„Norilsk ist für immer in meinem Herzen und in meiner Lunge“, sagen die Einheimischen. Das Leben vieler Menschen hier ist mit dem Bergbau- und Metallurgiekombinat Norilsk (Teil von Norilsk Nickel) verbunden, das etwa die Hälfte der 175.000 Einwohner beschäftigt.
Dazu gehören Bergleute, die das Erz abbauen, Ingenieure in den Werken, Logistikspezialisten und viele andere.
Wir besuchten das Kupferwerk, trafen einen Mann, der nach zehn Jahren in der Mine zum Parfümeur wurde und fanden heraus, wie Kaffee mit Wildfleisch schmeckt.
Das Kupferwerk wurde 1949 eröffnet. Das erste, was Sie riechen, wenn Sie in der Nähe der Anlage sind, ist der Geruch von Schwefel. Schwefeldioxid ist ein Nebenprodukt der Schmelzöfen, und je näher Sie an der Anlage stehen, desto stärker riecht man es.
Wie uns Norilsk Nickel mitteilte, hat das Unternehmen ein Schwefelprogramm entwickelt: Bis Ende 2023 wird der Schwefel aufgefangen und mit Kalkstein neutralisiert, wodurch Gips entsteht, der zur Herstellung von Baumischungen verwendet werden kann. Langfristig sollen die Emissionen um 90 Prozent gesenkt werden.
Wegen der Schadstoffe laufen einige Arbeiter in der Schmelzhalle nicht einmal mit Atemschutzmasken, sondern mit Schlauchgasmasken herum. Eine Pfanne transportiert das geschmolzene Kupfer zum Ofen, um von Verunreinigungen befreites Anodenkupfer zu erhalten.
Der Schmelzpunkt von Kupfer liegt bei ca. 1.084 °C, daher ist es in den Werkstätten trotz der starken Belüftung sehr heiß. Die Anoden werden in Gussformen gegossen und auf Waggons zur Elektrolyse transportiert.
Dort werden sie drei Wochen lang in Bädern mit Schwefelsäure gebadet. Das Ergebnis ist das Produkt der Anlage – Bleche aus reinem Kupfer.
Der Großteil des Norilsker Erzes wird in einer Tiefe von 700-900 Metern (an manchen Stellen bis zu 2 Kilometern!) abgebaut. Aber in Norilsk gibt es neben der Mine Sapoljárnyj auch einen Tagebau namens Medweschij Rutschej. Der bisher einzige Ort, an dem Norilsker Erz im Tagebau abgebaut wird.
„Unser Erz ist natürlich einzigartig“, sagt Artjom Melkow, der Chefingenieur der Mine. „Es enthält 15 Mineralien, von denen wir neun abbauen. Dabei handelt es sich um Nichteisenmetalle, wie Kupfer, Kobalt, Nickel, Platin, Gold und andere.“ In der Nähe von Norilsk befinden sich nach modernen Schätzungen etwa 40 Prozent der weltweiten Vorräte an Platinoiden, 35 Prozent des Nickels, 15 Prozent des Kobalts und 10 Prozent des Kupfers.
Das Erz liegt im Inneren eines Berges, und um an es heranzukommen, muss man den Berg mithilfe von Sprengstoff „freilegen“. Dann wird es mit riesigen Belas-Muldenkippern mit mannshohen Rädern transportiert. Danach wird das Erz zu Aufbereitungsanlagen geschickt, wo Konzentrate daraus gewonnen werden.
Das Kupferkonzentrat geht an das Kupferwerk, das Nickel- und Pyritkonzentrat an das Hüttenwerk Nadjeschda.
Die Arbeit in der Produktion wird sehr ernst geführt und erfordert ständige Konzentration. Die Unternehmen in Norilsk dürfen nur nach einem Atemtest am Eingang (und übrigens auch am Ausgang) betreten werden. Aber die Leute kommen aus dem ganzen Land, sowohl auf Saisonanstellung als auch mit einem festen Vertrag.
Die Gehälter für bestimmte Berufe sind mindestens anderthalb Mal so hoch wie auf dem „Festland“. In der Schmelzerei zum Beispiel beginnen sie bei 100.000 Rubel im Monat (984 Euro). Die höchsten Gehälter werden heute an Bergleute gezahlt, die unter Tage arbeiten.
Die Lebenshaltungskosten in Norilsk sind allerdings auch recht hoch, da alles eingeführt wird. Das bedeutet aber nicht, dass es überhaupt keine lokale Produktion gibt. In den Restaurants können Sie zum Beispiel neben den traditionellen nordischen Gerichten wie Wild und Stroganina auch das lokale Bier probieren. Es wird hier seit 1944 gebraut. Anfang der 2000er Jahre wurde diese sowjetische Fabrik aufgrund der Wirtschaftskrise geschlossen, aber dafür 2009 eine moderne Fabrik eröffnet, allerdings mit demselben Technologen. Die dort hergestellten Getränke werden wegen ihrer kurzen Haltbarkeit nirgendwo anders angeboten.
Kaffeeliebhaber finden in Norilsk die vielleicht ungewöhnlichste Art von Kaffee – m t geriebenem Wildfleisch (Jukola, wie die Einheimischen es nennen). „Getrocknetes Wildbret hat eine ähnliche Dichte wie Bitterschokolade“, erklärt Sergej Serbin, der Erfinder dieses Getränks. Und dann gibt es noch andere Varianten: Moltebeeren und Preiselbeeren werden einem Getränk namens Tundra hinzugefügt. Im Nordlicht sind es dagegen Minze und Eukalyptus. „Sie können den Atem der Arktis spüren“, sagt Sergej.
Wenn Sie ein Dessert zu Ihrem Kaffee brauchen, wie können Sie dann auf Eis verzichten? Das Eis in Norilsk wird ebenfalls mit Wildfleisch hergestellt, obwohl es auf den ersten Blick wie Schokoladeneis aussieht. Es wurde von der Norilskerin Nina Fedotowa erfunden, einer großen Bewunderin der nordischen Küche.
Sergej Serbin
Pawel KusmitschjowAlexander Schapowalow, ein ehemaliger Bergarbeiter, stellte fest, dass es den Menschen in Norilsk an frischen Kräutern mangelt. In seinen Gewächshäusern wachsen Gurken und Kräuter.
Ein anderer ehemaliger Bergmann, Alexej Boltatschow, ist der nördlichste Parfümeur geworden. Er hat diesen Beruf nach zehn Jahren in den Minen von Norilsk ergriffen. Alexej kam 2010 aus Udmurtien (Zentralrussland) nach Norilsk, „der großen Liebe wegen“. Seine Ehefrau stammt von hier. „Ich sagte ihr, dass ich bereit sei, mit ihr bis ans Ende der Welt zu gehen. Und so bin ich tatsächlich am Ende der Welt gelandet“, berichtet er.
Alexej Boltatschow
Pawel KusmitschjowVor ein paar Jahren begann er, sich für die Kreation von Düften zu interessieren. „Parfümerie – das sind Fantasie und Emotionen in einem Flakon, was uns in unserem normalen Leben oft fehlt“, erklärt er. „Ich bin sehr inspiriert von der Natur des Taymir: kurze Sommer, harte Winter und die leuchtenden Farben des Nordlichts.“
Er studierte online. Sein Lehrer schickte ihm Ingredienzien, er studierte sie, beschrieb sie und experimentierte und kreierte die ersten Formeln seiner Düfte. Im Jahr 2020 ließ er seine Marke Mr. Bollex Woodmurt registrieren und entwickelte eine ganze Reihe von Düften mit dem Namen Düfte des Taimyr, die zu einem beliebten Souvenir für Besucher der Stadt geworden sind. Dazu gehören Tundra mit einem Beerenaroma und Nordlicht mit kalten, weichen Noten. „Ich hatte die Idee, das grüne Schimmern im Frost zu vermitteln“, erklärt Alexej.
Alexej Boltatschow
Pawel KusmitschjowDas leichteste Parfüm trägt den Namen des sibirischen Flusses Jenissei, „frisch und transparent wie Wasser“. Und das ungewöhnlichste ist einem Spaziergang zu den Roten Steinen gewidmet, einem Naturdenkmal in Norilsk. Die rote Farbe wird mit Hilfe von Hagebutten und roten Johannisbeeren erzeugt.
Die Tatsache, dass die Umgebung von Norilsk reich an Kupfererz ist, war schon vor Jahrhunderten bekannt. Aber die wirkliche Erschließung begann erst im letzten Jahrhundert, als die Sowjetunion den Kurs auf die Industrialisierung einschlug und hier Fabriken gebaut wurden. Die Stadt wurde 1935 von Insassen des Besserungs- und Arbeitslagers Norilsk (NorilskLag) gegründet. Nach dessen Schließung im Jahr 1956 begannen dann junge Fachkräfte aus dem ganzen Land hierher zu kommen.
Vor dem Zusammenbruch der UdSSR war Norilsk eine geschlossene Stadt, die nur mit einem speziellen Passierschein betreten werden durfte. Heute brauchen nur noch Ausländer eine Genehmigung, während jeder russische Bürger nach Norilsk kommen kann, um das Leben in einer Industriestadt oberhalb des Polarkreises mit eigenen Augen zu sehen. Und das ist eine echte Herausforderung.
Viele Einwohner von Norilsk sagten uns, dass sie nur etwas Geld verdienen und dann auf das „Festland“ gehen möchten. Die Verwaltung von Norilsk und Norilsk Nickel helfen denjenigen, die die Stadt verlassen wollen, aber sie müssen mindestens zehn Jahre lang gearbeitet haben. Einige verlassen die Stadt nach ein paar Wochen, weil sie die kalten Winter und die Polarnacht nicht aushalten können. Aber es gibt noch viele andere, die dachten, sie würden nur für ein paar Jahre herkommen, dann aber für immer geblieben sind.
Jurij, ein Busfahrer, erzählt, dass er zu Sowjetzeiten nach der Armee aus dem sibirischen Umland nach Norilsk kam. „Mit einem Komsomol-Ticket“, wie man damals zu sagen pflegte, um auf einer Baustelle in der Polarregion zu arbeiten. In seiner Jugend hatte er genug Energie, um eine Schicht in der Mine zu arbeiten und anschließend noch zu „feiern“, d.h. um auszugehen. In den letzten Jahren hat er als Fahrer gearbeitet, seine Gesundheit ist nicht mehr dieselbe.
In einem seiner Urlaube besuchten er und seine Frau Wolgograd und die Stadt gefiel ihnen so gut, dass sie beschlossen, hierher zu ziehen und zu leben. Sie haben bereits ein Grundstück gekauft, jetzt müssen sie nur noch so lange arbeiten, bis sie in Rente gehen.
Olga und Michail Parsow sind bekannte Künstler in der Region Krasnojarsk. Sie malen Bilder, stellen Kunstgegenstände und Souvenirs zu nordischen Themen her und veranstalten oft kreative Abende. Sie gehören zu den Einwohnern von Norilsk, denen es gelungen ist, das nördliche Zen einzufangen. Olga sagt, dass ihre Tochter erwachsen geworden und weggezogen ist, aber sie und ihr Mann sind von Norilsk begeistert. Und sie haben nicht vor, wegzuziehen.
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