Gotteshaus auf dem Leichenfeld: Geschichte des Erlöserklosters von Borodino

William Brumfield
Aus einer persönlichen Tragödie erwachsen, wurde der Ort zu einer nationalen Pilgerstätte.

Ein gewaltiger Zusammenstoß

Borodino ist vielleicht am besten bekannt durch die monumentale Beschreibung der Schlacht in Leo Tolstois „Krieg und Frieden“. Über eine Viertelmillion Soldaten waren beteiligt, ungefähr 75 000 fielen. Genaue Opferzahlen sind schwer zu bestimmen.

Die Franzosen errangen zwar einen taktischen Sieg, es gelang ihnen jedoch nicht, die russischen Streitkräfte unter dem Befehl des Prinzen Michail Kutusow zu zerstören. Obwohl der Rückzug der russischen Armee nach Borodino die weiträumige Verwüstung Moskaus zur Folge hatte, führte die Besetzung der uralten Hauptstadt nicht zum Sieg über Russland, sondern zum Zerfall der französischen „Grande Armée“.

Gedenkstein für das Murom- und Rewel-Regiment unter dem Befehl von General Tutschkow

In Russland besitzt das Schlachtfeld von Borodino eine historische Relevanz, weshalb es als nationaler Erinnerungsort bewahrt wird. In seinem Zentrum steht das Erlöserkloster von Borodino.

Die Pläne für das Kloster entstammten dem Wunsch Margarita Tutschkowas, eine Kirche zu Ehren ihres geliebten Ehemannes, General Alexander Tutschkow, zu stiften. Auf dem Höhepunkt der Kämpfe starb Tutschkow an der Spitze seines Murom- und Rewel-Regiments in einem rasenden Angriff mit dem Ziel, eine von den Franzosen eingenommene Stellung zurückzuerobern. Das Blutbad war so verheerend, das die Leiche Tutschkows nicht identifiziert werden konnte. Seine Witwe kehrte tief traumatisiert auf ihr Anwesen zurück. Die Vorstellung, ein Denkmal in der Nähe des Ortes zu errichten, an dem ihr Mann starb, half ihr, die scheinbar ausweglose Verzweiflung zu überwinden.

Im Jahr 1817 fand ihre Idee, einen Altar auf dem Schlachtfeld zu erschaffen, die Unterstützung der Zarin Maria Fjodorowna, der Ehefrau des Zaren Alexander des Ersten. Tutschkowa verkaufte ihre Diamanten, um Geld für den Bau zu sammeln, der im Jahr 1818 begann. Alexander der Erste spendete weitere 10 000 Rubel, um die Kirche zu vollenden, die im Jahr 1820 der wunderbaren Ikone des Erlösers geweiht wurde, dem Zeichen des Rewel-Regiments, das Tutschkow geführt hatte.

Ein nationales Heiligtum, erwachsen aus menschlichem Schicksal

Zu diesem Zeitpunkt zog sich Tutschkowa aus der Gesellschaft zurück, entließ ihre Diener und zog in das kleine Haus nahe der Erlöserkirche von Borodino. Sie legte ihr Gelübde 1836 unter dem Namen Melanie ab, und im Jahr 1838 erhielt die Gemeinde von Borodino den Status eines Klosters.

Im Jahr 1840 wurde Tutschkowa Äbtissin des Klosters. Sie blieb bis zu ihrem Tod im Jahr 1852 im aktiven Dienst.

Mittlerweile hatte der Bau der Hauptkathedrale des Klosters begonnen. Sie sollte der Ikone der Gottesmutter von Wladimir gewidmet sein, der man nachsagt, sie habe auf wundersame Weise den Rückzug des Eroberers Timur aus Russland im Jahr 1395 bewirkt. In den frühen 1870er Jahren wurde als zusätzliches Denkmal der Soldaten, die in der Schlacht starben, die nahe gelegene Kirche der Enthauptung des Heiligen Johannes gebaut.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das Erlöserkloster von Borodino zum nationalen Wahrzeichen. Während seiner Arbeit an „Krieg und Frieden“ besuchte Leo Tolstoi das Kloster im September 1867 und verbrachte die Nacht in dessen Herberge.

Portraits von Denkmälern

Das zentrale Denkmal des Schlachtfelds, ein großer Obelisk, der als Mahnmal aller an der Schlacht beteiligten russischen Soldaten diente, wurde von dem Architekten Antonio Adamini entworfen. Das Denkmal enthielt außerdem das Grab des großen russischen Befehlshabers, Prinz Pjotr Bagration, dessen Gebeine im Jahr 1839 dorthin umgebettet wurden.

Im Jahr 1932 wurde der Obelisk von der sowjetischen Führung gesprengt. In den 1930er Jahren galten solche Denkmäler als Relikte der zaristischen Ära und als eng verbunden mit der Orthodoxen Kirche.

Diese Einstellungen änderten sich mit dem Beginn des Krieges gegen Nazideutschland. Im Oktober 1941 wurde Borodino erneut von den Invasoren angegriffen und die Russen beschworen zur Verteidigung Moskaus den Geist des Ersten Vaterländischen Krieges. Ein Ausdruck dieser Verbindung ist das T-34-Panzerdenkmal für Soldaten der 5. Panzerarmee, die den Vormarsch der Deutschen auf Moskau aufhielten.

Der Obelisk von Borodino wurde im Jahr 1987 zu Ehren des 175. Jahrestages der Schlacht nachgebaut. Die Grabkammer des Prinzen Bagration wurde ebenso wieder aufgebaut und 65 Knochensplitter, die im Geröll der Explosion von 1932 gefunden wurden, erneut begraben.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte der russische Chemiker und Fotograf Sergej Prokudin-Gorski ein aufwändiges Verfahren für die Farbfotografie. Seine Vision der Fotografie als eine Form von Bildung und Aufklärung zeigt sich besonders in seinen Fotografien der mittelalterlichen Architektur historischer Siedlungen wie Susdal und Wladimir. Zwischen 1903 und 1916 reiste er durch das Russische Imperium und schoss mit seiner neuen Technik über 2000 Fotografien, die drei Aufnahmen auf einer Glasplatte beinhalten. Im August 1918 verließ er Russland mit seiner Kollektion von Glasnegativen und ging nach Frankreich. Nach seinem Tod im Jahr 1944 in Paris verkauften seine Erben diese Kollektion an die Kongressbibliothek. Im frühen 21. Jahrhundert digitalisierte die Bibliothek die Prokudin-Gorski-Kollektion und machte sie für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Zahlreiche russische Webseiten führen nun Teile dieser Kollektion auf.

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