Erdölbranche: Der Ölpreis sinkt, die Stimmung auch

Dieses Jahr war nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird.

Dieses Jahr war nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird.

Reuters
Der Erdölpreis hat ein neues Rekordtief erreicht: Zum ersten Mal seit sieben Jahren fiel er unter 40 US-Dollar. Ein Ende der Abwärtsspirale ist nicht abzusehen, drängt doch im nächsten Jahr auch iranisches Erdöl auf den Markt. Russlands Erdölbranche verzichtet daher vorerst auf Investitionen.

Am Dienstag erreichte der Preis für die Rohölsorte Brent mit 39,85 US-Dollar ein neues Tief – es ist der niedrigste Preis seit sieben Jahren. Schon am Montag hatte es einen Preisrutsch von 5,3 Prozent gegeben, am Folgetag ging es um weitere 0,7 Prozent abwärts. Der Grund für die erneute Talfahrt war die Entscheidung der Opec, festgelegte Förderhöchstmengen aufzuheben. Nun könnte im nächsten Jahr noch mehr Öl auf den Markt drängen, wie der Mediendienst Bloomberg berichtet, etwa aus dem Iran, der dann keinen Sanktionen mehr unterliegt.

Auch der Preis für die russische Rohölsorte Urals zeigt einen deutlichen Abwärtstrend. Der Durchschnittspreis für Urals lag zum Jahresbeginn noch bei 52,16 US-Dollar pro Barrel, am Dienstag sank er auf 38,34 US-Dollar. Das russische Energieministerium geht zwar davon aus, dass russische Unternehmen auch einen Preis von unter 50 US-Dollar pro Barrel verkraften könnten. Doch beim momentanen Besteuerungssystem fehlen die Mittel und der Anreiz, in die Erschließung neuer Lagerstätten zu investieren.

Noch ist Luft  

Die großen Konzerne haben bereits entschieden, geplante Projekte vorerst einzufrieren. Der größte russische Erdölkonzern Rosneft hat die Termine für die Erschließung von neun Lagerstätten nach hinten verschoben. Rosneft-Präsident Igor Setschin erklärte bereits im Juni auf dem Sankt Petersburger Wirtschaftsforum, dass der aktuelle Erdölpreis – zum damaligen Zeitpunkt noch 63 US-Dollar pro Barrel Brent – es der Erdölwirtschaft nicht ermögliche, langfristig kostendeckend zu wirtschaften. Um einen neuen Preisschock und kritische Finanzeinbußen zu verhindern, müsste der Erdölpreis seiner Meinung nach wieder auf 80 US-Dollar pro Barrel steigen. Ende November erklärte Setschin, dass er mit einer Erholung des Marktes jedoch nicht vor Mitte 2017 rechne. Mit welchem Erdölpreis das Staatsunternehmen im nächsten Jahr kalkuliert hat, ist nicht bekannt.

Der private Mineralölkonzern Lukoil allerdings plant für 2016 mit einem Preis von rund 50 US-Dollar pro Barrel, eine „konservative Prognose“, wie Ende November Vizepräsident und Miteigentümer Leonid Fedun erklärte. Konzernchef Vagit Alekperow hält ein Preisniveau von 65 bis 90 US-Dollar pro Barrel für ausreichend, um Investitionsprojekte umzusetzen, etwa die Erforschung neuer Lagerstätten in der Arktis.

Auch bei Gazpromneft rechnet man nicht nur im kommenden Jahr mit einem eher niedrigen Erdölpreis von 45 US-Dollar pro Barrel, sagte im November Finanzdirektor Alexej Jankjewitsch. Damit plant auch Russneft. Haupteigentümer Michail Guzerijew geht zudem von einem Wechselkurs von 70 Rubel für einen US-Dollar aus, wie er dem TV-Sender Rossia 24 am Dienstag sagte. „Wegen des Kursunterschieds und des ‚Steuermanövers‘ (der stufenweisen Senkung der Erdöl-Exportsteuer auf etwa 60 Prozent im Laufe der nächsten drei Jahre, Anm. d. Red.) arbeiten wir praktisch am Limit der Wirtschaftlichkeit. Wir hoffen, nach 2018 wieder Gewinne zu erwirtschaften“, erklärte er. Bei Baschneft ist man optimistischer – das Unternehmen kalkuliert mit einem Erdölpreis von 60 US-Dollar pro Barrel, wie Finanzdirektor Alexej Lisowenko anlässlich der Veröffentlichung des Quartalsberichts mitteilte.

Die russische Erdölwirtschaft profitiert vom Rubelkurs, der in etwa im gleichen Maße verfällt wie der Erdölpreis, und von den flexiblen Steuersätzen: Im Durchschnitt bleiben die Unternehmen dieser Branche bei einem Erdölpreis von bis zu 30 US-Dollar ohne Verluste, für Rosneft und Baschneft liegt diese Schwelle sogar unter 20 US-Dollar pro Barrel, schätzen Analysten bei Merrill Lynch. Für ausländische Großkonzerne wie BP, Total und Eni werde es kritisch, wenn der Preis 60 US-Dollar unterschreite, betonen die Experten.

Anhaltend niedriges Preisniveau

Als Basisszenario für 2016 geht das Ministerium für Wirtschaftsentwicklung bei der Marke Urals von einem Preis von 50 US-Dollar, bei konservativer Betrachtung von 40 US-Dollar pro Barrel aus. Wobei das konservative Szenario vorsieht, dass der Erdölpreis sich bis 2018 auf dem Niveau von 40 US-Dollar halten wird. Der Rückgang des Erdölpreises sei ein anhaltender Trend, der mit dem Verlust einer der Hauptantriebskräfte auf dem Erdölmarkt zusammenhänge: der Nachfrage aus China, glaubt der ehemalige Finanzminister Alexej Kudrin. Seiner Meinung nach wird der Erdölpreis sich auch nach den Präsidentschaftswahlen in Russland 2018 unter 50 US-Dollar pro Barrel halten, was sich als Impuls für entsprechende Reformen erweisen könnte.

*Den vollständigen Artikel in russischer Sprache können Sie hier nachlesen.

Mario Mehren: "Europa kann nicht ohne russisches Gas auskommen"

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