Anfang Mai in Moskau, am Ende eines Arbeitstages. Die Moskauer, die trotz der Feiertage zur Arbeit müssen, starren auf dem U-Bahnsteig niedergeschlagen vor sich hin. Ein Zug rollt ein. Doch statt der üblichen grau-blauen Wagen erscheint ein rot-schwarzes Geschoss mit breiten, abgedunkelten Fenstern. Es sieht aus, als wäre es einem Science-Fiction-Comic entsprungen. Vorne auf dem Zug steht „Moskwa-2020“. An den Türen erfahren die Passagiere, was sie erwartet: Komfort, Technologie, Sicherheit. In den Fenstern wird der Name der nächsten Haltestelle eingeblendet.
So sieht die neue Bahn Moskwa-2020 aus, die von der Oktjabrskij Eisenbahnfabrik in St. Petersburg und der Metrowagonmasch Fabrik in der Nähe von Moskau gebaut und im Herbst 2020 auf der Kolzewaja-Ringlinie vorgestellt wurde. Das Design wurde von der italienischen Firma ItalDesign entwickelt, die auch mit Audi, Airbus, McLaren und Lamborghini zusammenarbeitet.
Das strenge Erscheinungsbild erweckt den Eindruck, als würden Sondereinsatzkommandos aus dem Waggon stürmen. Doch wenn sich die Türen öffnen, erwarten Sie keine Weltraumsoldaten, sondern ein großzügiges, gut ausgeleuchtetes Abteil.
Die Handläufe und weich gepolsterten Sitze (nur fünf statt sechs Plätze pro Reihe) sind roségoldfarben und auf jedem Sitz prangt ein M, das Symbol der Moskauer Metro. So wird es auch auf der Webseite des Moskauer Bürgermeisters beschrieben.
Am Ende jedes Wagens befinden sich zwei weitere Sitze auf der einen Seite und eine gepolsterte Wand, an die sich die Passagiere anlehnen können.
Der größte Fortschritt ist jedoch, dass es in jeder Sitzreihe zwei USB-Anschlüsse gibt. Selbst an den Stehplätzen sind sie verfügbar.
Überraschend fand ich, dass es sehr wenig Werbung gibt. Über jeder Sitzreihe gibt es eine kleine Anzeigetafel, doch dort wurden während meiner Fahrt auf der Kolzewaja-Ringlinie nur Informationen zu vorübergehenden Sperrungen verschiedener Stationen angezeigt. Womöglich wird die Werbung zu einem späteren Zeitpunkt noch geschaltet. Auf Touchscreens ist eine interaktive Karte verfügbar, mit Informationen zu den Haltestellen und zum Fahrplan.
Unter der Decke werden auf Anzeigetafeln die nächsten Stopps angekündigt. Bildschirme über den Türen zeigen an, wann diese sich schließen werden.
Auf den Handläufen sind Aufkleber angebracht, die darüber informieren, dass diese sowie die Luft im Triebwagen desinfiziert werden. Dennoch wird zum Tragen von Masken und Handschuhen geraten. Zwar gibt es noch keine offizielle Aufhebung der Maskenpflicht, doch darauf würde man nicht kommen, wenn man sich die Mehrheit der Passagiere betrachtet.
Einen weiteren großer Vorteil bringen die transparenten Trennwände, die die Sitzreihen vom Einstiegsbereich trennen. So kann man sich anlehnen, wenn man nur noch einen Stehplatz ergattert hat, ohne einen anderen Passagier zu berühren.
Auf der Webseite des Moskauer Bürgermeisters heißt es außerdem, dass die Gänge 57 Prozent breiter sind, von bisher 102 auf 160 cm erweitert wurden. In einem halb leeren Wagen ist der Unterschied nicht wahrnehmbar, aber das wird zur Stoßzeit ganz anders sein.
Der Hersteller erklärt, dass der Zug um 15 Prozent leiser ist. Das scheint zutreffend zu sein.
Während der Fahrt konnte ich deutlich die leisen Gespräche der Fahrgäste mithören, die mir gegenübersaßen, und mein Gehör ist bestenfalls mittelmäßig.
An meiner Zielhaltestelle bemerkte ich beim Ausstieg einen weiteren Aufkleber, der darauf hinwies, dass die Türen gegenüber der vorherigen Generation von Schienenfahrzeugen um 28 Prozent verbreitert wurden. Auch das wird sich vor allem während der Rush Hour bemerkbar machen. Beim Aussteigen fällt jedoch die ausgezeichnete Reflexion der Tür auf – perfekt für Selfies. Wenn diese nun noch öfter gereinigt würden, könnte man sich vor Instagrammern und TikTokern nicht retten.
Im April 2021 erhielt der Zug Moskwa-2020 den „Red Dot Award: Product Design 2021“. Aktuell fahren 52 solcher Züge für die Moskauer Metro. Bis 2023 sollen 172 in Betrieb sein - etwa ein Viertel des gesamten Fuhrparks der U-Bahn.
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