Monderoberung: Wer macht das Rennen – Russland, China oder die USA?

Wissen und Technik
JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWA
Ein neuer Wettlauf ins All ist wahrscheinlich das Letzte, was die russische Raumfahrt aktuell braucht. Doch es scheint unvermeidlich. Die Konkurrenz steht bereits in den Startlöchern.

Im letzten November verkündete NASA-Chef Jim Bridenstine auf Twitter: „Die USA werden wieder auf dem Mond landen, schneller als alle denken!” Es war der Startschuss für den nächsten Wettlauf ins All. Nur wenig später erklärten die Chinesen, erstmals eine Raumsonde auf die dunkle Seite des Mondes zu schicken.  

Der stellvertretende Vorsitzende der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos sprach damals auf einer Parlamentssitzung davon, dass ein neuer Wettlauf zwischen den drei Weltraummächten China, den USA und Russland begonnen hätte. Roskosmos wolle seine Pläne für eine Mondexpedition im Frühjahr 2019 vorstellen. Zuletzt war russisches Gerät noch zu Sowjetzeiten, 1976, auf dem Mond im Einsatz.

Warum soll man überhaupt zum Mond fliegen?

Zum Mond fliegen ist eine teure Angelegenheit. Das Apollo-Programm der NASA, das 1961 mit dem Ziel, einen Astronauten auf den Mond zu schicken, gestartet wurde, ist nach wie vor das bislang teuerste Projekt der NASA. Doch man geht davon aus, dass sich der Aufwand für die Eroberung des Mondes lohnen wird. Die Erforschung des Mondes ist wichtig für die Grundlagenforschung. Der Mond wird zudem als Zwischenstation für spätere Marsexpeditionen betrachtet. Er ist gewissermaßen das Tor zu den unendlichen Weiten des Weltalls.

Ebenso wie die Antarktis gehört der Mond niemandem. 1979 haben die Vereinten Nationen den sogenannten Mond-Vertrag verabschiedet. Der Erdtrabant und seine Ressourcen sind demnach „gemeinsames Erbe der Menschheit“ und niemand kann die Souveränität beanspruchen. Der Haken ist, dass weder Russland noch die USA oder China diesen Vertag jemals ratifiziert haben. Streitigkeiten darüber, wem die wertvollen Schätze des Mondes gehören, sind daher wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit. Die auf dem Mond vorhandenen Reserven des Isotops Helium-3 (sehr selten auf der Erde) könnten die Energieversorgung der Menschheit auf der Erde für mindestens 250 Jahre sicherstellen.

Es ist außerdem wahrscheinlich, dass die Internationale Raumstation ISS im Jahr 2024 in ihrer jetzigen Form nicht mehr existieren wird. Etwa die Hälfte der Betriebskosten wird derzeit von den USA getragen (etwa 2,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr), und der Vertrag endet 2024. Die Trump-Administration möchte, dass sich die USA aus dem ISS-Projekt zurückziehen. Die NASA will eine eigene bemannte Mondstation. China war bisher nicht auf der ISS involviert und plant eine eigene Station (eng) ab 2020.

Russland steht daher vor einer schwierigen Entscheidung. Entweder beteiligt man sich am Rennen um die Eroberung des Mondes oder man bleibt zukünftig auf dem Boden. „Das russische Raumfahrtprogramm wird in jedem Falle fortgesetzt. Das Problem ist nur, dass es ständig überarbeitet und immer wieder verschoben wird”, meint Alexander Schajenko, ein Raketenwissenschaftler, der unter anderem die Trägerraketen Angara-A5 und KSLV mitentwickelt hat.

Gescheiterte Geschäfte

Russlands aktuelle Pläne sehen eine Mondmission zu dessen südlichem Pol vor. An der Stelle, an der Wasservorräte vermutet werden, soll eine Basis errichtet werden. Der Start der Mondsonde Luna-27 mit Equipment aus Europa an Bord ist für 2020 geplant. Russland möchte mit Bauteilen der ISS eine Basisstation im Mondorbit bauen.

Der Plan klingt gut, doch es gibt immer wieder Probleme. Der Start der Raumsonde Luna-25 wurde bereits mehrfach verschoben. Sie sollte am Südpol des Mondes landen, doch die Russische Akademie der Wissenschaften, Kooperationspartner von Roskosmos, hielt die Voruntersuchungen nicht für „ausreichend positiv”. Russland hat daher bereits Partner wie die Schweden verloren, die auf chinesische Trägerraketen ausgewichen sind, um Material in den Orbit zu transportieren.

Fehlende Technologie

Eine weitere Ursache für Russlands Misserfolge in der Raumfahrt ist technologischer Natur. Die Start- und Landetechnik stammt noch aus der Sowjetzeit. Vierzig Jahre ist es her, dass Russland sich über die Erdumlaufbahn hinaus gewagt hat. Es fehlt mittlerweile an Erfahrung. Die sanfte  Landung und Steuerung von Mondfahrzeugen oder die Entnahme von Bodenproben müssten erst geübt werden. Die Sanktionen gegen Russland verschärfen das Problem: rund 70 Prozent der Astronomie-Technik kamen zuvor aus den USA. Dieser Kanal ist zu.

Zeitgewinn

Ist Russland also schon vor dem Start aus dem Rennen? Nein, meint Alexander Schajenko. Er erinnert an in Russland entwickelte Weltraumtechnologien wie das für die Suche nach Wasserstoff in Wassermolekülen entwickelte Neutronenspektrometer Dynamic Albedo of Neutrons (DAN) – Tool. Mit diesem lässt sich Wasser aufspüren. Es ist in dem US-Rover Curiosity eingebaut, der seit August 2012 auf dem Mars unterwegs ist und dort nach Wasser sucht. Eine weitere russische Entwicklung von globaler Bedeutung war auch das Radioastron-Teleskop. Es lieferte hochauflösende Bilder und übertraf seine Lebenserwartung um das doppelte. Erst in diesem Januar gab es den Geist auf.

Ein weiterer Umstand verschafft Russland mehr Zeit. Die Pläne Trumps, das US-Segment der ISS zu privatisieren, stoßen beim US-Senat und NASA-Generalinspekteur Paul Martin auf strikte Ablehnung.

„Die Amerikaner haben Sorge, dass die Chinesen ihren Platz auf der ISS einnehmen werden, wenn sie sich von ihr zurückziehen, um sich mehr auf den Mond zu konzentrieren”, glaubt Wladimir Lukaschewitsch, ein früherer Konstrukteur des Unternehmens Suchoi. „Es fehlt an Motivation auf allen Ebenen. Geld ist zwar vorhanden, aber niemand hält den Wettlauf um den Mond für wirklich notwendig”, meint Schajenko. „Die ISS ist noch immer an ihrem Platz und solange sie funktionstüchtig ist, denke ich nicht, dass Russland ernsthaft die Eroberung des Mondes vorantreibt”, sagt er.  

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