Wie die Pandemie den Wohnungsmarkt in Russland beeinflusst hat

Wirtschaft
ALEXEJ LOSSAN
Während der Corona-Restriktionen wurden weniger Häuser gebaut, aber die günstigen Immobilienkredite führten zu einer explodierenden Nachfrage – und zu einem entsprechenden Preisanstieg.

Wie stark hat sich das Bautempo in Russland aufgrund der Pandemie verringert?

Trotz der pandemiebedingten Wirtschaftskrise hat der Wohnungsbau in Russland nicht so stark nachgelassen wie erwartet. Laut dem Föderalen statistischen Amt Rosstat wurden in Russland 2020 ca. 75,5 Millionen Quadratmeter Wohnraum gebaut – das sind 5,9 % weniger als 2019.

Im Dezember 2020 wurden 15,5 Millionen Quadratmeter Wohnraum gebaut – ein Rückgang von 10,9 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Hat denn niemand eine Wohnung in Russland gekauft?

Im Gegenteil, es wurde sogar mehr als vorher gekauft.

„2020 kann als eines der erfolgreichsten Jahre für russische Immobilienentwickler angesehen werden. Nachdem der Lockdown aufgehoben wurde, nahmen die Aktivitäten auf dem Immobilienmarkt zu, was vor allem auf den Wunsch der Russen zurückzuführen ist, ihre Ersparnisse zu sichern“, erklärt Natalia Pyrjewa, Analystin der Firmengruppe Finam.

Infolgedessen machten Transaktionen mit Immobilienkrediten 64 % aller Transaktionen auf dem Immobilienmarkt aus und deren Volumen betrug 8 % des BIP – ein historisches Hoch für Russland.

Der Nachfrageansturm entstand hauptsächlich auf dem primären Wohnungsmarkt, breitete sich aber allmählich auch auf den sekundären Wohnungsmarkt aus. Sowohl Bauträger als auch private Verkäufer haben sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die gestiegene Nachfrage ausgenutzt und begonnen, die Preise für ihre Immobilien zu erhöhen, erklärt Pyrjewa.

Wie viel kostet eine Wohnung in Russland?

„Der Nachfrageboom führte zu Engpässen: Auf den aktivsten Märkten sank das Angebot im Laufe des Jahres um 25 – 30 %, die durchschnittlichen Kosten für Wohnraum stiegen im Gegenzug um etwa 20 %“, berichtet die Analystin.

In Moskau durchbrach der Durchschnittspreis pro Quadratmeter auf dem primären Markt die Marke von 340.000 Rubel (ca. 3.900 Euro). Landesweit habe der Durchschnittspreis bei etwa 90.000 Rubel (ca. 1.030 Euro) gelegen – 3 - 4 mal weniger, sagte Irina Dobrochotowa, Vorstandschefin von Best-Nowostroj.

So sei in Moskau im Jahr 2020 das Durchschnittsbudget für den Kauf einer Wohnung auf dem Primärmarkt im Massensegment auf ca. 9 - 10 Mio. Rubel (103.000 - 115.000 Euro) gestiegen, in St. Petersburg auf bis zu 5,5 Mio. Rubel (63.000 Euro). In Nischnij Nowgorod liege das Budget bei 4 - 4,5 Mio. Rubel (46.000 - 52.000 Euro), erzählt Roman Miroschnikow, Geschäftsführer des Wohnverbunds Ojkumena.

Der Anstieg des Quadratmeterpreises wurde und wird für alle Arten von Häusern, mit unterschiedlicher Anzahl von Räumen, in allen Bezirken Russlands beobachtet.

Welche Art von Wohnungen wird jetzt häufiger gebaut?

„Im Großraum Moskau dominiert der Massenmarkt-Wohnungsbau: 2,46 Mio. m² (64 %) werden jetzt im Economy- und Komfort-Segment zum Kauf angeboten, gefolgt vom Business-Class-Segment mit 1,04 Mio. m² bzw. 27 % des Angebots“, berichtet Irina Dobrochotowa. Auf das High-End-Segment entfielen die restlichen 9 %.

Laut Roman Miroschnikow werde in Regionen außerhalb von Moskau und St. Petersburg auch das Massensegment im Fokus von Käufern und Entwicklern stehen, da hier der der Schwerpunkt der Nachfrage liegt.

Sotschi ist eine Ausnahme, denn aufgrund seines Status als Urlaubsort mit entwickelter Infrastruktur für die Erholung am Meer und in den Bergen können mehr Projekte der Business-Class-, Premium- und Elite-Segmente realisiert werden.

Wie viel Wohnraum gibt es in Russland insgesamt?

Nach Angaben von Best-Nowostroj gibt es in Russland etwa 3,8 - 4 Mrd. m² Wohnraum. Auf Moskau entfallen mit 280 - 300 Mio. m² etwa 7 % dieses Volumens – aber nur ein Bruchteil aller Wohnungen wird zum Verkauf angeboten. In Moskau und der Moskauer Region wird der Primärmarkt auf 3,9 Mio. m² geschätzt – etwa 1.700 Gebäude in 600 Projekten. Der Anteil der Hauptstadt macht davon fast 2,5 Mio. m² aus. Der Sekundärmarkt  ist mit etwa 2 Mio. m² etwas weniger umfangreich.

„Vielleicht sind diese Zahlen aufgrund des für die letzten Jahre (außer 2020 - Anm. d, Red.) untypischen Rückgangs der Nachfrage in beiden Märkten zu beobachten – ca. Minus 30 % für das Jahr. Höchstwahrscheinlich wird die Quadratmeterzahl beim Verkauf auf dem sekundären Markt in den nächsten Jahren höher sein als auf dem primären Markt, das hier die größere Nachfrage besteht“, vermutet Irina Dobrochotowa.

Gleichzeitig lassen die Maßnahmen zur Dämpfung der Neubauaktivitäten Zweifel daran aufkommen, dass das Volumen an Neubauten in der Hauptstadt auch weiterhin von Jahr zu Jahr so stark zunehmen werde.

Aber all dies gilt für Moskau, während die Situation in allen anderen Regionen völlig anders aussehen kann. „Um die durch den Präsidialerlass gesetzten Standards (Übergabe von 120 Mio. m² Wohnraum pro Jahr) zu erfüllen, werden Moskau und St. Petersburg nicht ausreichen, so dass das Ministerium für Bau und Entwicklung versuchen wird, die Rate des Baus von neuem Wohnraum in den Regionen zu erhöhen. Es ist durchaus möglich, dass in den nächsten zwei oder drei Jahren der primäre Wohnungsmarkt in großen Städten vorherrschen wird“, resümiert Dobrochotowa.

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