Gibt es in Russland typisch männliche und typisch weibliche Berufe?

Wirtschaft
KSENIA SUBATSCHJOWA
Während die russische Regierung immer mehr Berufe auch für Frauen öffnet, halten diese an der traditionellen Rollenverteilung fest. Sie sehen sich vor allem in Rechnungswesen, in der Lehre und der Verwaltung, während die Männer die Automobilindustrie, Logistik und Sicherheitsdienst bevorzugen.

Am 18. Juli wurde in Russland ein Gesetz verabschiedet, das das Arbeitsverbot für Frauen in über 350 Berufen aufhebt. Die Einschränkung stammt noch aus Sowjetzeiten. Ab 2021 dürfen Frauen nun auch LKWs und Züge steuern und zur Marine. Jedoch bleiben Frauen 100 von zuvor 456 Berufen weiterhin verwehrt. Dies sind körperlich extrem anstrengende oder gesundheitsschädliche Tätigkeiten. 

„Dem russischen Arbeitsmarkt fehlen wegen der demografischen Entwicklung seit den 1990er Jahren zunehmend Arbeitskräfte”, erklärt Olga Mets, Marketing- und PR-Direktorin bei „HeadHunter”, einer russischen Internet-Jobbörse. „Daher müssen Berufe geöffnet werden und neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um die Bedürfnisse der Wirtschaft im Allgemeinen und des Arbeitsmarktes im Besonderen zu befriedigen.”  

Durch das neue Gesetz dürfen Frauen nun auch Fallschirmspringerinnen, E-Lok-Fahrerinnen, Mechatronikerinnen, Küstenfischerinnen oder Traktorfahrerinnen werden. In der chemischen Produktion und im Bergbau hält man die Gesundheitsgefahr für Frauen für zu hoch, daher bleibt das Berufsverbot hier bestehen. 

Geschlechtsspezifische Vorurteile auf dem Arbeitsmarkt scheinen also langsam zu fallen. Dennoch gibt es im Land nach wie vor die Tendenz, in traditionelle Männer- und Frauenberufe zu unterscheiden. Recherchen der beliebten russischen Rekrutierungswebseite „Avito Jobs“ zufolge bestehen Geschlechtsstereotypen bei den meisten Russen weiterhin. Auch die Gehaltserwartungen von Männern und Frauen weichen nach wie vor voneinander ab. 

Eine Auswertung der von Januar bis Juni 2019 auf der Webseite veröffentlichten Lebensläufe ergab, dass weibliche Bewerber sich vor allem für die Bereiche Rechnungswesen (93,2 Prozent aller Lebensläufe), Lehre und Wissenschaft (84,4 Prozent), Verwaltung (83,1 Prozent) sowie Fitness und Beauty (82,1 Prozent) und Medizin und Pharmazie (77,9 Prozent) interessieren.

Die Männer streben eher eine Beschäftigung in der Automobilbranche (97 Prozent), im Transport- und Logistiksektor (95 Prozent), beim Sicherheitsdienst (93,8 Prozent), im Baugewerbe (93,1 Prozent) sowie in den Bereichen IT, Internet und Telekommunikation (88,6 Prozent) an. Gleichzeitig gibt es Bereiche, die für Frauen und Männer gleichermaßen von Interesse sind: Tourismus und Gastronomie (49,6 Prozent Männer, 50,4 Prozent Frauen), Marketing, PR und Werbung (50,4 Prozent Männer, 49,6 Prozent Frauen) sowie der öffentliche Dienst und Non-Profit-Sektor (51,6 Prozent Männer, 48,4 Prozent Frauen). 

Interessant ist auch, dass Frauen weiterhin weniger Gehalt verlangen als Männer. Beispielsweise erwarten Männer im Baugewerbe einen monatlichen Verdienst von (umgerechnet) 615 Euro, während Frauen bereit wären, sich mit knapp 500 Euro zufrieden zu geben. Ebenso sieht es im Gastgewerbe aus. Hier wollen Männer bis zu 560 Euro verdienen, den Frauen reichen 420 Euro. 

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