Mondtagebuch Teil 4: Wie lebt es sich in einer Raumstation?

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Anastasia Stepanowa war auf dem Mond. Der Mond war in ihrem Falle gar nicht weit weg, sondern mitten in Moskau. Dort hat Stepanowa an einem Isolationsexperiment teilgenommen. In ihrem Mondtagebuch berichtet sie über den viermonatigen Aufenthalt zusammen mit Kollegen in einem Metallcontainer als Raumstation.

Es stellte sich heraus, dass es gar nicht so schlimm war. Der „bodengestützte experimentelle Komplex“ (bekannt unter der russischen Abkürzung NEK) befindet sich am Institut für biomedizinische Probleme (IBMP) in Moskau, das seit den 1960er Jahren Raumflüge simuliert, um die physiologischen und psychologischen Auswirkungen extremer Bedingungen auf den Menschen zu untersuchen. 

Der Ort, an dem wir vier Monate lang gelebt und gearbeitet haben - NEK - ist eine einzigartige Einrichtung, die eine versiegelte Raumstation nachbildet. Es gibt fünf Module, von denen vier nach ihrem Volumen in Kubikmetern nummeriert sind (EU-50, EU-100, EU-150, EU-250) und dazu einen Hangar. Der Innenraum ist in Naturholz-Optik gehalten. Solch einen Luxus werden Sie unter realen Bedingungen eher nicht finden.  

Die Atmosphäre in der Station wird bei einem Druckanstieg von drei Prozent gehalten, damit Staub und Mikroben nicht von außen eindringen können.

Ein Spaziergang durch die Module 

Das Herzstück der Station ist ein 150 Kubikmeter großes Wohnmodul, das mit den anderen Modulen verbunden ist. Es gibt sechs Einzelkabinen, eine Küche mit Essecke, einen Raum für die Betriebskonsole, einen Gemeinschaftsraum und eine Toilette. 

Die Betriebskonsole enthält Geräte für die Kommunikation mit dem Mission Control Center (MCC) und Monitore, die Daten zum Lebenserhaltungssystem der Station anzeigen. Mehrmals täglich überprüfen wir den Kohlendioxidgehalt und die Temperatur sowie die Reinigungssysteme und Filter.  

Im Gemeinschaftsraum kommen wir aus genau zwei Gründen zusammen:  

  1. Dreimal am Tag vor jeder Mahlzeit machen wir dort Planking und hören dabei Musik. 
  2. Am Abend nach getaner Arbeit machen wir es uns auf blauen Sitzsäcken gemütlich und schauen Filme und Serien zum Thema Weltall. 

Mittelpunkt unseres sozialen Lebens ist die Küche. Dazu gehört unbedingt eine Tasse Tee. Im Weltraum wird jedoch nicht gekocht, sondern es gibt Gefriergetrocknetes. Sie müssen nur heißes Wasser hinzufügen und die Mahlzeit oder das Getränk sind fertig. Die Küchenausstattung ist eher spartanisch. Es gibt nur einen große Thermotopf und eine Mikrowelle. 

Fünf der sechs Kabinen sind gleich groß (2,5 mal 1,5 Meter). Die sechste - die Kabine des Kommandanten - ist etwas größer. Der Gemeinschaftsraum hat einen Durchgang, der zum medizinischen Modul führt. Darin stehen ein Pflegebett, medizinische und wissenschaftliche Geräte, verschiedene Wandschränke und Tische an den Wänden für verschiedene Experimente. 

Das größte Modul, EU-250, ist Lagerraum für Lebensmittel, Kleidung und Zubehör und es ist genügend Platz für individuelles körperliches Training.  

Hinter dem Abstellraum befindet sich ein Abteil mit einem Gewächshaus, in dem verschiedene Arten von Salatblättern, Zwiebeln, Sauerampfer, Basilikum, Rucola, Zitronenmelisse und Weizen angebaut werden. Manchmal kommen Mitglieder der Crew hierher, jedoch nicht zur Ernte, sondern zur Entspannung. Wenn Sie mit einer Tasse Tee vor den Pflanzen sitzen, die vom hellen, warmen Licht angestrahlt werden und Ihre Lieblingsmusik dabei hören, fühlen Sie sich fast wie zu Hause auf der Erde. 

Neben dem Gewächshaus befindet sich ein von RSC Energia (Rocket and Space Corporation Energia) installierter Simulator, um das Andocken des Raumschiffs an eine Raumstation zu üben.  Er besteht aus Sitz, Monitor, Bedienfeld und Joystick und ahmt grob das Design des Sojus-Raumschiffs nach. 

Durch das Gewächshaus gelangt man in ein Fitnessstudio, in dem alle Ausdauertrainings und Experimente durchgeführt werden, um die menschliche Physiologie im Weltraum zu studieren. Es gibt zwei Laufbänder, die wir jeden Tag benutzen. Zusätzlich zu den Laufbändern verfügt das Fitnessmodul über zwei Veloergometer (Fahrräder), die wir einmal im Monat ausschließlich für wissenschaftliche Experimente verwenden. 

Der letzte Raum in Modul EU-250 ist auch der am meisten geschätzte - der Duschraum. Alle zehn Tage duschen wir uns gründlich. 

Pakete von der Erde und Landung auf dem Mond 

Das Modul EU-50 ist an einem Ende mit dem Wohnmodul 150 und am anderen Ende mit dem Hangar verbunden, in dem die Mondoberfläche nachgebildet ist. 

EU-50 wird einmal im Monat zu einem Frachtschiff, auf das die Bodendienste Lebensmittel und Ausrüstung stellen, die wir - auf ein bestimmtes Signal hin und nach Öffnen der Luke – in unsere  Station bringen. Danach schließen wir die Luke zum „Frachtschiff“ wieder und warten auf die nächste Lieferung.

Entsprechend unseres Missionsszenarios machen sich im dritten Monat unserer Isolation vier Besatzungsmitglieder auf den Weg zur Mondoberfläche. Sie betreten dazu das Modul EU-50, schließen die Luke, simulieren das Abdocken von der Station und verbringen eine Woche dort, während sie in regelmäßigen Abständen mit ihren Raumanzügen in den Hangar bzw. auf die Mondoberfläche gehen.

Modul EU-50 enthält unter anderem vier Schlafplätze mit Sichtschutz, Toilette, Thermotopf und wissenschaftlicher Ausrüstung.

Crew Commander Jewgenij Tarelkin und der amerikanische Missionsspezialist Reinhold Povilaitis wurden zu Neil Armstrong und Buzz Aldrin und betraten die Mondoberfläche. Diese ist in der Simulation  80 Quadratmeter groß und bietet den Testforschern durch Virtual-Reality-Technologie ein sehr realistisches Erlebnis. Dem Crew Commander zufolge verschwammen die Grenzen von virtueller und realer Mondlandschaft. 

Die Kosmonauten machten auf dem simulierten Mond aber nicht nur einen Spaziergang, sie bedienten auch wissenschaftliche Geräte, nahmen Proben vom Mondgestein und reparierten den Mondrover.

***

Das MARS-500-Experiment, das alle Rekorde für die Dauer eines solchen Projekts gebrochen hat, wurde 2011 beendet und die NEK-Anlage wurde danach umgebaut. Speziell für das SIRIUS-Programm wurde ein biorhythmisch gesteuertes LED-Beleuchtungssystem entwickelt und installiert, das Änderungen des terrestrischen Tageslichts imitiert, um einen optimalen psychophysiologischen Zustand der Besatzung zu fördern. Ein neues digitales Videoüberwachungssystem bestehend aus 84 Kameras ermöglicht es Wissenschaftlern und Ingenieuren, den Zustand der Besatzung und der Station selbst zu verfolgen, Experimente zu überwachen und bei deren Durchführung aus der Ferne behilflich zu sein. 

NEK ist nicht nur eine weltweit einzigartige Simulationsstation, sondern auch ein sehr komfortables und sicheres Zuhause für die Testforscher. 

>>> Mondtagebuch, Teil 1: Wie bereitet man sich auf vier Monate auf dem Mond vor?

>>> Mondtagebuch Teil 2: Frauen und das Weltall – wie füreinander geschaffen

>>> Mondtagebuch Teil 3: Meine Hassliebe zum Weltraum-Laufband

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