davor noch einmal bestätigen. Dann sind Sie auf der sicheren Seite“, empfiehlt Lucio Puracchio.

„Ich hatte ein Treffen mit einem Geschäftspartner zwei Tage vorher vereinbart. Als es soweit war, riet mein Assistent mir, den Termin noch einmal bestätigen zu lassen. Ich hielt das nicht für nötig. Kurz darauf erfuhr ich, dass der Kunde nicht konnte“, erinnert er sich. „Daraufhin erklärte mir mein Assistent, dass die Menschen in Russland nur sehr wenig planen. Sie warten einfach ab, wie sich der Tag entwickelt.“

Lucio glaubt, dass das eine der wichtigsten Lektionen war, die er in Russland gelernt hat. Seitdem versucht auch er, die Dinge nicht mehr zu früh zu organisieren. Es gibt jedoch Anzeichen, dass sich diese russische Eigenschaft abwandelt.

„In den letzten Jahren hat sich alles verändert. Die Regel „denke nicht über die Zukunft nach“ scheint nicht mehr zu gelten. Heute planen auch russische Geschäftsleute viel im Voraus und gehen aktiver auf ihre Partner zu“, meint er und fügt hinzu: „Die wichtigste Regel, wenn man in Russland erfolgreich sein will, ist es, sich schnell anzupassen. Als Gäste müssen wir uns an das Tempo der Veränderungen anpassen, anstatt anderen zu empfehlen, sich so zu verhalten, wie wir es wollen.“

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